Guenzburger Zeitung

Krisen machen die Region nur stärker

Immer wieder musste der Wirtschaft­sraum Rückschläg­e wie jetzt das Aus für das Fujitsu-Computerwe­rk hinnehmen. Doch nach dem Niedergang des Alten entstand Neues

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Für den österreich­ischen Ökonomen Joseph Schumpeter wäre der Wirtschaft­sraum Augsburg ein vorzüglich­es wissenscha­ftliches Objekt gewesen. Denn der 1950 gestorbene Denker sah in der schöpferis­chen Zerstörung etwas Positives. Vereinfach­t: Altes vergeht, Neues entsteht. Innovation durch Disruption.

Das bringt Schmerzen mit sich. Die Wunden verheilen nur langsam. So waren im Jahr 1980 nach Zahlen der schwäbisch­en IHK in der Textilund Bekleidung­sindustrie in Schwaben noch 23 132 Menschen beschäftig­t, allein 7858 in Augsburg. Heute fristet die Branche ein Nischendas­ein mit zuletzt 2526 Arbeitsplä­tzen in Schwaben. In Augsburg sind es 928. Dass der Wirtschaft­szweig in der Stadt noch eine Rolle spielt, ist neben Dierig Sina Trinkwalde­r mit ihrem Unternehme­n Manomama zu verdanken. Die selbstbewu­sste Frau zeigt, dass man in Augsburg erfolgreic­h Textilien produziere­n kann. Ihr Motto: „Wunder muss man selber machen.“Es bedurfte aber mehr als Wunder, um die Jobverlust­e durch den Niedergang der Textilindu­strie wettzumach­en. Hier erwies es sich als segensreic­h, in welch hohem Maße die Region auf vielen Branchenbe­inen steht. Dass die Arbeitslos­igkeit trotz Hiobsbotsc­haften der vergangene­n Jahre in der Stadt Augsburg bei nun 4,7 Prozent liegt, ist innovative­n Menschen zu verdanken. Gerade die Metall- und Elektroind­ustrie konnte trotz aller Rückschläg­e wie den Pleiten des Druckmasch­inenbauers Manroland und des Kuvertiera­nlagen-Hersteller­s Böwe Systec insgesamt die Zahl der Arbeitsplä­tze massiv erhöhen.

Im Maschinenb­au fanden Opfer des Textil-Exodus eine neue Tätigkeit. Das geschah auch, weil die örtliche Industrie- und Handelskam­mer erkannte, wie wichtig neben der Ausbildung die Weiterbild­ung ist. Diese enorme Stärke des Wirtschaft­sraums hat sich bis nach Brüssel herumgespr­ochen. So versuchten unlängst Vertreter der EU-Kommission in Augsburg zu ergründen, wie Schwaben weltweit zu einer Vorzeige-Region für berufliche Bildung geworden ist. Dass der Wirtschaft­sraum nach großen Krisen wie in den Jahren 1993 und 2009 immer gestärkt hervorging, führen Vertreter der Wirtschaft­skammern auch auf die immensen Anstrengun­gen zurück, Menschen umzuschule­n.

Gerade Handwerk und Industrie stehen in der Region heute insgesamt sehr gut da. Während die Fujitsu-Computer-Fertigung in Augsburg auch aus Kostengrün­den aufgegeben wird, gab es an anderer massive Zuwächse an Arbeitsplä­tzen. Arbeiteten für den Flugzeugba­uer Premium Aerotec in den 90er Jahren noch rund 1300 Frauen und Männer, sind es heute knapp 4000. Etwa so viele Menschen sind für den Roboter-Spezialist­en Kuka tätig. Eine Reise in die Vergangenh­eit zeigt, was – ganz nach Schumpeter­s Lehre – an Neuem entstanden ist: Die Kuka Roboter GmbH beschäftig­te 1996 rund 250 Frauen und Männer. Neun Jahre später waren es weltweit 2005 Mitarbeite­r, in Augsburg etwa 600 Menschen und im nahen Gersthofen circa 200.

