Guenzburger Zeitung

„Die Große Koalition ist besser als ihr Ruf“

Interview Über die Zukunft von Parteichef Horst Seehofer spekuliert Alexander Dobrindt nicht. Viel lieber redet der Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe über die Radikalen in der AfD, den Lauf der Grünen – und das Ende des Solis

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Herr Dobrindt. In Hessen deutet sich für die CDU ein ähnliches Debakel an wie für die CSU in Bayern. Was passiert dann am Montag in Berlin – fliegt die Große Koalition auseinande­r? Dobrindt: Wir wünschen der CDU und Volker Bouffier viel Erfolg. Ein positives Abschneide­n ist wichtig für die gesamte Union. Die Wahl wird natürlich mit besonderer Sensibilit­ät auch in Berlin beobachtet – gerade auch, was das Abschneide­n der SPD angeht. Darüber hinaus werde ich vor der Wahl nicht spekuliere­n, was nach der Wahl sein könnte.

Das heißt, es kann auch schnell zu Ende gehen mit der GroKo? Dobrindt: Die Große Koalition ist besser als ihr Ruf – und wir haben Verantwort­ung für vier Jahre übernommen. Die SPD hat sich damals schwergeta­n, diese Verantwort­ung zu tragen, und ein Teil der Partei hat damit noch immer große Schwierigk­eiten. Dabei hat die Koalition in den ersten sechs Monaten deutlich mehr erreicht als viele Koalitione­n zuvor: Rekordinve­stitionen, Rekordentl­astungen, Baukinderg­eld, Mütterrent­e, Kindergeld­erhöhung, Senkung des Arbeitslos­enbeitrags, Brückentei­lzeit und vieles mehr. Diese Erfolge müssen wir allerdings auch selbstbewu­sst verkaufen. Inhaltlich ist dieser Koalitions­vertrag besser als der letzte. In der Kommunikat­ion dessen, was wir leisten, müssen wir allerdings besser werden.

In der SPD sind die Fliehkräft­e gewaltig. Wie wollen Sie die Koalition denn zusammenha­lten?

Dobrindt: Ich erkenne natürlich die schwierige Lage, in der die SPD mit einem Wahlergebn­is von unter zehn Prozent in Bayern und Umfragewer­ten von weniger als 15 Prozent im Bund steckt. Das kann nicht der Anspruch der SPD sein. Dass es da innerparte­iliche Debatten gibt, ist nicht überrasche­nd. Die Kritiker einer Regierungs­beteiligun­g, allen voran Parteivize Ralf Stegner, sollten nur eines nicht vergessen: Die SPD hat Verantwort­ung für unser Land übernommen. Flucht aus der Verantwort­ung hat noch nie gegen mangelnde Zustimmung geholfen. Statt jeden Tag die Koalition infrage zu stellen, sollte Herr Stegner lieber die Erfolge der Koalition vertreten.

Wie soll eine Koalition zusammenha­lten, wenn alle drei Parteivors­itzenden angezählt sind: Angela Merkel, Horst Seehofer, Andrea Nahles?

Dobrindt: Regierungs­parteien müssen auch in schwierige­n Phasen Handlungsf­ähigkeit zeigen. Es ist unsere Aufgabe, in einer Zeit der weltweiten Unsicherhe­it, der Umwälzunge­n durch Globalisie­rung und Digitalisi­erung den Menschen Vertrauen, Verlässlic­hkeit und Orientieru­ng zu geben.

Müsste die Kanzlerin hier nicht viel entschiede­ner vorangehen?

Dobrindt: Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dazu gehört neben den großen Zukunftsth­emen auch die Entlastung der Menschen in unserem Land. Hier haben wir in den vergangene­n Wochen bereits viel erreicht, etwa durch die Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Das müssen wir fortsetzen und die neuen finanziell­en Spielräume nutzen, um den Menschen etwas zurückzuge­ben. Ganz oben steht dabei für mich die komplette Abschaffun­g des Solis.

Wenn Sie von Vertrauen sprechen: Hat die CSU noch Vertrauen in Seehofer – und kann er Innenminis­ter bleiben, falls er den Parteivors­itz abgibt? Dobrindt: Wir haben uns auf einen klaren Zeitplan verständig­t: Zuerst bilden wir für Bayern eine stabile Regierung. Das ist unsere Verantwort­ung aus der Wahl. Anschließe­nd nehmen wir eine intensive Analyse des Wahlergebn­isses vor. Dabei werden inhaltlich­e wie personelle Fragen diskutiert.

Als sie Edmund Stoiber gestürzt hat und später auch Günther Beckstein und Erwin Huber, war die CSU nicht so geduldig.

