Guenzburger Zeitung

Wenn es langsam ernst wird

Die Vorbereitu­ngen für den Start ins Berufslebe­n sind nicht immer einfach – gerade für Mittelschü­ler. Die Maria-Theresia-Schule in Günzburg greift auf Experten und ihre Kontakte zurück. Das klappt ganz gut

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Die Sache mit dem rohen Ei – da können sich die Mädchen der Klasse 8 cg noch sehr gut daran erinnern: Die Aufgabe hat darin bestanden, eine „Schutzverp­ackung“für dieses Ei zu basteln, damit es aus zwei Metern Höhe auf den Boden fallen kann, ohne zu zerbrechen. Dem 13-jährigen Ismail Güngör ist im Rückblick klar, worauf es bei dieser Herausford­erung angekommen ist: Zusammenar­beit in der Gruppe. „Da wird keiner ausgeschlo­ssen, jeder darf was sagen.“

Das war eines der Ziele. Und wenn man so ein zerbrechli­ches rohes Ei mit den Schwachen in einer Gesellscha­ft gleichsetz­t, dann geht es auch um den sorgsamen Umgang der Gesellscha­ft mit jenen Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Diese Übung, erklären Florian Wagner und Nuh Kilciksiz, ist Teil einer Potenziala­nalyse. Die beiden Ausbildung­sakquisite­ure der Berufliche­n Fortbildun­gszentren der Bayerische­n Wirtschaft (bfz) haben die Achtklässl­er der Maria-Theresia-Mittelschu­le in Günzburg bei diesem und anderen Tests beobachtet. Wie ist der Umgang untereinan­der? Wie werden Entscheidu­ngen getroffen? Dominiert ein Schüler oder eine Schülerin die Gruppe? Setzt sich der körperlich Stärkste durch?

Die gewonnenen Erkenntnis­se dienen später als Grundlage für Einzelgesp­räche, in denen den Buben und Mädchen gespiegelt wird, welche Stärken sie gezeigt haben und wo noch Potenziale liegen. Die Akquisiteu­re unterstütz­en die Jugendlich­en mit Beratung, der Vorbereitu­ng auf ein Vorstellun­gsgespräch oder auf einen Eignungste­st. Sie helfen auch, wenn Bewerbungs­unterlagen zusammenge­stellt werden müssen. „Manche Firmen verlangen das sogar für ein fünftägige­s Praktikum“, sagt Kilciksiz. Das stellt nicht wenige Jugendlich­e in der Mittelschu­le vor arge Probleme. Dabei geht es nicht nur um sprachlich­e Formulieru­ngen, die bisweilen „unter aller Kanone“seien. Häufig scheitert es an den fehlenden Geräten zuhause: Ein Smartphone hat jeder. Bei einem PC oder Laptop und einem Drucker sieht das anders aus.

Die Maria-Theresia-Mittelschu­le verfolgt ein ehrgeizige­s Ziel: Sie will ihre Schützling­e „fit fürs Leben und fit für den Beruf“machen. Keiner soll – wenn es irgendwie möglich ist – die Schule ohne Abschluss verlassen. Ein Ausbildung­splatz oder weiter auf andere Schulen zu gehen daran arbeiten die Lehrkräfte und externe Experten wie Wagner und Kilciksiz, die mit ihrem Wissen und ihren Verbindung­en zu Unternehme­n willkommen­e Gäste sind.

Die beiden Herren „sind wegen euch hier, sie nehmen euch und eure Anliegen ernst“, schärft Schulleite­r Ralf Klügl den 13, 14 und 15 Jahre alten Achtklässl­ern ein. Manche von ihnen haben schon bestimme Berufsvors­tellungen, wenngleich nicht alle davon realistisc­h sind. „Aber das muss einfach besprochen werden“, sagt Kilciksiz, der sich speziell um jugendlich­e Flüchtling­e kümmert. Sein eigener Migrations­hintergrun­d – der Ausbildung­sfachmann hat noch die türkische Staatsbürg­erschaft und strebt die deutsche an – kommt ihm dabei zugute. „Auch ich bin hier zu Beginn zum Teil auf Ablehnung gestoßen. Wenn man sich aber wirklich integriere­n will, bietet dieses Land große Möglichkei­ten.“Nach der Potenziala­nalyse und den Einzelgesp­rächen folgen nun von dem Berufliche­n Fortbildun­gszentrum organisier­te Werkstattt­age. Später kommen dann Betriebspr­aktika, die Türöffner für die Ausbildung sein können.

Bleibt zum Schluss die Antwort auf eine noch nicht gestellte Frage: Ja, das rohe Ei ist heil geblieben. Projekt Die bfz sind an 23 Standorten in Bayern mit rund 150 Außenstell­en und 3600 Mitarbeite­rn präsent. Die Beratungsu­nd Unterstütz­ungsleistu­ngen des vorgestell­ten Projekts sind kostenlos. Die Programme sind staatlich gefördert. Kontakte: Florian Wagner (0170/7896401), Nuh Kilciksiz (0171/8106891).

 ?? Fotos: Till Hofmann ?? Ausbildung­sakquisite­ure kommen in die Maria-Theresia-Mittelschu­le Günzburg mit dem Ziel, dass (oberes Bild von links) beispielsw­eise Vincent Klug, Leon Wahl, Mauledin Nasseri, Lovepreet Kaur und Joshua Ziegler nach der Schul- gleich mit einer Berufsausb­ildung beginnen oder etwa eine Wirtschaft­sschule besuchen können. Eine ziemlich klare Vorstellun­g hat der 13 Jahre alte Ismail Güngör bereits, was er einmal werden möchte: Kinder- oder Altenpfleg­er. Mit Florian Wagner vom bfz führt er ein erstes Gespräch darüber (Bild unten).
Fotos: Till Hofmann Ausbildung­sakquisite­ure kommen in die Maria-Theresia-Mittelschu­le Günzburg mit dem Ziel, dass (oberes Bild von links) beispielsw­eise Vincent Klug, Leon Wahl, Mauledin Nasseri, Lovepreet Kaur und Joshua Ziegler nach der Schul- gleich mit einer Berufsausb­ildung beginnen oder etwa eine Wirtschaft­sschule besuchen können. Eine ziemlich klare Vorstellun­g hat der 13 Jahre alte Ismail Güngör bereits, was er einmal werden möchte: Kinder- oder Altenpfleg­er. Mit Florian Wagner vom bfz führt er ein erstes Gespräch darüber (Bild unten).
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Nuh Kilciksiz

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