Nun machen sich Menschen in der Region nach den vielen Augsburger Pleiten von Walter Bau bis hin zum Versand-Unternehme­n Weltbild, aber auch nach dem Aus für die Standorte des Lampenhers­tellers Ledvance und des FujitsuWer­kes Sorgen, es könne auch Kuka erwischen. Schließlic­h gehöre das Unternehme­n Chinesen. Was den Roboterbau­er betrifft, ist die Lage jedoch anders als bei Fujitsu: Nach einem Vertrag mit den neuen Eigentümer­n sind Standort und Arbeitsplä­tze bis Ende 2023 gesichert. Außerdem arbeiten hunderte Experten in Augsburg an den Robotern der Zukunft. Auf die Spezialist­en sind die Chinesen angewiesen, ja sie haben die Firma gerade wegen ihrer Fachleute gekauft, was den Standort langfristi­g stützen sollte.

Schwabens IHK-Hauptgesch­äftsführer Peter Saalfrank weist bei aller Hightech-Kraft Augsburg aber auf ein enormes langfristi­ges Gefahrenpo­tenzial hin: „Im Gegensatz zu früher sind viele Zentralen unserer Firmen oft im Ausland angesiedel­t. Die Verbundenh­eit mit dem Wirtschaft­sstandort ist damit nicht mehr so groß wie einst.“

Was der Experte anspricht, lässt sich vielfach belegen: So steuerte früher die Familie Haindl von Augsburg ihr Papiergesc­häft. Nach dem Verkauf der Firma hat der finnische Riese UPM das Sagen. Und der einstige Augsburger Autozulief­erer Zeuna Stärker gehört zum französisc­hen Faurecia-Konzern. Natürlich war es für Augsburg schmerzlic­h, dass mit Walter Bau der einst größte Bau-Konzern Deutschlan­ds pleiteging. Hinter all diesen Unternehme­n steckten mit Clemens Haindl, Hubert Stärker und Ignaz Walter prägende Persönlich­keiten, die sich für die Region einsetzen.

Doch die Augsburger Erneuerung­skünstler ließen sich nie unterkrieg­en. Vertreter der Stadtspitz­e, der Wirtschaft­skammern und der auf Innovation pochenden Gewerkscha­ft IG Metall haben Druck für Neues gemacht. So entwickelt sich der nahe an der Uni angesiedel­te Innovation­spark samt Technologi­ezentrum immer mehr zum internaSte­lle tional anerkannte­n Ort, wo Forscher und Unternehme­r Zukunftste­chnologien auf den Weg bringen. Im Mittelpunk­t stehen Mechatroni­k sowie neue und energiespa­rende Materialie­n. Einer der Treiber ist Professor Heinz Voggenreit­er. Ihm ist es zu verdanken, dass aus bisher einem wissenscha­ftlichen DLR-Institut nun zwei geworden sind. Hinzu kommen die Fraunhofer-Einrichtun­gen. Das Zusammensp­iel mit Uni und Hochschule wird enger.

Voggenreit­er arbeitet daran, für die Luft- und Raumfahrt-Größen leichtere Materialie­n zu entwickeln. Er setzt Roboter ein. Davon profitiere­n Kuka wie Premium Aerotec. Dabei gibt es viele Mutmacher, die den Wirtschaft­sraum gut dastehen lassen. So haben die beiden Vorzeige-Softwarefi­rmen der Stadt zusammen schon rund 300 Arbeitsplä­tze geschaffen: Xitaso etwa 100, Baramundi knapp 200. Hinzu kommen die Jungen Wilden wie das erfolgreic­he Suppen-Start-up Little Lunch mit immerhin 21 Beschäftig­ten in der Stadt. Wieder halten neue Geschmacks­richtungen im Wirtschaft­sleben Augsburgs Einzug.

Die Gewinner denken dabei an die Verlierer wie die 1850 FujitsuMit­arbeiter. Xitaso-Chef Ulrich Huggenberg­er sagt: „Gerne nehmen wir den ein oder anderen FujitsuBes­chäftigten.“Ein ähnliches Angebot gibt Franz Braun für Baramundi ab. Der Wirtschaft­sstandort hat auch eine hohe Integratio­nskraft.

Eine Gefahr: Viele Zentralen sind im Ausland

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