Guenzburger Zeitung

„Ich möchte keinen Kassenschl­üssel haben“

Helge Achenbach war als Kunsthändl­er ein Star. Dann kam er ins Gefängnis. Jetzt hat er eine neue Aufgabe

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Helge Achenbach schaut aus dem kleinen Fenster einer Gefängnist­ür. Sein Glück: Die Tür ist nicht mehr in Betrieb, sie ist jetzt ein Kunstwerk. Ein Maler hat darauf die zerstörte syrische Stadt Aleppo abgebildet. Nun steht das Werk auf Achenbachs Kulturhof. Der einstige Kunstberat­er der Reichen und Schönen hatte den Aldi-Erben Berthold Albrecht beim Kauf von Kunst und Oldtimern durch versteckte Preisaufsc­hläge betrogen. Dafür wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt. Anfang Juni kam er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe wieder frei. Seitdem engagiert der 66-Jährige sich für verfolgte Künstler. Ein Unternehme­r hat ihm dafür einen leer stehenden Bauernhof bei Düsseldorf zur Verfügung gestellt. Es ist seine „Brücke in ein neues Leben“, wie er sagt.

Niederrhei­n. Hier ist das Land so flach, dass jeder Maulwurfsh­ügel Schatten wirft. Dazwischen: ein Hof aus dunklem Backstein. In der Küche wischt Achenbach den Tisch ab. Eben haben noch Gäste aus der Ukraine gefrühstüc­kt. Dann muss er spülen. „Hätte ich mir früher auch nicht gedacht, dass ich das hier mal machen würde“, lacht er. „Aber das habe ich im Gefängnis gelernt, sogar Toilettenp­utzen. Sehr nützlich.“Der Kulturhof mit Ateliers und Wohnungen soll ein sicherer Hafen für verfolgte Künstler sein. „Die Idee ist entstanden in der schwersten Stunde meines Lebens, im Gefängnis“, erzählt er. „Im Fernsehen hab’ ich gehört, dass Putin die Pussy-Riot-Band verhaftet hatte. Da habe ich mir gedacht: Wenn ich noch einmal einen neuen Schritt in meinem Leben tun kann, dann will ich an dieser Stelle helfen.“

Geld hat er nicht mehr, dafür 16 bis 20 Millionen Euro Schulden. Aber er hat noch eine ganze Reihe alter Freunde. Und viele Menschen aus der Umgebung des Hofs haben sich spontan solidarisc­h erklärt: Bauern brachten Gemüse, Nachbarn spendeten Bäume zur Bepflanzun­g. „Für jemanden, der so nar- ist wie ich, war das eine tolle Erfahrung: Die Leute helfen mir – auch wenn ich nicht mehr der große Zampano bin.“

In den ehemaligen Stallungen arbeitet Yahia Alselo an einem abstrakten Gemälde. Den Kulturhof findet er „super“, sagt der syrische Kurde, der in Aleppo studiert hat. Die aus Litauen stammende Malerin Evelina Velkaité beschäftig­t sich mit dem Thema „verlorene Heimat“und ist deshalb auf den Hof eingeladen worden. Achenbach sei „sehr fordernd“, sagt sie, „im positiven Sinne“. Er will, dass sie sich weiterentw­ickelt. Schließlic­h ist der Aufenthalt auf dem Hof nur vorübergeh­end. Und der Kunstmarkt ist hart.

Einen sicheren Hafen benötigt Achenbach auch selbst: Seine Gläubiger versuchen ständig, ihn zu pfänden, dabei, so sagt er, sei bei ihm schon lange nichts mehr zu holen. Auch deshalb wohnt er nicht auf dem Hof, sondern hat gleichsam Asyl bei Günter Wallraff in Köln bekommen. „Helge Achenbach ist kein Unschuldsl­amm“, sagt der Undercover-Journalist. „Aber er hat aus seinen Fehlern gelernt – davon bin ich überzeugt. Und jetzt ist er mit viel Engagement dabei, einen Rückzugsor­t für verfolgte Künstler zu schaffen. Der Hof gehört ihm alzisstisc­h lerdings nicht, das birgt ein gewisses Risiko.“Träger des Kulturhofs ist der Verein „Kultur ohne Grenzen“. Im Beirat sitzen unter anderem ein Museumsche­f, ein Diakonie-Vorsitzend­er und das ehemalige Vorstandsm­itglied einer Versicheru­ng. Kassenwart ist eine Künstlerin. „Ich habe gesagt: Ich, Helge Achenbach, möchte keinen Kassenschl­üssel haben.“Demnach legt er durchaus ein gesundes Misstrauen gegen sich selbst an den Tag – auch wenn er immer wieder betont, dass ihm Geld nichts mehr bedeutet. „Ich wollte immer alles haben, immer größer, immer weiter. Heute weiß ich: Braucht man alles nicht.“

Beim Rundgang durch den Hof zeigt Achenbach ein Foto, das ihn auf dem Höhepunkt seines Erfolgs mit dem Direktor des Museum of Modern Art in New York zeigt. Auf dem Rahmen steht: „Unser Held!“In die internatio­nale Kunstszene wird er wohl nicht zurückkehr­en. Aber ein Held möchte er gerne wieder sein. Christoph Driessen, dpa

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Foto: R. Vennenbern­d, dpa

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