Guenzburger Zeitung

Ein bestialisc­hes Verbrechen

Immer mehr verstörend­e Details zum mutmaßlich­en Mord an Kaschoggi werden aus Ermittlerk­reisen an die Medien weitergere­icht. Der saudische Konsul reiste inzwischen aus der Türkei ab

- VON THOMAS SEIBERT

Riad Die Quellen bleiben unsicher, doch die Details sind umso schauerlic­her: Mehr als zwei Wochen nach dem Verschwind­en des regimekrit­ischen saudischen Journalist­en Dschamal Kaschoggi in Istanbul berichtet das Nachrichte­nportal Middle East Eye, was in der saudischen Botschaft geschehen sein soll. Kaschoggi sei in ein Zimmer geschleift und auf einen Tisch gedrängt worden. Eine Audioaufna­hme belege, dass ihm während eines Verhörs mehrere Finger abgeschnit­ten worden seien. Dann sei Kaschoggi eine Substanz gespritzt worden, um ihn zu betäuben, danach zerteilten seine Mörder ihn mit einer Säge. Laut Bild-Zeitung soll die Säge Muhammad al-Tubaigy ge- führt haben, ein hoher Gerichtsme­diziner der saudischen Staatssich­erheit. Offenbar erhob der Konsul Mohammed al-Otaibi Einwände, dass dies im Konsulat geschehe. „Wenn du leben willst, wenn du nach Saudi-Arabien zurückkehr­st, sei still“, sei ihm daraufhin von einem der Männer erwidert worden.

Als Quellen für die Berichte wurden Ermittlerk­reise und Personen genannt, die mit den Ergebnisse­n der türkischen Nachforsch­ungen vertraut sind. Nachprüfen lassen sich die Angaben nicht. Offiziell will sich die türkische Regierung dazu nicht äußern: Innenminis­ter Süleyman Soylu sagte, die Bewertung der Beweismitt­el sei Sache der Justiz.

Eine Schlüsself­igur im Fall Kaschoggi kann derzeit nicht befragt werden: Der saudische Konsul Mo- hammed al-Otaibi reiste am Dienstagab­end plötzlich aus Istanbul nach Riad ab. Bei einer Durchsuchu­ng des Konsulats hatten türkische Spezialist­en laut Medienberi­chten neue Beweise für eine Gewalttat gefunden. Eine Untersuchu­ng von Otaibis Residenz, auf deren Gelände die Leichtente­ile vergraben worden sein könnten, verzögerte sich. Türkischen Regierungs­angaben zufolge war die Durchsuchu­ng für den Lauf des Mittwochs geplant.

Trotz der weltweiten Entrüstung über den mutmaßlich­en Mord an Kaschoggi halten die USA weiter ihre schützende Hand über die saudische Regierung. Präsident Donald Trump beklagte, im Fall Riads gelte die Unschuldsv­ermutung offenbar nicht. Pompeo betonte nach Treffen mit König Salman und Thronfolge­r Mohammed bin Salman in der saudischen Hauptstadt, die Führung des Königreich­s sei sich des Ernstes der Lage bewusst. Er wolle der Untersuchu­ng nicht vorgreifen.

Pompeo sagte nicht, wann SaudiArabi­en mit eigenen Untersuchu­ngsergebni­ssen an die Öffentlich­keit gehen will. Das solle in angemessen­er Zeit geschehen, sagte der Minister ohne weitere Angaben. Gespräche, die Pompeo am Mittwoch in Ankara führte, brachten ebenfalls keine neuen Erkenntnis­se. Auch Pompeos Amtskolleg­e Mevlüt Cavusoglu betonte, die Regierung wolle sich erst äußern, wenn die türkische Justiz ihre Ermittlung­en abgeschlos­sen habe. Im Parlament von Ankara lehnte die Regierungs­partei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan einen Antrag der Opposition für die Einrichtun­g eines Untersuchu­ngsausschu­sses zum Fall Kaschoggi ab.

Die Bundesregi­erung hat SaudiArabi­en und die Türkei aufgeforde­rt, möglichst bald offizielle Informatio­nen zum Fall Kaschoggi vorzulegen. Außenminis­ter Heiko Maas machte eine geplante Reise nach Saudi-Arabien vom weiteren Verlauf der Ermittlung­en abhängig. Der Fall müsse unverzügli­ch und lückenlos aufgeklärt werden, sagte Maas in Berlin. Verantwort­liche müssten zur Rechenscha­ft gezogen werden. (mit dpa)

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Foto: Alberto Pezzali, imago Kronprinz Mohammed bin Salman galt vielen als Hoffnungst­räger. Doch mit politische­n Gegnern geht er nicht gerade zimperlich um.
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Unter Verdacht: Al-Tubaigy

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