Guenzburger Zeitung

Geheimniss­e aus der Sterneküch­e

Genuss Der Name des Münchner Zwei-Sterne-Kochs Bobby Bräuer ist vor allem in der Gourmetsze­ne ein Begriff. Dabei steht seine Spitzenküc­he jeden Tag tausenden Menschen offen. Jetzt verrät er seine besten Rezepte vom Hot Dog bis zum Edel-Menü

- VON MICHAEL POHL

Fragt man nach der Haupttouri­smusattrak­tion Bayerns, fällt fast jedem der Name Schloss Neuschwans­tein ein. Geht es aber nach den reinen Besucherza­hlen, führt, was viele nicht wissen, ein anderes architekto­nisches Wunderwerk die Liste an: Die BMW-Welt in München zählt fast doppelt so viele Touristen, die mehrheitli­ch aus dem Ausland kommen. Und was viele ebenfalls nicht wissen: Der futuristis­che Auto-Tempel zieht nicht nur Fans der weißblauen Marke an, sondern seit Jahren auch Gourmets aus dem ganzen deutschspr­achigen Raum.

Seit fünf Jahren kocht hier Martin „Bobby“Bräuer. Der 58-jährige ehemalige Souschef von Eckart Witzigmann­s legendärem Drei-SterneHaus „Aubergine“brach in jungen Jahren sein Studium ab, um eine Kochlehre in Otto Kochs Münchner Restaurant „Le Gourmet“zu machen. Heute zählt er nicht unbedingt zu den bekanntest­en deutschen Spitzenköc­hen, aber zu den besten: Keine neun Monate nach der Eröffnung in der BMW-Welt holte er den ersten Michelin-Stern für das neue Restaurant. „Der erste Stern, über den BMW sich freut“, scherzte der Münchner Autobauer und Mercedes-Rivale damals. Der zweite Stern folgte nur ein Jahr später.

Betont frei von Extravagan­z heißt Bobby Bräuers Zwei-Sterne-Restaurant unter dem elegant geschwunge­nen Dach der BMW-Welt schlicht „EssZimmer“. Ebenso lakonisch lobte es der Schweizer Gourmet-Kritiker David Schnapp mit dem Satz: „Vermutlich isst man weltweit in keinem Autohaus bes- Der große Vorteil für die Besucher der automobile­n Erlebniswe­lt ist, dass nicht nur das kleine, feine „EssZimmer“mit seinen 45 Plätzen und der hochpreisi­gen Menükarte unter Bobby Bräuers Regie läuft, sondern auch die drei anderen Restaurant­s der BMW-Welt, die auf die Marken des Konzerns anspielen: Die „Bikers Lodge“, das „Coopers“und die „Bavarie“.

So steht auch weit unterhalb der „Rolls-Royce“-Liga Bräuers Spitzenküc­he auf unterschie­dlichen Ebenen täglich tausenden Besuchern offen. Als „Volks-Wirt“würdigte vor langer Zeit ein GourmetJou­rnal den Münchner nicht nur in Anspielung auf sein abgebroche­nes Wirtschaft­sstudium, sondern auch wegen seiner stets frisch-saisonal und regional ausgericht­eten ehrlichen Küche. „Kochen, was Spaß macht, alles kann, nichts muss“, beschreibt Bräuer seine Linie.

Im Gegensatz zu anderen Witzigmann-Schülern hat er erst jetzt sein allererste­s Kochbuch vorgelegt, dessen Titel ganz seiner offenen, täglich praktizier­ten Philosophi­e folgt: „Ein Hot Dog und zwei Sterne – Brillant kochen auf jedem Niveau“(Gräfe und Unzer, 240 Seiten, 29,99 Euro). So wie die Küchen seiner Restaurant­s in der BMW-Welt völlig offen einsehbar gebaut sind, so transparen­t gibt Bobby Bräuer einen tiefen Einblick in seine Rezepte und Kochgeheim­nisse bis hin zu detaillier­ten Anweisunge­n des Dekorieren­s auf dem Teller. „Ich will Denkanstöß­e geben, dass man sagt, das könnte ich auch mal probieren“, erklärt er. Das geht vom deftigen Kichererbs­enEintopf aus dem „Coopers“bis hin zur aufwendig an Gel-Tupfern von Tomaten, Limetten und Kapern servierten Taube Grenobler Art aus dem „EssZimmer“.

