Wie es um die Weiterbildung steht
Der Deutsche Weiterbildungsatlas liefert auch Erkenntnisse für die Region. Wo die Forscher noch Potenzial sehen
Der Deutsche Weiterbildungsatlas liefert auch Ergebnisse und Erkenntnisse, die für den Landkreis Günzburg gelten.
Günzburg Es gibt vermutlich keine Schulabschlussfeier, in der nicht vom „lebenslangen Lernen“die Rede ist: Denn Quali, Abi und Co. sind zwar wichtige Meilensteine auf dem eigenen Bildungsweg, aber eben noch lange nicht das Ziel. Wer weiterkommen will, muss sich weiterbilden – so ist es in vielen Berufen die Regel. Wie intensiv sich die Deutschen weiterbilden, hat jüngst das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ausgewertet – im sogenannten Deutschen Weiterbildungsatlas 2018. Betrachtet man darin die einzelnen Regionen und Landkreise, so kommt man auf stark unterschiedliche Ergebnisse.
In Bayern nahmen demzufolge im Jahr 2015 (aktuellere Zahlen sind nicht vorhanden) überdurchschnittlich viele Menschen an Weiterbildungen teil. Jeder achte Bürger über 25 Jahren (12,7 Prozent) bildete sich mindestens einmal jährlich allgemein oder beruflich weiter. Bayern liegt den Studienautoren zufolge damit über dem Bundesdurchschnitt (12,2 Prozent) und auch über der eigenen Teilnahmequote aus dem Vorjahr (2014: 12,5 Prozent). Nur die Sachsen, Hessen, RheinlandPfälzer und Baden-Württemberger bilden sich stärker fort.
Doch auch innerhalb der Bundesländer sind die Unterschiede gravierend. Während sich etwa im Kreis Landsberg am Lech mehr als 20 Prozent der Einwohner fortbildeten, sind es in Lindau oder Kaufbeuren weniger als fünf Prozent. Der Kreis Günzburg liegt etwa in der Mitte, jedoch unter dem bayerischen und deutschen Durchschnitt: Knapp 9,3 Prozent der Landkreisbürger hatten eine Weiterbildung absolviert (Mittelwert der Jahre 2014/15). „Die Daten weisen dabei auf einen negativen Trend hin – die Quote lag im Untersuchungszeit- raum 2012/2013 bei 9,4 Prozent“, erläutert Projektmanagerin Lena Wittenbrink von der BertelsmannStiftung.
Die untersuchten Regionen haben unterschiedlichste Voraussetzungen: Es gibt einkommensschwache Gegenden, wirtschaftsstarke Gemeinden mit einer hoch qualifizierten Bevölkerung oder Landstriche, in denen kaum Erwerbstätige leben. Das wirkt sich auch auf die Teilnahme an Weiterbildungen aus. Die entscheidende Frage, die im Weiterbildungsatlas gestellt wird, ist jedoch, wie gut Kommunen ihre Voraussetzungen nutzen. Gelingt es ihnen, auch bei ungünstigen Bedingungen viele Menschen für Weiterbildung zu aktivieren? Oder liegen sie trotz guter struktureller Voraus- setzungen unter ihren Möglichkeiten? Eine Antwort auf diese Fragen gibt die sogenannte „Potenzialausschöpfung“.
Für jedes Land und jede Kommune lässt sich berechnen, wie viele Menschen sich dort theoretisch weiterbilden sollten. Einfluss auf diese Zahl haben beispielsweise das Alter, der Bildungsstand oder das Einkommen der Bevölkerung, aber auch Komponenten wie die Einwohnerdichte oder die Verkehrsanbindung. Die errechnete Potenzialausschöpfung zeigt an, um wie viel Prozent die tatsächliche Beteiligung von der zu erwartenden Beteiligung abweicht. Der Erwartungswert entspricht dabei 100 Prozent. Die tatsächliche Beteiligung im Kreis Günzburg lag in den Jahren 2014/15 bei 86,5 Prozent. Der Kreis nutzt seine strukturellen Voraussetzungen für Weiterbildung nicht voll aus, heißt es in der Studie. In den Jahren 2012 und 2013 hat das noch anders ausgesehen: Damals lag der Wert noch bei 108,4 Prozent.
Die Forscher gehen davon aus, dass verschiedene Erfolgsfaktoren wie die Anzahl der Angebote, die Bedienung möglichst vieler Zielgruppen (Wittenbrink nennt als Beispiel Alleinerziehende) und die Erreichbarkeit der Veranstaltungsorte etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung haben. Und so widmet sich der Weiterbildungsatlas auch dem konkreten Angebot im Kreis Günzburg.
Darin zeigt sich laut Wittenbrink zum Beispiel, „dass das öffentliche Vhs-Angebot im Landkreis 2014/2015 unterdurchschnittlich ausgeprägt war. Interessanter ist hier allerdings der negative Trend.“Pro 1000 Einwohner wurden in diesen beiden Jahren im Landkreis 5,21 Kurse von den beiden Volkshochschulen in Günzburg und Krumbach angeboten (Mittelwert 2014/15). Der bayerische Durchschnitt in dieser Kategorie liegt bei zehn Kursen, der deutsche bei knapp sieben Kursen pro 1000 Einwohnern. 2012/13 lag die Zahl im Kreis Günzburg noch bei 5,37 Kursen auf 1000 Einwohner gerechnet.
Nicht nur das Vhs-Angebot ist im Trend zurückgegangen, auch das privatwirtschaftliche Angebot verzeichnet zwischen den Jahren 2012 und 2014 einen leichten Rückgang. Die Zahl für 2015 lag noch nicht vor. Das „gemeinschaftliche“Weiterbildungsangebot – beispielsweise von gewerkschaftlichen und konfessionellen Trägern wie der Katholischen Erwachsenenbildung – ist in der Region zahlenmäßig gering mit 0,008 Angeboten pro 1000 Einwohner, was damit sowohl unter dem bayerischen als auch dem deutschen Durchschnitt liegt.
Hingegen ist das „schon überdurchschnittliche betriebliche Angebot im Landkreis Günzburg seit dem letzten Erhebungszeitraum gestiegen“, erklärt Projektmanagerin Wittenbrink. So gab es 2013/14 insgesamt knapp 48,5 Angebote von Unternehmen pro 1000 Einwohner im Kreis Günzburg – wozu interne und externe Weiterbildungen ebenso zählen wie Tagungen.
Der Weiterbildungsatlas zeige erst einmal die Situation in ganz Deutschland auf und liefere eine Grundlage für erste Erkenntnisse. „Die genauen Ursachen“, sagt Lena Wittenbrink, „gilt es vor Ort zu analysieren und dabei zu prüfen, wie durch konkrete Maßnahmen die Weiterbildungsbeteiligung gesteigert werden kann.“»Kommentar