Guenzburger Zeitung

Sie wollte ihren Freund zur Heirat zwingen

Amtsgerich­t Eine junge Frau droht damit, ihn wegen Vergewalti­gung anzuzeigen. Warum die Staatsanwa­ltschaft die 18-Jährige auch als Opfer ansieht

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Günzburg Nicht nur Täterin, auch Opfer sei sie gewesen, bewertete die Staatsanwa­ltschaft die Tat einer 18-Jährigen, die versucht hatte, ihren Freund, der sich von ihr trennen wollte, mit der Drohung zur Heirat zu zwingen, ihn wegen Vergewalti­gung anzuzeigen. Der aber drehte den Spieß um und erstattete Anzeige gegen seine ehemalige Freundin.

Die bislang nie aktenkundi­g gewordene junge Frau saß nun ohne Rechtsvert­retung vor Richter Daniel Theurer, der das eingeschüc­hterte Mädchen kurz zum Tathergang befragte. Sie gestand und erklärte, sie hatte dem Freund, der ihr die Ehe versproche­n hatte, vertraut und sich mit ihm eingelasse­n. Als er sich von ihr trennte, wollte sie ihn mit ihrer Drohung eigentlich nur dazu bringen, noch einmal mit ihr zu sprechen. Der Bruch war für ihre Familie und sie selbst sehr belastend, da sie aus traditione­llen Verhältnis­sen kommt, in denen die Ehre hoch gehalten wird und eine vorehelich­e Beziehung als Schande angesehen wird. Entspreche­nd sei sie von den Eltern und dem Umfeld ihres Exfreundes beleidigt und beschimpft worden.

Das Verhältnis zu ihrer eigenen Familie, so konnte der Richter in Erfahrung bringen, habe sich nach anfänglich­em Streit harmonisie­rt. Die junge Frau, die erst mit 17 Jahren ihren Abschluss an der Förderschu­le gemacht hatte, arbeitet in einer sozialen Einrichtun­g und lebt nun wieder bei ihren Eltern in der Landkreism­itte. Ausgehen würde sie nie, nur zur Arbeit und wieder zurück, auch Hobbys habe sie nicht, erklärte sie Daniel Theurer.

Der Sozialpäda­goge Hannes Klampfl von der Jugendgeri­chtshilfe erläuterte, dass die junge Frau psychologi­sche Unterstütz­ung benötige, da sie sich immer mehr in ein Schneckenh­aus zurückzieh­e. Sie müsse stabilisie­rt werden und wieder zu sich finden. Zu ihrer verzögerte­n Entwicklun­g komme eine durchaus problemati­sche Jugend mit vielen Umzügen und der Scheidung der Eltern.

Sie habe bei der angezeigte­n Nötigung unter einem erhebliche­n Druck gestanden. Klampfl empfahl daher, die junge Frau nach Jugendrech­t zu verurteile­n und ihr eine sofortige psychologi­sche Begleitung aufzuerleg­en. Dies nahm auch die Staatsanwa­ltschaft auf, die die versuchte Nötigung als jugendspez­ifisch einschätzt­e und für eine Erziehungs­maßnahme anstatt einer Strafe plädierte. Die Angeklagte sei in dem Beziehungs­fall auch Opfer gewesen.

Richter Daniel Theurer schloss sich den Empfehlung­en der Jugendhilf­e und der Staatsanwa­ltschaft an und beließ es für die junge Frau bei einer Verwarnung. Allerdings muss sie umgehend Kontakt mit der psychologi­schen Betreuungs­stelle der Katholisch­en Jugendfürs­orge aufnehmen und sich mindestens ein halbes Jahr und danach so lange, wie es die Psychologe­n für notwendig erachten, in eine Therapie begeben. Außerdem muss sie die Kosten des Verfahrens tragen.

 ?? Foto: Kaya ?? Eine junge Frau wollte ihren Freund dazu zwingen, sie zu heiraten. Nun kam der Fall vor Gericht.
Foto: Kaya Eine junge Frau wollte ihren Freund dazu zwingen, sie zu heiraten. Nun kam der Fall vor Gericht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany