Guenzburger Zeitung

Bitte große Taten statt großer Worte

Franziskus gilt als Reformer. Doch wichtige Veränderun­gen wie eine Lockerung des Zölibats lassen in der katholisch­en Kirche weiter auf sich warten

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger-allgemeine.de

Würde man Papst Franziskus ein Zwischenze­ugnis ausstellen sollen, müsste man schreiben: Er hat sich bemüht.

Er bemühte sich darum, der katholisch­en Kirche einen Weg in die Zukunft zu ebnen, musste aber immer wieder erfahren, wie mächtig die Vergangenh­eit ist. Ein ums andere Mal holt die Vergangenh­eit die Kirche ein.

Beispiel Jugendsyno­de, die vor kurzem in Rom zu Ende ging. Dreieinhal­b Wochen waren Bischöfe, Jugendlich­e und Experten aus aller Welt im Vatikan zusammenge­kommen, um über ein Herzensanl­iegen des Papstes zu sprechen – die Jugendlich­en. Von ihnen verspricht er sich eine Erneuerung der Kirche und den Aufbau einer besseren Welt. Doch noch bevor die Synode Anfang Oktober begann, hatte sich schon ein gewaltiger Schatten über sie gelegt: der nach wie vor nicht bewältigte, anhaltende Missbrauch­sskandal.

In Deutschlan­d stellten die Bischöfe eine von ihnen in Auftrag gegebene Studie vor, der zufolge sich 1670 Geistliche an 3677 Kindern und Jugendlich­en vergangen haben sollen; der Zölibat, die priesterli­che Ehelosigke­it, begünstige Missbrauch. Wenig später bekräftigt­e der italienisc­he Erzbischof Viganò seine Vorwürfe, Franziskus sei ein Vertuscher.

Während der Synode sorgte der Papst dann für Aufregung, weil er Abtreibung­en mit Auftragsmo­rden verglich. Und in Deutschlan­d wurde bekannt, dass der Vatikan dem Jesuitenpa­ter Ansgar Wucherpfen­nig eine weitere Amtszeit als Rektor der Theologisc­h-Philosophi­schen Hochschule Sankt Georgen verwehrt – weil Wucherpfen­nig sich im Jahr 2016 in einem Interview kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuel­len und zum Zölibat geäußert hatte.

Stellt man sich den Papst als einen Wanderer vor, so hat dieser nicht nur schweres Gepäck zu schultern. Beständig wird an seinen Beinen gezerrt, mal kommt er voran, mal bleibt er stehen, mal läuft er zurück. Bisweilen stellt er sich selbst ein Bein. So sind allenfalls kleine Fortschrit­te möglich – nicht jedoch ein Aufbruch. Im Ergebnis tritt die katholisch­e Kirche auf der Stelle.

Franziskus wird nicht müde, große Gesten zu zeigen und große Worte zu sprechen. Das genau ist das Problem dieses Papstes, zumindest aus der Perspektiv­e ungezählte­r deutscher Katholiken wie Nicht-Katholiken: Den großen Worten folgen große Erwartunge­n, nicht allerdings große Taten.

Dabei mahnt längst nicht mehr bloß die Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“, die sich in diesen Tagen in Nürnberg zu ihrer 42. Bundesvers­ammlung und Herbsttagu­ng trifft, Taten an. Der Ruf nach Veränderun­g kommt von Bischöfen inzwischen in einer Deutlichke­it, wie sie vor wenigen Jahren unvorstell­bar gewesen wäre – inklusive der Forderung nach einer Abschaffun­g des Pflicht-Zölibats. Der Ruf nach Veränderun­g kommt von innen heraus: Im 60-seitigen Schlussdok­ument der Jugendsyno­de, das der Beratung des Papstes dient, wird die Beteiligun­g von Frauen in der Leitung der Kirche gefordert; zudem eine Stärkung der Laien. Es gelte, „in Richtung einer partizipat­iven und mitverantw­ortlichen Kirche voranzusch­reiten“. Ach ja: Über Sexualität müsse offen gesprochen werden. Das Fazit: Die Kirche brauche eine Reform.

Man muss Papst Franziskus zugutehalt­en, dass er von Beginn seines Pontifikat­s im März 2013 an auf die richtigen Themen gesetzt hat – es sind jene, die auch ins Schlussdok­ument der Jugendsyno­de Eingang fanden. Bislang hat er die Kirche eher im Kleinen reformiert, hat sie ein Stück weit geöffnet. Groß wäre es, wenn er den Zölibat freistelle­n oder das Frauendiak­onat einführen würde. Unmöglich wäre das nicht für ihn.

Die Kirche tritt auf der Stelle

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