Mehr Unfälle: Braucht die A 8 ein Tempolimit?
Seit die Verkehrsachse ausgebaut wurde, steigt die Zahl der Verletzten. Wie dramatisch es auf den drei Spuren werden kann, zeigt der jüngste Unfall bei Zusmarshausen. Abgeordneter will Telematik für den Großraum Augsburg
Seit auf der Strecke zwischen Ulm und München schneller gefahren werden kann, hat sich das Unfallrisiko erhöht.
Landkreis/Zusmarshausen Ein Trümmerfeld über Hunderte Meter, zerfetzte Autos, zwei Schwerverletzte und eine für mehrere Stunden gesperrte Autobahn: Hätte der Unfall am Montagnachmittag auf der A8 bei Zusmarshausen (wir berichteten) verhindert werden können, wenn langsamer gefahren worden wäre? „Möglicherweise ja“, sagt der Chef der Autobahnpolizei in Gersthofen, Josef Sitterer. Er stellt generell fest: Seit auf der ausgebauten Strecke zwischen Ulm und München schneller gefahren werden kann, hat sich das Unfallrisiko erhöht. Gleichzeitig hat sich die „Qualität der Unfälle“verändert. Die Folgen sind dramatischer als früher. Das beweist das jüngste Beispiel.
Beim Unfall kurz vor Zusmarshausen wurden vier Personen zum Teil schwer verletzt. Zu ihnen gehörte auch die 55-jährige Beifahrerin des Wagens, der mit hoher Geschwindigkeit auf ein stehendes Fahrzeug prallte – das war der traurige Höhepunkt einer erschütternden Verkettung von Ereignissen.
Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen zog gegen 14.35 Uhr kurz vor der Anschlussstelle Zusmarshausen ein Lastwagen mit un- garischem Kennzeichen unvermittelt von der rechten auf die mittlere Spur. Der Fahrer im Nissan dahinter wich daraufhin nach links aus. Ob er abgedrängt wurde, ist unklar. Die Polizei sucht den Lastwagenfahrer. Vielleicht hat er gar nicht mitbekommen, was sich in den Sekunden danach auf der A 8 abspielte.
Durch das Ausweichmanöver kam es auf der linken Spur zu einem Auffahrunfall. Während das eine Fahrzeug einige Meter weiter auf dem Standstreifen anhielt, blieb das andere auf der linken Spur liegen. Und wurde zu einem gefährlichen Hindernis. Drei nachfolgende Fahrzeuge konnten gerade noch rechts ausweichen. Ein 72-Jähriger in einem BMW erkannte die Situation allerdings nicht mehr rechtzeitig – mit hoher Geschwindigkeit krachte er gegen das Pannenauto, einen weißen Skoda. In der Folge gab es einen weiteren Zusammenstoß. Ein direkt nachfolgender 45-jähriger Fahrer kollidierte mit dem BMW, schleuderte auf die rechte Spur und stieß gegen einen Laster. Insgesamt waren sechs Fahrzeuge in den Unfall verwickelt, der Schaden wird auf 120 000 Euro geschätzt. Die A 8 wurde bis etwa 19.45 Uhr in Fahrtrichtung München gesperrt, es bildeten sich lange Staus. Ein Gutachter machte sich noch vor Ort ein Bild, um zu klären, wie sich der Unfall zugetragen hatte. Er wird jetzt ein Kapitel der Bilanz, die den Titel „Autobahn neu“tragen könnte. Denn mit dem Ausbau haben sich die Verletztenzahlen deutlich geändert. Im ersten Jahr der durchgängigen Sechsspurigkeit 2016 gab es im Dienstbereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord bei knapp 892 Unfällen drei Tote sowie 349 Verletzte auf der Autobahn – 134 davon bei Geschwindigkeiten von über 130 Stundenkilometer. Im Jahr darauf waren es wieder 892 Unfälle mit 288 Verletzten. Zum Vergleich: Auf der alten A 8 zählte die Polizei etwas weniger Unfälle. Im Jahr 2012 waren es 771. Auch die Zahl der Verletzten lag mit 211 niedriger.
Der Zehn-Jahres-Vergleich bestätigt den Unterschied: Seit 2008 hat die Zahl der Verletzten um 42 Prozent zugenommen. Das hat auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz erkannt und sich im Bundesverkehrsministerium für den Bau von sogenannten Streckenbeeinflussungsanlagen starkgemacht. „Das halte ich für zwingend notwendig.“Das Problem: Normalerweise würden für eine Entscheidung die Unfallzahlen von drei Jahren seit dem Ausbau als Vergleichswert herangezogen. „Das geht mir aber zu langsam“, sagt Durz, der deshalb mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Kontakt aufgenommen hat. Der Neusässer Abgeordnete drückt nicht nur aufs Gas bei der Umsetzung. Er will den Bereich für die sogenannte Telematik auch weiter fassen. Die Anzeigetafeln sollen nicht nur wie bislang geplant zwischen Friedberg und Neusäß, sondern weiter nach Osten und Westen aufgestellt werden. Durz sagt: „Der Bereich zwischen Neusäß und Friedberg hat zwar die höchste Dringlichkeit. Aber die Zahl der Verletzten lässt erkennen, dass der Bereich weiter gefasst werden muss.“Durz ist überzeugt: Mit der Telematik lasse sich viel dynamischer auf Verkehrsereignisse reagieren als zum Beispiel mit einem generellen Tempolimit. Durz: „Was hilft eine Beschränkung auf 130 Stundenkilometer, wenn eine schwierige Witterungssituation Tempo 80 erfordert?“
Ein Tempolimit scheint ohnehin kaum möglich: „Dafür müsste ein klassischer Unfallschwerpunkt vorliegen“, sagt der Chef der Autobahnpolizei, Josef Sitterer. Der sei aber nicht erkennbar.
Lange Staus auf den Umleitungen