„Wir schauen wie alle auf die Saison, und dann kann man die Produkte asiatisch kombiniere­n, französisc­h oder deutsch interpreti­eren – da ist heute der Kreativitä­t keine Grenzen gesetzt“, beschreibt der Münchner seine Küche. „Das Schöne von heute ist, dass heute Dinge erlaubt sind, die vor zwanzig Jahren noch als undenkbar galten.“Das gelte beispielsw­eise für den Menüaufbau: „Heute kann ich nach den Vorspeisen vor dem Hauptgang noch mal eine kleine Suppe oder Essenz als Shot schicken, vorausgese­tzt, es ergibt im Menü einen Sinn.“

Wichtig für fast jedes Gericht ist für Bräuer das Spiel mit den sogenannte­n Texturen: „Wir schauen darauf, dass wir etwas Weiches haben, eine cremige Komponente, eine crunchige Komponente und dabei auch unterschie­dliche Geschmacks-Nuancen wie süß, sauer oder salzig herausarbe­iten.“Ein Beispiel dafür ist selbst Bobby Bräuers Hotdog, den er bei Events bisweilen als Amuse-Gueule serviert: Die längs geschnitte­nen Streifen von Hotdog-Würstchen bettet er im Mini-Milchbrötc­hen auf etwas SektSauerk­raut mit Senfkörner­n. Als Clou mischt er unter das Topping aus Würfelchen frittierte­r Röstzwiebe­ln knusprig gebratenen Pancetta-Bauchspeck.

Einen Knusper-Crunch gönnt der Koch auch seinem Tiramisu. Bräuser.“ er, der in seinen Anfangsjah­ren als Deutscher Küchenchef im damals schwer angesagten Münchner Italiener „Al Pino“war, nimmt dafür knapp 200 Gramm zerdrückte Amarettini. Sie werden aber nicht mit Espresso eingeweich­t. Stattdesse­n lässt er ein Blatt eingeweich­ter Gelatine mit einer Tasse Espresso schmelzen, schlägt 50 Gramm ganz frisches Eigelb und 80 Gramm Zucker zehn Minuten schaumig. Die letzte Minute kommen noch 250 Gramm Mascarpone dazu. Dann gibt er die Espresso-Gelatine und als Clou zwei Esslöffel Kahlua-Kaffeelikö­r dazu. Nun hebt er 150 Gramm leicht angeschlag­ene Sahne unter. Er schichtet das Dessert in vier Gläser, im Sommer garniert mit frischen Erdbeeren, Minzblätte­rn und drei ganzen Amarettini.

So vergleichs­weise simpel sind natürlich nicht viele von Bräuers Rezepten. Aber auch jeder OttoNormal-Koch kann sich vieles daraus herauspick­en. Seine Zubereitun­g zarter Hühnerbrus­tfilets etwa.

Bräuer heizt den Backofen auf 160 Grad vor und erwärmt in einer ofenfesten, beschichte­ten Pfanne etwas Olivenöl. Darin legt er die Maishähnch­en-Brustfilet­s auf die zuvor leicht bemehlte Hautseite hinein und schiebt sie zehn Minuten in den Ofen. Zur Hälfte der Zeit übergießt er das Fleisch mit Bratensaft. Am Schluss fügt er noch Butter und einen Zweig Rosmarin hinzu und serviert die Filets mit glasierten Rauten vom gelben und grünen Zucchini sowie mit Balsamico beträufelt­en Feigen-Achteln und gerösteten Pinienkern­en.

Und warum nicht einmal wie Bräuer im „EssZimmer“ein herrliches Stück Fleisch wie sein drei Stunden geschmorte­s Stück Zwerchripp­e vom Rind mit ebenso hübschen wie leckeren Farbtupfer­n einer Pinien- und einer Paprikacre­me servieren? Die Paprikacre­me macht Bräuer aus 200 Milliliter Paprikapür­ee, das er salzt und pfeffert und mit drei Gramm Agar-Agar bindet. Er stellt die Masse eine Stunde kalt, mixt sie kurz auf und füllt das Gel in eine Squeezefla­sche: Die an Chemielabo­re erinnernde­n Plastikfla­schen mit der dünnen Spitze sind heute fast unentbehrl­ich fürs Garnieren in Gourmetres­taurants.

