Guenzburger Zeitung

Tanzen im Sitzen

Gesundheit Um im Alter fit zu bleiben, ist nicht nur das Trainieren der Beweglichk­eit wichtig, sondern auch der Gehirnzell­en. Ein spezielles Programm unterstütz­t Senioren in der Region

- VON DANIELA HUNGBAUR

Horgau Hoch die Hände! Oben weht der Herbstwind. Das kann man sich gut vorstellen. Und im imaginären Wind lassen sich die Arme herrlich locker nach rechts und links schwingen. Die Beine machen auch mit: Man stelle sich vor, man marschiere durch hohe Laubberge, also hoch die Knie. Ein wenig Musik im Hintergrun­d macht die Sache beschwingt­er. „Und nicht vergessen: Lächeln“, ruft Ursula Rösch und strahlt selbst. Letzteres müsste die 71-Jährige gar nicht sagen, denn die 14 Damen, die sich an diesem Donnerstag­vormittag im Pfarrheim in Horgau im Landkreis Augsburg versammelt haben, sind bester Laune.

„Tanzen im Sitzen“heißt diese erste Bewegung, die eindrucksv­oll zeigt, dass man gar nicht Stehen muss, um in Schwung zu kommen. Die anschließe­nden Dehnübunge­n mit dem Theraband sind anspruchsv­oller. Aber: Wer rastet, der rostet. Auch gilt es nicht nur körperlich fit zu bleiben, die Gehirnzell­en brauchen auch Training. Also werden Wortspiele gemacht. Sie verlangen nicht nur Konzentrat­ion, sondern machen in der Runde vor allem viel Spaß.

Sixtyfit heißt das Programm, das die Senioren in Horgau jeden Donnerstag zusammen führt. Es ist ein spezielles Angebot, das der Turnbezirk Schwaben zusammen mit dem Katholisch­en Sportbund (DJK) und der Altenseels­orge der Diözese Augsburg 2005 ins Leben gerufen hat. Ein ganzheitli­che Training für Körper, Geist und Seele. Die Gruppe in Horgau gehört zu den ersten, die damals aufgebaut wurden. Ursula Rösch und Margit Kawalla sind ausgebilde­te Gruppenlei­terinnen für das Programm und bieten es zusammen mit Renate Engel an.

Hildegard Schulz ist von Anfang an mit dabei. Wer die zierliche Frau fröhlich beim Stuhltanz, aber auch so beweglich bei den Dehnübunge­n mit dem Theraband beobachtet, kann nicht glauben, dass sie 90 ist. „Ich mag Bewegung“, sagt sie, ergänzt aber gleich: „Und ich bin nicht gerne allein.“Seit 29 Jahren ist sie Witwe, hat aber das Glück Kinder, Enkel und Urenkel zu haben, die sich rührend um sie kümmern, erzählt sie. Denn auf dem Land ohne Auto, „da ist man schnell ein verlorener Mensch“. Was sie fit hält? „Immer positiv denken“, sagt sie. Das Credo auch von Kunigunda Böld, die ein paar Stühle weiter eifrig mitmacht. 85 ist sie, geht aber jeden Tag noch arbeiten – außer an den Donnerstag­vormittage­n, wenn sie zu Sixtyfit geht. Kunigunda Böld macht die Buchhaltun­g im Familienbe­trieb Böld Reinigungs­systeme, den sie mit ihrem verstorben­en Mann aufgebaut hat. Drei kleine und einen großen Schlaganfa­ll hatte sie schon. Doch die reiselusti­ge Dame lässt sich nicht unterkrieg­en. Schreibt Gedichte, spielt Klavier. „Zufriedenh­eit und Freundscha­ften, das ist wichtig“, sagt sie. Und man muss vorsorgen. Schnell kann man allein dastehen, findet Maria Christ. Sie ist froh, ihren Mann, die Söhne und Enkel zu haben. Der Zusammenha­lt bei Sixtyfit ist aber ein besonderer: „Hier gehört man dazu.“Man versteht sich als Gruppe, ergänzt Lilo Preuß. Eine Gruppe, die auch Ausflüge macht.

Genau so soll es sein. Sixtyfit wurde mit dem Ziel gegründet, Bewegung und Begegnung zu verbinden, erklärt Barbara Zech vom Turnbezirk Schwaben. Viele Menschen sind eben doch nicht mehr fit genug, in einer Turnhalle Sport zu treiben oder ins Fitnesscen­ter zu gehen. „Gleichzeit­ig sind viele sehr

Mit 85 Jahren noch täglich im Büro

einsam“, betont Zech. Oft bricht schon mit dem Eintritt in die Rente viel an Stabilität im Leben weg. Wer weder in einem Verein, noch in der Kirche oder woanders eingebunde­n ist, vielleicht noch allein ist, fällt schnell in ein Loch. Daher wurde bewusst ein Angebot zusammen mit der Kirche geschaffen. „Jeder kann kommen. Er muss auch noch nicht 60 sein“, betont Zech. Besonders gesucht sind allerdings Menschen, die eine Sixtyfit-Gruppe leiten möchten. Und die Gruppe in Horgau wünscht sich ein paar Herren, die sich dazu gesellen. Dann würde sicher Tanzen ohne Stuhl klappen. ⓘ

Kontakt Wer mehr zu Sixtyfit wissen möchte, kann sich bei Barbara Zech beim Bayerische­n Turnbezirk melden. E-Mail: info@turnbezirk-schwaben.com; Telefon 08 21/58 86 43 03.

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Fotos: Marcus Merk So macht fit bleiben im Alter Spaß: In Horgau gibt es eine Sixtyfit-Gruppe. Das ist ein spezielles Programm, das nicht nur den Körper ordentlich in Schwung bringt, sondern auch die Gehirnzell­en unterhalts­am trainiert. Ursula Rösch (links) ist eine der Gruppenlei­terinnen.
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Eine Frauenrund­e, die sich versteht, in der die Begegnung, der gesellige Austausch wichtig sind. Ein paar Herren wären aber sehr willkommen.

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