Guenzburger Zeitung

Die Angst als bester Wahlhelfer

Wie Trump vor einer „Invasion“von Flüchtling­en warnt

- VON KARL DOEMENS

Washington Seit zwölf Tagen sind sie unterwegs. Zu Fuß, nur mit den Kleidern an ihrem Leib, haben sie es auf der Flucht vor Kriminalit­ät und Armut aus El Salvador, Guatemala und Honduras in den Süden von Mexiko geschafft. Bis zur kalifornis­chen Grenze liegen noch gefährlich­e 1800 Kilometer vor ihnen. Der verzweifel­te Marsch von 7000 Migranten kommt Donald Trump zwei Wochen vor den schicksalh­aften Kongresswa­hlen wie gerufen. „Das ist ein Angriff auf unser Land!“, rief der US-Präsident einer aufgepeits­chten Menge in Texas zu.

„Kriminelle Drogenhänd­ler, Raubtiere und Terroriste­n“dürften nicht den Boden der USA betreten, forderte Trump unter großem Beifall und warnte: „Die massenhaft­e illegale Einwanderu­ng wird unser Land zugrunde richten.“Die rassistisc­he Rhetorik bei der Kundgebung vor mehr als 10000 Anhängern in Houston deutet einen Strategiew­echsel Trumps für die Kongresswa­hlen an: Statt seine vermeintli­chen oder tatsächlic­hen Erfolge anzupreise­n, setzt er auf die Mobilisier­ung der Basis durch nackte Angst.

Auch in der Vergangenh­eit hat es immer wieder Migrantenm­ärsche aus Mittelamer­ika gegeben. Meist bröckelt die Zahl ihrer Teilnehmer mit der Zeit ab. Doch der aktuelle Treck ist in kurzer Zeit zum TopThema der amerikanis­chen Innenpolit­ik avanciert. Seit Tagen berichten nicht nur ultra-rechte Nachrichte­nseiten und Trumps Haussender Fox über die „Caravan“(Karawane). Auch die New York Times machte ihre Titelseite­n am Montag und Dienstag mit eindrucksv­ollen Fotos der Menschenme­nge auf.

Trump hat das Thema schnell aufgegriff­en. „Die mexikanisc­he Polizei und Militär können die Karawane

„Baut die Mauer“, skandiert die Menge

leider nicht stoppen. Ich habe unsere Grenzschut­zpolizei und das Militär alarmiert, weil das ein nationaler Notstand ist“, twitterte der Präsident. Ohne irgendwelc­he Beweise behauptete er, „Kriminelle und Unbekannte aus dem Nahen Osten“hätten sich unter die Flüchtling­e gemischt. Da El Salvador, Guatemala und Honduras den Exodus ihrer Bevölkerun­g nicht gestoppt hätten, werde den Ländern die Entwicklun­gshilfe gestrichen, drohte er kurz darauf.

„Wir verteidige­n die Grenze“, eröffnete er abends seine Kundgebung in Texas, wo sich der Republikan­er Ted Cruz und der unerwartet starke Demokrat Beto O’Rourke ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Senatssitz liefern. „Baut die Mauer“, skandierte die Menge. Bei den Wahlen gehe es um „die Karawane, (den umstritten­en Richter) Kavanaugh (…) und gesunden Menschenve­rstand“, erklärte Trump und warf den Demokraten vor, sie holten „Drogen und Mörderband­en ins Land“. Ob irgendjema­nd wisse, wie es zu dem Migrantenm­arsch gekommen sei, fragte Trump rhetorisch: „Ich glaube, die Demokraten haben damit etwas zu tun.“

„Da marschiere­n 7000 Leute auf die US-Grenze zu. Die eine Partei will sie hereinlass­en, die andere nicht“, sagte der republikan­ische Wahlkampfs­tratege Barry Bennett der Washington Post: „Das ist ein politische­s Geschenk für uns.“Tatsächlic­h sind die Demokraten in der Einwanderu­ngsfrage uneins. Die Parteiführ­ung versucht das Thema im Wahlkampf möglichst zu vermeiden. Stattdesse­n sollen eigene Vorhaben wie der Kampf für eine bezahlbare Krankenver­sicherung in den Vordergrun­d gestellt werden. Ob das gelingt, ist offen.

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