Zu Besuch bei Stalagmit Rüdiger
Die Grotta Gigante bei Triest
Viel Werbung gibt es nicht für eine der größten Höhlen der Welt. In den Bergen, rund 20 Minuten von Triest entfernt, nahe des Ortes Sgonico, verrät ein kleines Straßenschild, wohin man laufen muss, wenn man die Grotta Gigante besichtigen will. Der Busfahrer brummt nur ein „Sì“auf die Frage, ob man an der verlassenen Straße aussteigen müsse. Und von der Höhle ist auch nichts zu sehen. Sie liegt ja unter der Erde.
Der Eingang zur Grotte sieht nach Museum aus, und tatsächlich folgt nach der Kasse ein zweistöckiger Raum, in dem die Geschichte der Grotte erklärt wird. Elf Grad habe es in der Grotte, warnt ein Schild. Bald öffnet sich die Automatiktür, und die Besucher passieren ein Drehkreuz, das sie zum Höhleneingang führt. „Keine Fotos während des Abstiegs machen“, mahnt Führerin Federica Papi. Nicht weil Fotografieren verboten wäre, sondern weil es zu gefährlich ist. Die Treppen sind steil. Wer den Blick aufs Kameradisplay richtet, kann ausrutschen. Die Gruppe hört auf Papi. Ohnehin sind alle merkwürdig still beim Eintritt in die Höhle, in der es ein wenig wie in Omas Kartoffelkeller riecht. Selbst die quirlige italienische Schulklasse verstummt, als hätte sie das Tor zu einer fremden Welt durchschritten, von der nicht ganz klar ist, wie man sich in ihr verhalten darf. Lichter erhellen die Treppenstufen und die Wände, deren verwachsene Oberfläche an Hunderte Schichten Kerzenwachs erinnert. Das Ausmaß der Höhle ist auf den ersten paar Metern schwer auszumachen, es geht vor allem nach unten, und die Grotte ist sehr verwinkelt.
Die Kraft des Wassers
„Das hier ist einfach das Werk der Natur“, ruft Papi begeistert. Immer wieder legt die 40-jährige Italienerin Pausen ein, um den Besuchern die Höhle zu erklären, die vor zehn Millionen Jahren aus zwei übereinander gelagerten Flussstollen entstanden ist. Dieses Wasser ist vor fünf Millionen Jahren aus der Grotte verschwunden. Hereinsickerndes Regenwasser veränderte schließlich über die Zeit das Innere.
Der größte Stalagmit ist zwölf Meter hoch und nennt sich Ruggero – deutsch: Rüdiger. Auch wenn man ihn minutenlang betrachtet, ist schwer vorstellbar, dass er ein Produkt der Natur sein soll. Andererseits hatte diese 150000 Jahre Zeit, ihn zu formen.
Die Zeit scheint in der Grotte stillzustehen. Seit Millionen Jahren herrscht die gleiche Temperatur, es gibt nie Wind und nie Regen. Von Menschenhand stammen nur die Beleuchtung, die Treppe, die Mülleimer. Und die Technik. Forscher erkunden die Höhle immer noch, etwa die Lösungsprozesse des Regenwassers. „In der Wissenschaft hast du immer noch Fragen, wenn du etwas rausgefunden hast“, sagt Papi.
Öffnungszeiten
Die Grotte ist ganzjährig geöffnet.