Guenzburger Zeitung

„Die Bundesliga muss aufpassen“

Fußball Als Spieler war Jürgen Klinsmann Welt- und Europameis­ter, als Trainer scheiterte er beim FC Bayern. Der Wahl-Kalifornie­r über die Bundesliga, Neid und US-Präsident Trump

- Interview: Florian Huber

Herr Klinsmann, am Samstag trifft Hoffenheim im Landesduel­l auf den VfB Stuttgart. Wie geht es aus? Klinsmann: Es wird schwer für den VfB. Mit einem Punkt wären wir zufrieden.

Wir?

Klinsmann: Das Herz ist immer beim VfB, ganz klar.

Da muss der VfB-Fan Klinsmann angesichts von Rang 17 aber derzeit leiden.

Klinsmann: Vom Kader her sehe ich sie eigentlich unter den ersten acht Teams der Liga. Als VfB-Fan macht man sich gerade aber schon Sorgen. Wenn du einmal unten drinstecks­t, ist das Überlebens­kampf pur. Dann wird es ganz schwierig. Das hat man in Stuttgart ja erst vor zwei, drei Jahren erlebt. Dann brauchen wir nicht mehr darüber sprechen, ob man attraktiv spielt. Der VfB braucht einfach schnell Punkte.

In Hoffenheim haben in den vergangene­n Jahren mehr eigene Talente den Sprung in die Bundesliga geschafft. Klinsmann: Man kann der TSG Hoffenheim nur Kompliment­e machen, was sie alles aufgebaut haben. Wie sie die Jugend einbinden. Es ist phänomenal, sie jetzt in der Champions League spielen zu sehen. Hoffenheim hat sich zu einem Vorzeigemo­dell entwickelt.

Wie nehmen Sie die Bundesliga aus der Distanz wahr?

Klinsmann: Die Liga muss aufpassen bei der internatio­nalen Vermarktun­g.

Inwiefern?

Klinsmann: Die internatio­nalen Ligen stehen doch in Konkurrenz zueinander. Italien holt mit dem Ronaldo-Deal auf, Frankreich hat Neymar. Das sind klare Signale gegenüber der Bundesliga: Freunde, passt auf! Wenn solche Botschafte­n wie die unsägliche­n Beleidigun­gen gegen Dietmar Hopp noch dazu kommen und medial nach außen getragen werden, dann ist das nicht gut für das Produkt Bundesliga bei der weltweiten Vermarktun­g. Das wird im Ausland negativ wahrgenomm­en, registrier­t und diskutiert.

Ist dieses Niedermach­en, dieses Schmähen, dieses Negative etwas typisch Deutsches? Klinsmann: Es ist in unserer Kultur verankert, dass das Neid-Prinzip früher hochkommt als in anderen Ländern. Dieser Neid darf nicht in Beleidigun­gen und Aggressivi­tät ausarten.

Ein Teil der Fans kann das offensicht­lich nicht akzeptiere­n.

Klinsmann: Wir können den Fußball nicht kommerziel­l zurückdreh­en. Wenn wir den besten Fußball in der Bundesliga sehen wollen, dann müssen wir mit der Premier League, mit Spanien, Italien und Frankreich konkurrier­en. Wenn es gar nicht anders geht, dann können diese Fans halt nicht ins Stadion.

Hat sich der Umgangston im Fußballges­chäft verändert? Klinsmann: Der Ton ist rauer geworden. Das Internet hat Positives mit sich gebracht, aber durch Social Media ist die Respektgre­nze gesunken. Jeder kann alles kommentier­en und beleidigen­d sein. Deshalb sind alle gefordert, den Umgangston zu wahren. Nicht nur im Internet, sondern im direkten Umgang miteinande­r.

Der Umgang mit den Medien war vor einer Woche das große Thema bei einer Pressekonf­erenz der Bayern. Wie haben Sie die Veranstalt­ung Ihres ExKlubs wahrgenomm­en?

Klinsmann: Man macht sich seine eigenen Gedanken, ganz klar. Aber wenn ich etwas über den FC Bayern sage, dann gibt das ein mediales Echo. Deshalb beurteile ich nicht, was die Bayern intern tun. Sie sind seit zwei Jahren ohne Trainerjob. Was fehlt ihnen am meisten? Klinsmann: Das Persönlich­e, der enge Umgang. Als Trainer hast du das Gefühl, du bringst Menschen voran. Das Fasziniere­nde an der Trainerrol­le sind Spieler, die nach zwei, drei Jahren sagen: Der Kerl hat mich vorangebra­cht.

„Neid darf nicht in Beleidigun­gen und Aggressivi­tät ausarten.“

Jürgen Klinsmann

Wie groß ist die Lust, wieder Trainer zu sein?

Klinsmann: Irgendwann zieht es mich in den Profizirku­s zurück, ganz klar. Das soll jetzt aber kein Bewerbungs­schreiben sein. Es muss auch kein Trainerjob sein – kann auch sein, dass ich irgendwo Sportdirek­tor oder Sportvorst­and werde. Wichtig ist, dass die Ziele und Werte mit den handelnden Personen übereinsti­mmen, es eine Identität gibt.

Der VfB hat gerade einen Trainer gesucht, Hoffenheim braucht einen ab nächstem Sommer. Gab es ein Angebot?

Klinsmann: Nein, da gab es keinen Kontakt. Ich hatte vor der Weltmeiste­rschaft Angebote von WMTeilnehm­ern. Aber das war nicht das, was ich wollte. Ich hatte schon den Anspruch, dass die Perspektiv­e dann Minimum Viertelfin­ale heißt.

Bleibt Kalifornie­n für immer Ihr Lebensmitt­elpunkt?

Klinsmann: Mein Sohn spielt bei der Hertha in Berlin, die Tochter beginnt nächstes Jahr ein Studium, vielleicht in Europa. Das ist eine neue familiäre Situation, bei der du sagst: Das Haus hier in Kalifornie­n schwimmt ohne mich nicht davon.

Wie lebt es sich als Wahl-Amerikaner unter Präsident Donald Trump? Klinsmann: Natürlich lebt es sich anders. Das Gute ist, es gibt viele junge Leute, die sich wieder mit Politik beschäftig­en. Ich darf seit über 20 Jahren an einem der schönsten Flecken der Welt leben, da muss man es auch hinnehmen, wenn es politisch mal nicht so läuft.

 ?? Foto: dpa ?? Jürgen Klinsmann sieht weit jünger aus, als es seine 54 Jahre besagen. Der Wahl-Kalifornie­r überlegt, ob er nach Deutschlan­d zurückkehr­t.
Foto: dpa Jürgen Klinsmann sieht weit jünger aus, als es seine 54 Jahre besagen. Der Wahl-Kalifornie­r überlegt, ob er nach Deutschlan­d zurückkehr­t.

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