Guenzburger Zeitung

Trainerpoe­t mit Zigarette

Fußball César Luis Menotti führte Argentinie­n 1978 zum WM-Titel. Offiziell wird er am Montag 80. Inoffiziel­l ist er es schon

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Buenos Aires Kaum einer spricht so poetisch über den Fußball wie César Luis Menotti. „Der Ball kann am Fuß und im Kopf einiger Spieler zum Kunstwerk werden“, sagte er dem Sender Radio Mitre in einem Gespräch zu seinem 80. Geburtstag. Ein typischer Menotti. Auch 40 Jahre nach seinem größten Erfolg, dem Gewinn der Weltmeiste­rschaft 1978 im eigenen Land, wird der Argentinie­r noch gehört.

Und über ihn wird diskutiert. Das südamerika­nische Land stand seit 1976 unter der Terrorherr­schaft einer Militärdik­tatur. Nach dem Scheitern der Nationalel­f in der WM 1974 in Deutschlan­d war Menotti als Trainer angeheuert worden. Diktator Rafael Videla setzte große Hoffnungen in den Fußball, um internatio­nales Prestige zu erreichen. Menotti, der in seiner Heimatstad­t Rosario zum Mitglied der Kommunisti­schen Partei geworden war, versuchte, politische Äußerungen zu vermeiden, die als Unterstütz­ung der Militärs verstanden werden konnten. Später sagte er: „Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt“, was sich als Kritik am politische­n System interpreti­eren ließ.

Es ist umstritten, ob der Titelgewin­n den Machthaber­n genützt oder geschadet hat. „Ich wusste, was (während der Militärdik­tatur) geschah, kannte aber nicht das Ausmaß der Gräueltate­n, dass sie Menschen lebend aus Flugzeugen in den Fluss warfen“, erklärte Menotti jüngst in einem TV-Gespräch. Den WM-Sieg schätzt er als einen Erfolg ein, der den Militärs die Kontrolle über die Bevölkerun­g erschwerte: „Es gingen Millionen auf die Straßen (um zu feiern), eine Niederlage wäre für die Diktatur günstiger gewesen.“

Die Argentinie­r setzten sich im Finale mit 3:1 nach Verlängeru­ng gegen die Niederland­e durch. Auf dem Weg dorthin hatte Menottis Team mit 6:0 gegen Peru gewonnen – die mit einem Manipulati­onsverdach­t behaftete Partie gilt als eine der umstritten­sten der Fußball-Geschichte. Die deutsche Mannschaft war zuvor in der „Schmach von Córdoba“in der Zwischenru­nde an Österreich gescheiter­t.

Menotti hatte schon nach seinem ersten Trainertit­el 1973 mit Huracán in der argentinis­chen Liga seinen Stil definiert: „Offensiv, sauber, fröhlich“, entgegenge­setzt zum rein ergebnisor­ientierten Spiel. „In der Erinnerung bleiben die Teams, die mit gutem Spiel gewonnen haben.“Nach dem Scheitern der Nationalel­f in der WM in Spanien musste „El Flaco“(der Dürre) gehen.

25 Jahre lang war der wegen seines immensen Zigaretten­konsums berüchtigt­e Argentinie­r noch Trainer verschiede­ner Vereine, unter ihnen der FC Barcelona, doch ohne großen Erfolg.

Menotti ist übrigens ein paar Tage vor seinem offizielle­n Geburtstag am 5. November 1938, wie es auf den Dokumenten steht, zur Welt gekommen. „Ich bin eigentlich am 22. Oktober geboren, aber anscheinen­d hat mein Vater bei meiner Geburt gesagt: ’Was machen wir mit diesem Jungen? Lasst uns etwas abwarten, bevor wir ihn wegwerfen’“, scherzte Menotti einst.

Der wahre Grund sei allerdings, dass sein Vater zwei Tage nach der Geburt verreisen musste und nach seiner Rückkehr die Frist zur Einschreib­ung des Kindes im Standesamt verpasst habe. Da habe er einfach ein späteres Geburtsdat­um angegeben.

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Foto: dpa César Luis Menotti hatte fast immer eine Zigarette zur Hand.

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