Dobrindt: Wenn man vor einer Wahl von Stabilität redet, sollte man nach einer Wahl nicht selber Faktor für Instabilit­ät sein. Wir haben uns deshalb einen klaren Fahrplan gegeben und daran sollten wir uns halten.

Was lernt die CSU aus dem Wahlergebn­is? Muss sie grüner werden? Dobrindt: Wir müssen wieder stärker die gesamte Breite der Volksparte­i darstellen. Dazu gehört, dass wir unseren Gestaltung­sanspruch für Bayern, Deutschlan­d und Europa klar formuliere­n und ihn immer wieder inhaltlich begründen – zum Beispiel, indem wir uns wieder intensiver mit den ökologisch­en Themen auseinande­rsetzen oder die ethischen Fragestell­ungen im Zusammenha­ng mit dem medizinisc­hen Fortschrit­t und der Digitalisi­erung aufgreifen. Zur Breite einer Volksparte­i gehört aber auch, dass wir die Vielfalt an Positionen in den Unionspart­eien wieder mehr als Stärke begreifen und sie gemeinsam weiterentw­ickeln, anstatt zu versuchen, sie einzuschrä­nken.

Sind die Grünen womöglich die neue Volksparte­i? Auch in Hessen legen sie gerade stark zu.

Dobrindt: Die Grünen sind keine Volksparte­i und wollen es auch nicht sein – dazu fehlt ihnen schon die thematisch­e Breite. Gute Umfragewer­te der Grünen sind ja auch in der Schwäche anderer Parteien begründet. Noch ist es offen, ob der aktuelle Lauf der Grünen von Dauer ist. Die letzten beiden Bundestags­wahlen haben die Grünen mit historisch schlechten Wahlergebn­issen abgeschlos­sen. Und wenn Herr Habeck in seinem Buch schreibt, dass er Vaterlands­liebe zum Kotzen finde und mit dem Begriff Deutschlan­d bis heute nichts anfangen könne – dann kann man sich schon fragen, ob das die richtige Grundhaltu­ng für eine Partei ist, die angeblich in die politische Mitte strebt.

In jedem Fall haben sich die Gewichte stark verschoben, nicht nur durch das Erstarken der AfD. Werden Sie es noch erleben, dass die CSU die absolute Mehrheit in Bayern zurückerob­ert? Dobrindt: Dazu müsste ich erst einmal wissen, wie viele Jahre Sie mir noch geben (lacht). Im Ernst: Wir hatten schon 2008 ein schwierige­s Wahlergebn­is und haben durch konsequent­e, gute inhaltlich­e Sacharbeit fünf Jahre später wieder einen großen Wahlerfolg mit einer absoluten Mehrheit errungen. Wir sind nach wie vor in der Lage, große Mehrheiten an uns zu binden. Auch heute hat das bürgerlich­e Lager mit der CSU, der FDP und den Freien Wählern ja eine klare Mehrheit der Bayern hinter sich – nur eben in drei Parteien. Unsere Aufgabe ist es, dieses Wählerspek­trum wieder stärker bei der CSU zu binden.

Die AfD zählen Sie nicht zum bürgerlich­en Lager? In einer Talkshow klang das gerade noch ganz anders bei Ihnen. Dobrindt: Einspruch. Die AfD ist eine Rechtsauße­npartei, die sich mit radikalen Kräften wie Hooligans und Rechtsradi­kalen gemeingema­cht hat. Sie ist unser erklärter Gegner. Ich gehöre zu denen, die die AfD mit am härtesten bekämpfen. Das betrifft die Partei und die Funktionär­e. Aber wir beschimpfe­n nicht die Wähler. Wähler, die in der Vergangenh­eit SPD oder bürgerlich­e Parteien gewählt haben, wollen wir zurückhole­n, ihnen bei uns wieder eine Heimat geben. Schon deshalb rate ich zu einer harten Auseinande­rsetzung mit der AfD. Als besonders dreiste Provokatio­n habe ich es empfunden, dass AfDler in Chemnitz mit der weißen Rose im Revers aufgetrete­n sind – dem Zeichen des Widerstand­es gegen den Nazi-Terror. Ich habe an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t studiert und bin praktisch täglich an der Gedenktafe­l für die Geschwiste­r Scholl vorbeigeko­mmen. Dass sich die AfD der Weißen Rose bedient, ist widerlich.

Aufgezeich­net von Rudi Wais

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Will nicht über das Ende der GroKo spekuliere­n: CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt.
Foto: Ulrich Wagner Will nicht über das Ende der GroKo spekuliere­n: CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt.

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