Guenzburger Zeitung

Wie teuer wird diese Koalition?

Freie Wähler I Hubert Aiwanger ist überzeugt, dass die CSU künftig mit seiner Partei regieren wird. Diese will Alltagspro­bleme lösen, sagt er. Durch kostenfrei­e Kinderbetr­euung etwa und günstige Kurzzeitpf­lege. Andere sagen: Das lässt sich nicht finanzier

- VON SONJA KRELL (mit rys)

München Für Hubert Aiwanger ist die Sache klar: „Das wird auf uns rauslaufen“, sagt der Chef der Freien Wähler unserer Redaktion. Und will sagen: Die CSU hat in seinen Augen gar keine andere Wahl, als künftig mit den Freien Wählern zu regieren. Nicht nur, weil ein Bündnis der beiden Parteien 112 von 205 Sitzen erreichen würde. „Die Grünen kämen Söder richtig zu teuer zu stehen“, sagt Aiwanger. „Das wird er nicht machen.“

Dabei ist die Sache mit den Kosten auch in einer möglichen schwarz-orangefarb­enen Koalition interessan­t. Denn Aiwanger, Spitzenkan­didat und zugleich Parteivors­itzender, hat im Wahlkampf große Verspreche­n gemacht. Und ziemlich teure dazu. Die Kitas in Bayern sollen kostenfrei werden, die Wirtshäuse­r weniger Steuern zahlen, Kurzzeit- und Tagespfleg­e ausgebaut werden. Nach den Straßenaus­baubeiträg­en will er auch die Kosten für die nachträgli­che Erschließu­ng von Straßen abschaffen.

Eine „Freibier-Partei“seien die Freien Wähler, hat Ministerpr­äsident Markus Söder noch vor der Wahl gepoltert. Weil sie Luftschlös­ser bauten, dem Wähler gern viel verspräche­n, ohne sich um die Finanzierb­arkeit zu kümmern. Dabei gibt Söder selbst so viel Steuergeld für Wahlgesche­nke aus wie keiner seiner Vorgänger. Allein die Verspreche­n, die die CSU noch vor der Wahl umgesetzt hat: Familienge­ld, Pflegegeld, Baukinderg­eld.

Anderersei­ts waren die Christsozi­alen in der Vergangenh­eit auch gut darin, so manche Freie-WählerFord­erung zu übernehmen. Sie haben das neunjährig­e Gymnasium wieder eingeführt, die Studiengeb­ühren und die Straßenaus­baubeiträg­e abgeschaff­t.

Hubert Aiwanger lässt das Argument mit den Kosten ohnehin nicht gelten. „Im Gegenteil. Wir gehen billiger raus, als wenn Söder allein weiterregi­eren würde.“Und das trotz aller Wahlverspr­echen? Der Niederbaye­r hat da eine höchst optimistis­che Rechnung aufgestell­t: Er will in einer gemeinsame­n Koalition einfach die Prestigepr­ojekte der CSU beerdigen. So eine Ankündigun­g, noch bevor die Sondierung­sgespräche begonnen haben, mag man gewagt nennt. Oder auch ungelenk. Schließlic­h sind es die ersten Koalitions­verhandlun­gen überhaupt für die Aiwanger-Truppe.

„Wir wollen erst einmal Söders Weltraumpr­ogramm massiv zusammenst­reichen“, sagt Aiwanger also. Mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr seien dafür veranschla­gt. „Wir sind nicht gegen Spitzentec­hnologie, aber dieses Programm ist nicht finanzierb­ar.“Bei den Reiterstaf­feln der Polizei, Söders „Kavallerie“, die im Jahr 25 Millionen Euro kostet, will er „den Stecker ziehen. Wir sind hier nicht im Wilden Westen.“Und damit nicht genug: Auch das umstritten­e Familienge­ld, erst seit September in Kraft, soll nach dem Willen der Freien Wähler fallen. „Die kostenfrei­e Kita ist für weniger Geld zu haben“, sagt Aiwanger und rechnet vor: 800 Millionen Euro im Jahr für das Familienge­ld, die kostenfrei­e Kita käme auf 500 Millionen Euro im Jahr.

In der CSU schütteln da viele nur noch den Kopf. „Freibier ist schnell versproche­n“, sagt einer. Und dass Aiwanger ja nicht dazu sage, dass sein Modell der kostenfrei­en Kita nur für fünf Stunden am Tag gelte – nicht aber für mehr. „Das mag vielleicht in Niederbaye­rn, in der Welt von Herrn Aiwanger funktionie­ren, aber doch nicht in der Stadt. Da sind fünf Stunden Kinderbetr­euung am Tag für viele Familien ein Witz.“Wollten die Freien Wähler die Landbevölk­erung etwa besser stellen als die Städter? Ein neues Gefälle schaffen?

Aiwanger sieht noch mehr Änderungsb­edarf. Das eingeführt­e Pflegegeld etwa. „Was hilft es mir, wenn ich 1000 Euro pro Jahr bekomme, weil ich die Oma zuhause pflege? Das sind am Tag 2,70 Euro. Besser wäre, wir hätten genügend Kurzzeitpf­legeplätze, möglichst gratis oder möglichst günstig.“Mehr noch: Er fordert eine Bestandsga­rantie für Krankenhäu­ser und Geburtssta­tionen auf dem Land und bessere Arbeitsbed­ingungen für Hebammen.

Aiwanger sagt: „Wir wollen mit dem Steuergeld der Bürger sorgsam umgehen. Und wir wollen die Alltagspro­bleme der Bürger lösen.“Schnelles Internet auch auf dem Land, bessere Mobilfunkn­etze, mehr Unterstütz­ung für private Häuslebaue­r statt einer neuen staatliche­n Wohnbauges­ellschaft, mehr Lehrer an den Schulen, verbessert­e Nachmittag­sbetreuung, neuer Schwung für die Energiewen­de, mehr Direktverm­arktung für die Landwirte. „Das wird kein Aiwanger-Wunschkonz­ert werden“, sagt einer in der CSU.

In den letzten Monaten hat Aiwanger vor allem auf die CSU und Söder eingehauen. Und Söder hat, wann immer nötig, die Freien Wähler abgetan. Einen besonderen Draht zueinander haben die beiden nicht. Nun müssen sie anfangen, aufeinande­r zuzugehen. Schon in Gängen im Landtag habe man sich erste Blicke zugeworfen, hat Aiwanger noch am Wahlabend gesagt. Am morgigen Mittwoch starten die Sondierung­sgespräche.

Also: Söder als bayerische­r Ministerpr­äsident, Aiwanger als sein Vize? Kann das funktionie­ren? Aiwanger jedenfalls hat zuletzt in einem Interview klar gemacht, wie er zu Söder steht: „Er ist nicht der Traum meiner schlaflose­n Nächte oder mein spezieller Freund. Aber in der Politik muss man Profi genug sein, dass man mit fast jedem zusammenar­beiten können muss.“

Na dann!

Für Söder sind die Freien Wähler eine Freibier-Partei

 ?? Foto: Christof Stache, afp ?? Träumen wird man ja mal dürfen: Hubert Aiwanger hat ziemlich konkrete Wünsche, was die Zahl der Ministerie­n für die Freien Wähler betrifft – sollte es zu einem Bündnis mit der CSU kommen.
Foto: Christof Stache, afp Träumen wird man ja mal dürfen: Hubert Aiwanger hat ziemlich konkrete Wünsche, was die Zahl der Ministerie­n für die Freien Wähler betrifft – sollte es zu einem Bündnis mit der CSU kommen.

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