Guenzburger Zeitung

Koalition streitet um Grenzwerte für Fahrverbot­e

Diesel Merkel will Regeln in etlichen Städten lockern. SPD spricht von Wahlkampfm­anöver

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der Vorstoß von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die Hürden für Diesel-Fahrverbot­e in deutschen Städten gesetzlich zu erhöhen, stößt beim Koalitions­partner SPD und in der Opposition auf einhellige Ablehnung. „Das ist ein ganz durchsicht­iges Wahlkampfm­anöver“, kritisiert­e der SPD-Verkehrsex­perte Martin Burkert gegenüber unserer Zeitung – und machte deutlich, dass seine Partei Merkels Plänen nicht zustimmen werde: „Es ist sicher nicht der richtige Weg, Grenzwerte nach oben zu setzen.“Ziel müsse es sein, möglichst viele Autos umzurüsten, sodass sie sauber seien, forderte er. Und zwar auf Kosten der Hersteller.

Auch Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter kritisiert­e die Ankündigun­g der Kanzlerin scharf: „Merkels durchsicht­iges Manöver ist nicht mehr als eine buchstäbli­che Nebelkerze und zäumt den Bock von hinten auf“, sagte Hofreiter unserer Zeitung. „Wer die Autofahrer vor Fahrverbot­en und Wertverlus­t schützen und in den Städten für saubere Luft sorgen will, muss Motornachr­üstungen auf Kosten der Autokonzer­ne durchsetze­n.“Die Bundesregi­erung müsse ihren Kuschelkur­s mit der Automobili­ndustrie endlich beenden und anfangen, Politik für die Bürger zu machen.

Im Umweltmini­sterium heißt es zu den von Merkel geplanten Gesetzesän­derungen, dass es rechtlich gar nicht möglich sei, Fahrverbot­e per Gesetz zu stoppen. Dass Merkel nun genau dies ankündigt, dürfte daran liegen, dass ihr Parteifreu­nd, der hessische Ministerpr­äsident Volker Bouffier, kurz vor der Landtagswa­hl den Zorn vieler Dieselbesi­tzer fürchten muss, denen Fahrverbot­e drohen. In Frankfurt ist ein DieselBann bereits beschlosse­n, in Wiesbaden und Darmstadt könnten weitere Verbote folgen. Die EU-Abgasgrenz­werte werden auch deshalb regelmäßig überschrit­ten, weil Teile der Autoindust­rie bei den Abgaswerte­n ihrer Dieselauto­s getrickst haben. Kürzlich hatte die Bundesregi­erung mehrere Maßnahmen beschlosse­n, die Autofahrer­n etwa durch Prämien den Umstieg auf saubere Wagen ermögliche­n sollen.

Nach einer Parteisitz­ung hatte Merkel betont, Fahrverbot­e seien „nicht verhältnis­mäßig“, wenn die Stickoxid-Grenzwerte nur geringfügi­g überschrit­ten würden. Zu den Städten, in denen nach Ansicht Merkels ein Fahrverbot per Gesetzesän­derung überflüssi­g werden würde, zählt Frankfurt. Die geplante Neuregelun­g soll für Städte gelten, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoff­dioxid pro Kubikmeter im Jahresmitt­el um höchstens 25 Prozent überschrei­ten.

Die Luftversch­mutzung in Frankfurt ist aber wohl höher, als im Diesel-Konzept der Bundesregi­erung angegeben. An der Stickstoff­dioxid-Messstatio­n Börneplatz betrug der Jahresmitt­elwert 2017 nach

Ministeriu­m: Am Ende entscheide­t die Kommune

einer neuen Liste des Umweltbund­esamts 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – damit müsste Frankfurt zu den „Intensivst­ädten“zählen, die den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm deutlich überschrei­ten.

Ein Sprecher von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) stellte am Montag dagegen klar, dass die Bundesregi­erung Fahrverbot­e auch nicht in Städten verhindern könne, in denen die EU-Grenzwerte für Luftversch­mutzung kaum überschrit­ten würden. Am Ende entscheide die Kommune selbst, ob ein Fahrverbot komme oder nicht. Die Deutsche Umwelthilf­e, die für Fahrverbot­e vor Gericht zieht, hält die Pläne für wirkungslo­s: „Das ist eine Kosmetik, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert.“

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