Guenzburger Zeitung

Wählt Brasilien den Regenwald ab?

Hintergrun­d Die grüne Lunge der Welt ist in Gefahr. Wenn Rechtspopu­list Jair Bolsonaro die Stichwahl gewinnt, dürfte die Agrarlobby noch viel mehr Einfluss bekommen. Mit womöglich katastroph­alen Folgen

- VON TOBIAS KÄUFER

Brasilia Schon jetzt ist der Amazonas-Regenwald ein riesiger Flickentep­pich, durchzogen von den gerodeten Flächen illegaler Holzfäller und Bergwerken, angenagt von den gierigen Zähnen der flächenfre­ssenden Agrar-Industrie. Luiz Antonio Nabhan Garcia sieht das anders. Der Agrar-Unternehme­r und potenziell­e Kandidat für das Amt des Landwirtsc­haftsminis­ters unter einem möglichen neuen Präsidente­n Jair Bolsonaro in Brasilien erkennt „noch Raum für eine legale Abholzung“, wie er jüngst der Tageszeitu­ng Folha verriet. Was Nabhan Garcia im Wahlkampf von sich gab, ist für Umweltschü­tzer nichts anderes als eine Kriegserkl­ärung an die grüne Lunge der Welt.

Es geht um das Überleben eines der wohl wichtigste­n Ökosysteme der Welt und damit auch um den Schutz des globalen Klimas. Der Amazonas bietet neben Holz vor al- lem eines: Fläche. Und an der sind die großen Agrar-Unternehme­r in Brasilien interessie­rt. Sie fahren mit ihren riesigen Fabriken MillionenG­ewinne ein, schaffen aber kaum Arbeitsplä­tze. Die industriel­le Landwirtsc­haft ist nur wenig personalin­tensiv, hat aber einen riesigen Platzbedar­f: Computerge­steuerte Erntemasch­inen oder Drohnen, die im Tiefflug über die riesigen Felder fliegen und Dünger abwerfen. Menschen werden kaum noch gebraucht. Der riesige wirtschaft­liche Erfolg liegt unter anderem an dem gesteigert­en Interesse an der SojaBohne, nicht nur in China.

Am Sonntag geht Jair Bolsonaro in die Stichwahl um das Präsidente­namt. Der Rechtspopu­list geht nach den jüngsten Umfragen als klarer Favorit in das Rennen gegen den Linkspolit­iker Fernando Haddad von der Arbeiterpa­rtei PT. Der in der Vergangenh­eit mit homophoben, frauenfein­dlichen und rassistisc­hen Sprüchen aufgefalle­ne Bolso- naro kann sich auf die Unterstütz­ung der mächtigen Agrarlobby im Wahlkampf, aber auch im Parlament verlassen. Im Gegenzug erwartet die Industrie ein Entgegenko­mmen des künftigen Präsidente­n. Und das bedeutet eine Ausdehnung von Anbaufläch­en auf Kosten des Regenwalde­s und der dort lebenden indigenen Völker.

„Die Agrarlobby, die sich für die Interessen der Großgrundb­esitzer und der industriel­len Landwirtsc­haft einsetzt, gewinnt zusehends an Einfluss“, beklagt Yvonne Bangert von der Gesellscha­ft für bedrohte Völker. „Leidtragen­de sind vor allem die indigenen Gemeinscha­ften, deren Rückzugsge­biete für die wirtschaft­liche Nutzung geöffnet werden sollen.“Unter einem Präsidente­n Bolsonaro, der diese Lobby unterstütz­t, werde sich dieser Prozess deutlich beschleuni­gen.

Schon in den vergangene­n Jahren gab es unter den Präsidente­n Lula, Rousseff und zuletzt Michel Temer immer wieder Massaker unter der weit abgelegen lebenden Bevölkerun­g. Menschenre­chtler wurden ermordet, wenn sie sich den Expansions­plänen der Industrie in den Weg stellten. Weil das aber weit abseits der großen Metropolen und Redaktione­n geschieht, nehmen das viele Brasiliane­r kaum zur Kenntnis. „Die Daten des Jahresberi­chts 2017 der brasiliani­schen Menschenre­chtsorgani­sation CIMI sind alarmieren­d“, erklärt Bangert. Demnach wurden 128 Fälle von Suizid verzeichne­t. 110 Indigene wurden ermordet. Zudem wurden 27 Mordversuc­he und 14 -drohungen registrier­t.

Der mögliche neue Agrarminis­ter Nabhan Garcia sieht das anders. Er wittert einen Kreuzzug gegen die Landwirtsc­haft. Es gäbe eine Legende, nach der der Agrarprodu­zent auf dem Land der Gegner der Umwelt sei: „Es ist genau das Gegenteil. Dieser Agrarprodu­zent ist der beste Beschützer der Umwelt.“

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Foto: Nelson Almeida, afp Unterstütz­er des Präsidents­chaftskand­idaten Bolsonaro.

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