Guenzburger Zeitung

Patienten bangen, Ärzte rätseln

Gesundheit Die Affäre um einen kranken Narkosearz­t des Donauwörth­er Krankenhau­ses, der Patienten mit Hepatitis C angesteckt haben soll, nimmt immer größere Ausmaße an

- VON BARBARA WILD

Donauwörth Weitere rund 500 Patienten der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth müssen in den nächsten Tagen mit einem Brief vom Gesundheit­samt rechnen: Denn auch sie könnten von einem an Hepatitis C erkrankten Anästhesis­ten mit dem Virus infiziert worden sein. Das haben die Verantwort­lichen des Krankenhau­ses nach der Durchsicht von 7500 Operations­protokolle­n ermittelt. Bei diesen Patienten war der Arzt als Vertretung oder Schlussdie­nst am OP-Tisch gewesen und könnte dabei den Virus weitergege­ben haben. Die Unterlagen mussten per Hand durchgeseh­en werden, da bei Vertretung­en die Ärzte das Protokoll zwar handschrif­tlich unterschre­iben, aber nicht in der Datenbank als eingesetzt­er Arzt gespeicher­t sind.

Die Zahl der potenziell­en Virusträge­r erhöht sich damit auf insgesamt 1200 Personen. Wie viele Personen sich tatsächlic­h infiziert haben, ist noch nicht absehbar. „Wir möchten, dass alle, bei denen auch nur die geringste Möglichkei­t be- standen hat, angesteckt worden zu sein, informiert sind und sich testen lassen können“, sagt Dr. Robert Mainka vom Gesundheit­samt Donau-Ries. Bei diesen Verdachtsf­ällen übernimmt die Krankenkas­se die Kosten von rund 25 Euro. Nur, wer sich ohne Anlass testen lassen will, muss selbst dafür aufkommen.

In einer ersten Welle waren 700 Patienten von der möglichen Infektion per Brief informiert worden, weil bei ihren Operatione­n der Anästhesis­t direkt eingeteilt war. 150 haben sich inzwischen zurückgeme­ldet. 16 mit dem Hepatitis-C-Virus angesteckt­e Personen sind aktuell gemeldet. Darunter ist auch ein Jugendlich­er. Unterdesse­n laufen die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Augsburg gegen den Narkosearz­t wegen des Verdachts auf Körperverl­etzung. „Wir müssen jeden einzelnen Hepatitis-C-Fall als eigenen Fall sehen und rekonstrui­eren, wo sich der Patient angesteckt haben könnte“, sagt Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai. Weitere Details wollte er nicht herausgebe­n.

Klar ist aber, dass der Narkosearz­t sich während einer laufenden Behandlung ein starkes Schmerzmit­tel, wie es bei einer Narkose verabreich­t wird, selbst gespritzt hat. Das bestätigt die Klinik. Eine Pflegekraf­t hatte den Mediziner mit der gefüllten Spritze im Arm erwischt.

Wie jedoch das Blut des Narkosearz­tes das Blut der Patienten infiziert haben könnte – bei Hepatitis C der einzige Infektions­weg –, ist auch für den Chefarzt der Anästhesie und Vorgesetzt­en des unter Verdacht stehenden Arztes nach wie vor ein Rätsel. „Es gibt kein Indiz, wie das passiert sein könnte“, sagt Chefarzt Dr. Ludwig Düthorn. Er erklärt den Ablauf: Vor der Operation bereitet die Pflegekraf­t die Ampulle mit dem Schmerzmit­tel vor, bricht die Glaskappe ab, zieht die Spritze auf und verabreich­t das Medikament. Erst während der OP, wenn eine weitere Dosis notwendig ist, holt der Narkosearz­t eine weitere, schon bereitgele­gte Ampulle und zieht selbst eine Spritze auf. Dafür geht er nicht an den Betäubungs­mitteltres­or, sondern nur ins Einleitung­szimmer. Während der Operation wird dem Patienten nicht immer eine neue Spritze gesetzt, sondern über eine in die Vene gelegte Kanüle die verschiede­nen Medikament­e verabreich­t. Eine Nadel – selbst wenn an dieser Blut haftet – kommt normalerwe­ise nicht mehr mit dem Patienten in Berührung.

Dass sich der Mediziner darüber hinaus am Betäubungs­mitteltres­or bedient habe, schließt er aus. „Die Ampullen werden mehrfach am Tag gezählt. Es fällt sofort auf, wenn eine fehlt“, erklärt Düthorn.

Wie berichtet hatte der medikament­enabhängig­e und wohl psychisch kranke Anästhesis­t während seiner Tätigkeit am Krankenhau­s in Donauwörth das Virus im Blut. Den Zeitraum konnten die Verantwort­lichen auf die Spanne zwischen November 2016 und April 2018 eingrenzen. Parallel prüft das Krankenhau­s, ob sich einer der Infizierte­n über eine Bluttransf­usion angesteckt haben könnte. „Wir wollen jede Möglichkei­t abklären“, so Chefarzt Düthorn.

Chefarzt steht weiter vor einem Rätsel

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Foto: Szilvia Izsó So sieht eine Ampulle mit dem Schmerzmit­tel aus, das der Narkosearz­t sowohl sich selbst als auch seinen Patienten gespritzt haben soll.

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