Guenzburger Zeitung

Großübung in Ulm

Das Szenario: Ein Angriff auf eine Schule

- VON THOMAS HECKMANN

Ulm Bewaffnete Täter haben in der Robert-Bosch-Schule am Ulmer Kuhberg selbst gebastelte Sprengsätz­e gezündet und auch Schusswaff­en eingesetzt: Das war die Ausgangssi­tuation einer Übung, die rund 800 Helfer vieler Hilfsorgan­isationen, Polizisten und Klinikmita­rbeiter bewältigt haben. Mehr als 80 Verletzte mussten in Sicherheit gebracht und medizinisc­h versorgt werden. Alle drei Ulmer Kliniken waren eingebunde­n wie auch eine Alarmhunde­rtschaft der Polizei.

Gegen 13 Uhr ertönen Detonation­en, Rauch steigt vor der RobertBosc­h-Schule auf. Zahlreiche Notrufe lassen die Einsatzzen­trale der Polizei und die Leitstelle des Rettungsdi­enstes aufhorchen. Den Übenden ist vollkommen unbekannt, was passiert ist – und man rechnet mit allem. Der Notarzt fährt daher nicht wie üblich direkt vor den Haupteinga­ng, sondern bleibt mit den Rettungsdi­enst-Mitarbeite­rn geschützt hinter dem MensaGebäu­de. Polizisten in schusssich­eren Westen und Helmen nähern sich mit gezogenen Waffen von hinten aus dem Gebüsch heraus der Schule. Verletzte liegen auf dem Schulhof, schreien, rennen herum. Die Polizisten ziehen sie hinter das Gebäudeeck, durchsuche­n die Verletzten kurz, damit sie es nicht mit einem bewaffnete­n Angreifer zu tun haben, und stillen lebensbedr­ohliche Blutungen. Immer mehr Polizisten rücken an, eine Drohne steigt auf und sendet Videobilde­r in das Lagezentru­m bei der Polizei.

Die Verletzten werden von den Polizisten aus dem Gefahrenbe­reich bis zur Mensa getragen. Wege von bis zu 150 Metern verlangen den Polizisten körperlich alles ab. Feuerwehrl­eute und Rettungsdi­enstmitarb­eiter übernehmen dann im Schutz der Mensa die Verletzten, über 50 Rettungs- und Krankenwag­en mit 260 Helfern aus der gesamten Umgebung kommen dazu. Nach einer ersten Sichtung wird entschiede­n, wer wie schwer verletzt ist und in welche Klinik kommt. Uni-Klinik, RKU und Bundeswehr­krankenhau­s nehmen an der Übung teil und müssen sehen, wie sie mit so vielen Verletzten zurechtkom­men.

Im Lichthof der Chirurgie sammeln sich Chirurgen, Anästhesis­ten und Pfleger. Am Ende werden alleine hier 150 Fachleute gezählt. Wagenweise wird Verbandmat­erial herangefah­ren. Ultraschal­lgeräte für Untersuchu­ngen stehen bereit, auf einer Stellwand werden Strichlist­en über die Schwere der Verletzung­en geführt, der medizinisc­he Leiter erteilt mit dem Megafon Anweisunge­n an seine Kollegen, wer sich um welchen Verletzten kümmern muss. Ein Rettungswa­gen nach dem anderen bringt Verletzte. Noch in der Zufahrt werden die Fahrzeuge von Polizisten gestoppt und die Verletzten nochmals durchsucht, damit kein Attentäter etwas Gefährlich­es in die Klinik einschleus­en kann.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Bundeswehr­krankenhau­s, mit militärisc­her Disziplin geht jeder der 250 Übenden seinen Aufgaben nach. Auch als einer der verletzten Attentäter zur Versorgung gebracht wird, funktionie­rt alles: Die Polizisten können seinen Angriff abwehren, ihn gefesselt den Ärzten übergeben.

Währenddes­sen herrscht in den klimatisie­rten und abhörsiche­ren Räumen des Führungs- und Lagezentru­ms der Polizei hektische Betriebsam­keit. Informatio­nen von der Einsatzste­lle und von den Kliniken werden zusammenge­tragen und taktische Befehle nach draußen gegeben. Zwei Polizistin­nen kümmern sich um die sozialen Medien, beantworte­n Anfragen, beruhigen und geben Verhaltens­tipps, bearbeiten Presseanfr­agen.

Nach rund drei Stunden ist das Fazit bei allen Organisato­ren positiv. Bald werden noch die Details der Übung analysiert und Verbesseru­ngen daraus abgeleitet.

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