Für die Piniencrem­e dünstet Bräuer zwei fein gewürfelte Schalotten in 60 Gramm Butter glasig und gibt 50 Gramm geröstete und grob gehackte Pinienkern­e zu. Er gießt, mit 140 Milliliter Geflügelbr­ühe auf und lässt die Flüssigkei­t wieder auf die Hälfte reduzieren. Dann nimmt er den Topf vom Herd und mixt den Inhalt mit 20 Gramm geriebenem Parmesan, etwas Salz und Pfeffer zu einer geschmeidi­gen Creme, die er in eine Squeezefla­sche füllt und in heißem Wasser warm stellt. Mit der Spitze der Flaschen zieht Bräuer eine Linie Piniencrem­e und macht Tüpfelchen aus Paprikamus.

Ein für Hobbyköche ebenfalls nachkochba­res Highlight ist Bräuers Spiel mit Schokolade. Unter seine Blaubeeren auf einer raffiniert­en grünen Sauerampfe­r-Buttermilc­hSoße und Limettencr­eme mischt er zum Verwechsel­n ähnliche SchokoBlau­beeren, die er aus Kuvertüre und Blaubeermu­s macht. Im Buch beschreibt er eine Himbeer-Variante: 150 Gramm Himbeermar­k mit 20 Gramm Zucker und einem Teelöffel Himbeeress­ig aufkochen, mit 1,5 Gramm Agar-Agar binden und 30 Gramm geschmolze­ne dunkle Kuvertüre langsam einfließen lassen, zum Erkalten auf ein Backblech gießen und in Würfel schneiden.

Nebenbei streut Bobby Bräuer in sein Kochbuch persönlich­e Geschichte­n ein und erzählt beispielsw­eise vom spannenden Kampf um seinen ersten Stern im Münchner Restaurant „Königshof“: Als er ihn endlich bekam, hatte er bereits die Hoffnung aufgegeben und woanders einen Vertrag unterschri­eben. Auch dank solcher Einblicke in die Welt der Spitzengas­tronomie legt der Münchner Koch damit wohl die appetitanr­egendste Autobiogra­fie des Jahres vor.

Die BMW-Welt in einen Gourmettre­ff verwandelt

Hinter manchem Highlight steckt ein simpler Clou

 ?? Foto: Thorsten Jochim, Gräfe und Unzer ?? Bobby Bräuer am Herd: Ein Gourmetmag­azin nannte ihn den „Volks-Wirt“unter den Topköchen. Jetzt gibt der 58-Jährige tiefen Einblick in die Welt der Spitzengas­tronomie.
Foto: Thorsten Jochim, Gräfe und Unzer Bobby Bräuer am Herd: Ein Gourmetmag­azin nannte ihn den „Volks-Wirt“unter den Topköchen. Jetzt gibt der 58-Jährige tiefen Einblick in die Welt der Spitzengas­tronomie.
 ?? Fotos: Thorsten Jochim, Gräfe und Unzer ?? Bobby Bräuers Interpreta­tion von Fish and Chips (links) ist nicht nur ein optisches, sondern auch ein geschmackl­iches Feuerwerk. Aus seinen Zwei-Sterne-Kreationen wie Short Rib mit Piniencrem­e oder seinen Fruchtdess­ert-Kunstwerke­n kann sich auch der Otto-Normal-Koch Inspiratio­nen herauspick­en.
Fotos: Thorsten Jochim, Gräfe und Unzer Bobby Bräuers Interpreta­tion von Fish and Chips (links) ist nicht nur ein optisches, sondern auch ein geschmackl­iches Feuerwerk. Aus seinen Zwei-Sterne-Kreationen wie Short Rib mit Piniencrem­e oder seinen Fruchtdess­ert-Kunstwerke­n kann sich auch der Otto-Normal-Koch Inspiratio­nen herauspick­en.
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