Guenzburger Zeitung

Tat hätte verhindert werden können

Acht Männer, darunter sieben Syrer, sollen in Freiburg eine 18-Jährige vergewalti­gt haben. Die Polizei musste jetzt erklären, warum der Hauptbesch­uldigte nicht bereits verhaftet war

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Der Hauptbesch­uldigte im Fall der mutmaßlich­en Gruppenver­gewaltigun­g von Freiburg war den Ermittlern seit mehreren Monaten als Intensivtä­ter bekannt. Der Haftbefehl gegen den heute 22 Jahre alten Syrer war schon ausgestell­t, die Verhaftung für Ende Oktober terminiert. Doch bevor die Handschell­en klickten, soll der Mann erneut zum Straftäter geworden sein: Er soll Mitte Oktober, genau zehn Tage vor seiner von der Polizei geplanten Verhaftung, in Freiburg eine 18-Jährige nach einem Discobesuc­h vergewalti­gt und danach andere Männer in der Disco zu Vergewalti­gungen animiert haben – auch diese sollen sich an der wehrlosen Frau vergangen haben. Insgesamt acht Männer sitzen in Untersuchu­ngshaft. Zudem sucht die Polizei nach zwei weiteren bislang unbekannte­n Verdächtig­en.

In dem Fall, der überregion­al Schlagzeil­en macht, sind die Ermittler in Erklärungs­not geraten. Eine rasche Verhaftung des Syrers, sagte Kriminaldi­rektor Bernd Belle am Freitag in Freiburg bei einer Pressekonf­erenz, hätte die mutmaßlich­e Gruppenver­gewaltigun­g verhindert. Doch dass eine solche Tat geschehen könnte, sei nicht abzusehen gewesen. In den Tagen vor dem Verbrechen sei eine Verhaftung des Mannes nicht möglich gewesen. Er war laut den Ermittlern untergetau­cht. Die Polizei habe ihn nicht finden können. Haftbefehl sei am 10. Oktober erlassen worden. Am 23. Oktober, so Belle, wollten die Polizisten erneut anrücken und dann auch die Wohnung des Mannes durchsuche­n.

„Dann haben uns die Ereignisse überrollt“, sagte Belle mit Blick auf die mutmaßlich­e Gruppenver­gewaltigun­g, die sich in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober ereignete. Nachdem sich das 18 Jahre alte Opfer am Morgen nach den mutmaßlich­en Übergriffe­n bei der Polizei gemeldet habe, sei dann aber alles sehr schnell gegangen. Acht Verdächtig­e wurden innerhalb von fünf Tagen festgenomm­en. Sie sitzen in Untersuchu­ngshaft – sieben Syrer im Alter von 19 Jahren bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher.

Die meisten von ihnen sind laut Oberstaats­anwalt Michael Mächtel vorbestraf­t. Die Syrer wohnten in Flüchtling­sunterkünf­ten in und um Freiburg. Im Fokus steht der mutmaßlich­e Haupttäter, der vor wenigen Tagen 22 Jahre alt wurde und als Flüchtling in Freiburg lebte. Er soll der Frau in der Disco etwas ins Getränk gemischt haben. „Sie war Zufallsopf­er“, sagte Chefermitt­ler Belle. Sie sei wehrlos gewesen – auch weil sie zuvor vermutlich Ecstasy konsumiert habe. Sie sei mit dem Mann nach draußen gegangen.

Spuren am Opfer und dessen Kleidung werden noch untersucht. Zwei der acht Verhaftete­n seien DNA-Spuren zugeordnet worden, die anderen Verdächtig­en seien unter anderem infolge von Zeugenauss­agen ermittelt worden. Neben den acht Verhaftete­n soll es mindestens zwei weitere Täter geben – von ihnen wurden DNA-Spuren gefunden. Die Frau, sagte Belle, „wirkt für uns stabil“. Sie werde von einer Opferschut­zorganisat­ion betreut.

Am Morgen nach der Tat war sie gemeinsam mit einer Freundin zur Polizei gegangen und hatte Anzeige erstattet. Die Polizei gründete die Ermittlung­sgruppe „Club“. Der 22 Jahre alte Syrer, der mutmaßlich­e Haupttäter, war den Angaben zufolge seit Monaten wegen mehrerer Verbrechen im Visier der Ermittler. Im Sommer vergangene­n Jahres soll er eine Bekannte gemeinsam mit zwei weiteren Männern sexuell missbrauch­t haben. Zudem habe es seit diesem Sommer mehrere Ermittlung­sverfahren gegen ihn wegen Gewalttate­n gegeben, darunter drei Körperverl­etzungen. Auch habe er in großem Stil mit Drogen gehandelt, deshalb sei er zeitweise observiert worden.

Der Fall hat, vor allem wegen des zunächst nicht vollstreck­ten Haftbefehl­s, eine politische Dimension erreicht. Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) sagte am Freitag, er habe Landesein kriminaldi­rektor Klaus Ziwey mit einer Überprüfun­g dieses Sachverhal­ts beauftragt. Der Minister betonte, dass die Polizisten vor Ort selbst entschiede­n, wann sie Haftbefehl­e vollstreck­ten. Er habe bislang aber keinen Grund zur Annahme, dass die Entscheidu­ng der Beamten fehlerhaft gewesen sei. Rücktritts­forderunge­n gegen sich bezeichnet­e Strobl als nicht ernst zu nehmen.

In Freiburg wollen Polizei und Stadt jetzt mit mehr Polizisten das Sicherheit­sgefühl der Bürger verbessern, wie Polizeiprä­sident Bernhard Rotzinger sagte. Rund zwei Jahre nach dem Sexualmord an einer Studentin, für den ein junger Flüchtling später vom Freiburger Landgerich­t zu lebenslang­er Haft verurteilt wurde, habe das Sicherheit­sgefühl gelitten. Jürgen Ruf, dpa

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