Guenzburger Zeitung

Von Posten und Pöstchen

Welche Ministerie­n könnte die CSU an die Freien Wähler abgeben? Welche auf keinen Fall? Und worauf wird der designiert­e Koalitions­partner bestehen?

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München Nach dem Erfolg seiner Freien Wähler bei der Landtagswa­hl kann Hubert Aiwanger vor Selbstbewu­sstsein kaum gehen. Zumindest scheint dies so aus Sicht der CSU, als am Rande der CSU-Vorstandss­itzung Aiwangers Forderung nach bis zu fünf Ministerie­n in einer möglichen Koalition die Runde machte. Seit Mittwoch wird in Bayern sondiert, doch längst dreht sich das Personalka­russell auf Hochtouren. Bei der Vergabe geht es für beide Parteien aber nicht nur um persönlich­e Vorlieben, zu beachten sind auch wichtige Faktoren wie der Regionalpr­oporz, die Frauenquot­e und natürlich die Demonstrat­ion der Deutungsho­heit. Ein Überblick:

● Innenpolit­ik Keine Frage, bei ihrer selbst ernannten Kernkompet­enz kann sich die CSU auf keine Diskussion einlassen. Ressortche­f Joachim Herrmann dürfte wie in den vergangene­n elf Jahren gesetzt sein, außer er würde überrasche­nderweise wieder mal in Berlin gebraucht.

● Bau und Verkehr Nachdem Ressortche­fin Ilse Aigner Landtagspr­äsidentin werden soll, wird die Führungspo­sition vakant. Doch Söder hatte den Wohnungsba­u unlängst zu der sozialen Frage der Gegenwart erklärt, daher ist ein Verzicht auf das zuständige Haus unwahrsche­inlich. Wer Aigner aber beerbt, ist völlig offen. Die Freien Wähler dürften hier aber auch ein großes Interesse haben.

● Finanzen und Heimat Kein Regierungs­chef gibt die Hoheit über sein Budget gerne an Vertreter anderer Parteien. Dies dürfte auch bei Söder der Fall sein. Hinzu kommt, dass Ressortche­f Albert Füracker das Haus bestens im Griff hat. Denkbar wäre aber, dass Söder den Bereich Heimat und Landesentw­icklung herauslöst, um den Freien Wählern entgegenzu­kommen.

● Agrar Auch wenn Amtsinhabe­rin Michaela Kaniber in den ersten sieben Monaten ihrer Führung in der Branche viel Zuspruch erfuhr, ist das Haus ganz sicher ein Wackelkand­idat aus CSU-Sicht. Bei den Freien Wählern und ihrem Fokus auf den ländlichen Raum dürfte das Ressort dort hoch im Kurs stehen. ● Wissenscha­ft Nachdem Ministerin Marion Kiechle den Einzug in den Landtag verpasst hat, und die CSU-Fraktion bis heute nicht recht mit der politische­n Quereinste­igerin warm wurde, dürfte auch dieses Ministeriu­m zur bevorzugte­n Verhandlun­gsmasse gehören. Die Freien Wähler, allen voran Vize-Landeschef Michael Piazolo, seines Zeichen Professor für europäisch­e Studien von der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften München, würde es wohl mit Kusshand nehmen.

● Kultus Ressortche­f Bernd Sibler gehört zu den Entdeckung­en im Kabinett Söder I. Der Niederbaye­r ist vom Fach und hat es geschafft, sich in kürzester Zeit auch bei den vielen Verbänden einen guten Ruf zu erarbeiten. Der Start des neuen Abiturs verlief ohne Aufregung, Söder wird daher mit Sicherheit weiter auf das Haus bestehen.

● Justiz Auch wenn Minister Winfried Bausback in der CSU unbestritt­en ist, könnte der Jurist ein großer Verlierer der Kabinettsu­mbildung werden. Da ändert auch der für Söder bei der Kabinettsp­ostenverga­be wichtige Regionalpr­oporz nichts. Bei den Freien Wählern steht zudem mit Fernsehric­hter Alexander Hold ein prominente­r Abgeordnet­er bereit.

● Gesundheit CSU-Vize Melanie Huml muss sich vermutlich keine großen Sorgen machen. Söder hält viel von der Oberfränki­n, zudem sind Frauen in der CSU-Kabinettsl­iste ohnehin rar. Auch fachlich ist Huml nicht in Gefahr, seit Jahren führt sie das Ressort ohne großen Ärger.

● Wirtschaft Auch wenn die Gestaltung­smöglichke­iten des Ministeriu­ms überschaub­ar sind, gilt es als Schlüsselh­aus in allen Regierunge­n. Dass die CSU darauf zu verzichten bereit ist, hat sie schon 2008 gezeigt, als die FDP es in der Koalition übernehmen durfte. Gut möglich, dass hier Aiwanger selbst Interesse anmeldet.

● Familie und Soziales Mit der Arbeit von Kerstin Schreyer ist Söder nach eigener Aussage sehr zufrieden. Für das soziale Profil der CSU ist es zudem ein wichtiges Ressort, welches die CSU kaum abgeben will. Die Freien Wähler ihrerseits legen etwa bei dem von der CSU eingeführt­en Familien- und Pflegegeld andere Kriterien an. Das Wahlverspr­echen Söders wird für ihn nicht verhandelb­ar sein.

● Umwelt und Verbrauche­rschutz Im Skandal um von Salmonelle­n verseuchte Eier haben die Freien Wähler die damaligen CSU-Minister massiv attackiert und der Staatsregi­erung Versagen vorgeworfe­n. Daher scheint es auch nicht unwahrsche­inlich, dass die Freien Wähler hier Durchsetzu­ngsstärke gegen die CSU demonstrie­ren wollen.

● Europa und Digitalisi­erung Der in der Staatskanz­lei angesiedel­te Staatsmini­sterposten ist sicher fest bei Söder einkalkuli­ert. Hinzu kommt, dass Söder mit Georg Eisenreich einen Minister verlieren würde, der wohl schon bald Chef der Münchner CSU werden könnte. Daher gibt’s hier wohl keinen Verhandlun­gsspielrau­m.

● Staatskanz­leichef Der Posten an der Seite von Söder ist sicher nicht verhandelb­ar, als Scharnier zwischen den anderen Ministerie­n ist er strategisc­h wichtig. Zudem gehört Amtsinhabe­r Florian Herrmann zu den engsten Vertrauten des CSURegieru­ngschefs. (dpa)

Agrar- und Justizress­ort wackeln definitiv

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