Guenzburger Zeitung

Wo liegt die grüne Schmerzgre­nze?

Baden-Württember­g Beim Thema innere Sicherheit offenbaren sich die Gräben zwischen CDU und Grünen. Das zeigt sich im Streit um ein schärferes Polizeiges­etz

- VON PETER REINHARDT UND MICHAEL SCHWARZ

Stuttgart Verläuft die politische Bruchstell­e entlang des Themas innere Sicherheit? Der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) möchte das Polizeiges­etz in seinem Land massiv verschärfe­n und steuert damit auf einen Konflikt mit dem grünen Koalitions­partner zu. Immer neue Einzelheit­en der Pläne sorgen für Unruhe: Nach Informatio­nen dieser Zeitung will der CDU-Minister etwa die Schleierfa­hndung in einem 30 Kilometer breiten Korridor entlang der Grenze zu Frankreich und zur Schweiz einführen. Bislang gab es die Schleierfa­hndung in BadenWürtt­emberg lediglich auf Bundesstra­ßen und Autobahnen, also Straßen von erhebliche­r Bedeutung. Diese Einschränk­ung könnte entfallen. „Hierdurch wird die Möglichkei­t geschaffen, Personen in grenznahen Bereichen einer Personenko­ntrolle zu unterziehe­n, insbesonde­re zur Verhütung oder Unterbindu­ng der unerlaubte­n Überschrei­tung der Landesgren­ze oder des unerlaubte­n Aufenthalt­s“, heißt es in einem bislang unveröffen­tlichten Papier des Ministeriu­ms.

Strobl muss das baden-württember­gische Polizeiges­etz an das neue Datenschut­zrecht anpassen und will die Reform für weitergehe­nde Verschärfu­ngen nutzen. Gestern bestätigte er, dass er auch einen neuen Anlauf zur Einführung der umstritten­en Online-Durchsuchu­ng von Computern plant – eine Maßnahme, die seine Regierungs­partner ganz besonders schmerzen wird. Den Einsatz von Staatstroj­anern zur Durchleuch­tung von gespeicher­ten Daten hatten die Grünen ihrem Koalitions­partner bei der letzten Reform vor einem Jahr verweigert. „Ich kenne die Bedenken, die es beim Koalitions­partner gibt. Trotzdem gebe ich nicht auf, dafür zu werben“, sagte Strobl. Es gebe keine neuen Erkenntnis­se, aber die Terrorgefa­hr im Südwesten sei nach wie vor hoch, begründete der CDU-Politiker den erneuten Vorstoß. Zudem sei es offensicht­lich, dass sich die Grünen in jüngster Vergangenh­eit in der Sicherheit­spolitik „in die richtige Richtung entwickelt hätten, findet Strobl.

Zugestimmt hatten die Grünen vor einem Jahr der Einführung der „Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung“(Quellen-TKÜ), um Nachrichte­ndienste wie WhatsApp mitlesen zu können. Bisher gibt allerdings die dafür notwendige Software nicht. Der vom Bundeskrim­inalamt entwickelt­e Staatstroj­aner kann dem Vernehmen nach nicht zwischen Online-Durchsuchu­ng von Computern und QuellenTKÜ trennen. „Den Trojaner gibt es, aber nicht für die Bedingunge­n des baden-württember­gischen Polizeiges­etzes“, sagt ein Insider.

Beim Koalitions­partner stößt Strobl trotzdem auf Widerstand. „Es hat nach unserer Überzeugun­g keine Änderung der Sicherheit­slage gegeben, die Verschärfu­ngen notwendig machen“, betonte der Grünen-Innenexper­te Ulrich Sckerl. Das Motto „Viel hilft viel“sei sicherheit­spolitisch der falsche Ratgeber. Die Balance von Freiheit und Sicherheit müsse in Baden-Württember­g bewahrt werden.

Strobl will zudem den Einsatz von Bodycams (Schulterka­meras) von Polizisten nicht nur auf öffentlich­en Plätzen erlauben, sondern auch in Wohnungen, Arbeits-, Betriebsun­d Geschäftsr­äumen. Sckerl hingegen sagte, der Einsatz von Bodycams in Wohnungen ohne richterlic­he Anordnung verstoße aber gegen den grundgeset­zlich garantiert­en Schutz der Wohnung, wenn die Kameras nicht nur zum Eigenschut­z eingesetzt werden. „Wir werden dieses Grundrecht verteidige­n. Die Hürden sind auch hier zu Recht sehr hoch.“

Eine schwierige Abgrenzung steht für Strobl auch bei der Schleies erfahndung an, weil das europäisch­e Recht Grenzkontr­ollen innerhalb der EU grundsätzl­ich untersagt. Deshalb muss sich die geplante Überwachun­g im 30-KilometerK­orridor „eindeutig von systematis­chen Personenko­ntrollen an den Außengrenz­en unterschei­den beziehungs­weise stichprobe­nartig durchgefüh­rt werden“. Strobl verweist zur Begründung seines Vorhabens auf die grenzübers­chreitende Kriminalit­ät durch Einbrecher­banden, Drogenhänd­ler und die Abwehr von reisenden Gewalttäte­rn. Von Schleierfa­hndung ist umgangsspr­achlich die Rede, wenn Polizisten Passanten oder Reisende ohne konkreten Verdacht anhalten, durchsuche­n und Personalie­n kontrollie­ren dürfen.

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Polizisten kontrollie­ren einen Zug in Kehl, an der Grenze zu Frankreich. In der Terrorbekä­mpfung zeichnet sich ein neues Tauziehen der grün-schwarzen Regierungs­partner in Baden-Württember­g ab.
Foto: Uli Deck, dpa Polizisten kontrollie­ren einen Zug in Kehl, an der Grenze zu Frankreich. In der Terrorbekä­mpfung zeichnet sich ein neues Tauziehen der grün-schwarzen Regierungs­partner in Baden-Württember­g ab.

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