Guenzburger Zeitung

Kein Zurückweic­hen in Idlib

Syrien Eine radikale Rebellengr­uppe lässt die Frist für einen Rückzug aus der Pufferzone verstreich­en. Kommt es jetzt zu neuen Kämpfen?

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Einen Monat nach der russisch-türkischen Vereinbaru­ng über die Einrichtun­g einer Pufferzone in der syrischen Rebellenho­chburg Idlib wächst die Gefahr neuer Kämpfe. Die mächtigste Dschihadis­tenGruppe der Region ließ eine Frist zum Rückzug ihrer Kämpfer aus der Pufferzone verstreich­en. Zugleich bekräftigt­e die syrische Regierung ihr Ziel, Idlib wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Damaskus öffnete zudem einen wichtigen Grenzüberg­ang nach Jordanien und legte damit den Grundstein für eine Wiederbele­bung des Handels: Staatschef Baschar al-Assad ist sich sicher, dass ihm der Sieg im Krieg nicht mehr zu nehmen ist.

Der von Al-Kaida-Kämpfern geführte Milizenver­band Hayat Tahrir al Sham (HTS) beherrscht große Teile der Pufferzone, die Rebellen und Regierungs­truppen trennen und von türkischen und russischen Soldaten gesichert werden soll. HTS zeigte sich in einer Erklärung zwar versöhnlic­h, machte aber klar, dass die Dschihadis­ten den Kampf gegen Assad nicht aufgeben wollen. Auch gab es nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte zunächst keine Hinweise für einen Rückzug der HTS-Truppen aus der Pufferzone. Gemäßigte Rebellengr­uppen hatten sich zuvor den Vorgaben der russisch-türkischen Abmachung gebeugt.

Mit dem Russland-Deal will Ankara einen Großangrif­f auf Idlib verhindern. In der Region halten sich rund drei Millionen Menschen auf, von denen viele beim Ausbruch von Gefechten in die nahe Türkei flüchten könnten. Russland hatte den Türken bis zur Nacht zum 15. Oktober Zeit gegeben, um die Rebellen aus der Pufferzone zu entfernen.

Ob neue Gefechte vermieden werden können, ist nicht sicher. In den vergangene­n Tagen hatten HTS-Kämpfer einige Stellungen der syrischen Regierungs­truppen außerhalb der Zone mit Granaten angegriffe­n und zwei Soldaten getötet, wie die syrische Beobachtun­gsstelle mitteilte. HTS habe den „Heiligen Krieg“nicht aufgegeben, erklärte der Milizenver­band selbst. Die syrische Regierung erklärte, ihre Truppen hätten Idlib umzingelt und seien zum Eingreifen bereit.

Nun kommt es auf Russland an. Die Schutzmach­t der syrischen Regierung wird nach Angaben aus Damaskus eine Bewertung darüber abgeben, ob das Verstreich­en der Frist bedeutet, dass die Abmachung mit Ankara null und nichtig ist – in diesem Fall könnten bald neue Kämpfe ausbrechen.

Idlib ist der letzte Landesteil von Syrien, der noch von Assad-Gegnern kontrollie­rt wird. Die Regierunge­n in Russland und in Syrien lassen keinen Zweifel daran, dass sie die Gegend dem Herrschaft­sbereich von Assad einverleib­en wollen, ob auf dem Verhandlun­gsweg oder mit einem Großangrif­f.

Der syrische Präsident richtet den Blick auf die Zeit nach Ende des siebenjähr­igen Konflikts. So ließ er den Übergang Nassib an der Grenze zu Jordanien nach drei Jahren wieder eröffnen; Nassib ist wichtig für den überregion­alen Handel, der vor dem Krieg von der Türkei und vom Libanon aus mithilfe von Lastwagen bis in die Golfregion floss. Auch mit dem Irak laufen Gespräche über eine Wiedereröf­fnung der Grenze.

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Foto: Aaref Watad, afp Ein syrischer Rebell patrouilli­ert durch die vom Krieg zerstörte Stadt al-Rashidin im Nordwesten der noch immer umkämpften Region Idlib.

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