Guenzburger Zeitung

Offingen: Das Internet wird langsamer als erhofft

Die Gemeinde plante, 400 Häuser mit Glasfaser zu versorgen. Zum Teil wird daraus nichts. Die Telekom sagt, sie habe keine Vereinbaru­ng gebrochen. Was das bedeutet

- VON PHILIPP WEHRMANN

Offingen Alle Häuser in Offingen sollten ans Breitbandn­etz angeschlos­sen werden. Das hatte der Gemeindera­t Anfang des Jahres beschlosse­n. In Teilen der Gemeinde war das bereits passiert, jetzt sollte der Rest, mehr als 400 Häuser, schnelles Internet erhalten. Geschehen sollte das mithilfe des bayerische­n Förderprog­ramms. Das ermöglicht nicht nur bis zum Verteiler Glasfaser zu legen, wie es bis 2017 gängig war und in Offingen umgesetzt wurde, sondern bis zu den Häusern. Aber daraus wird nichts.

Zunächst müssen in dem Verfahren alle Netzbetrei­ber gefragt werden, ob sie einen Ausbau auf eigene Kosten planen. Die Gemeinde tat das im Herbst 2017. Kein Unternehme­n hatte Vorhaben gemeldet, sagte Bürgermeis­ter Thomas Wörz bei einer Sitzung im März. Doch dann habe die Telekom „völlig überrasche­nd“– die Markterkun­dung war längst abgeschlos­sen – einen Eigenausba­u angekündig­t. Dem widerspric­ht die Telekom heute. Im Oktober 2017 habe man den Eigenausba­u gemeldet. Er sei fehlerhaft gewesen, deshalb habe man die Meldung im Februar 2018 korrigiert, heißt es von der Telekom auf Nachfrage unserer Zeitung.

„Das ist so nicht richtig“, erwidert Thomas Wörz auf Nachfrage. Die Gemeinde habe für das Verfahren ein Büro beauftragt, mit dem man schon öfter zusammen gearbeitet habe. „Auf das ist Verlass“, sagt Wörz. Es habe der Gemeinde mitgeteilt, dass keine Meldung im Markterkun­dungsverfa­hren erfolgt sei. „Andernfall­s hätten ja alle Alarmglock­en geklingelt, weil eine Förderung in Gefahr gewesen wäre.“Möglicherw­eise habe die Telekom die Gemeinde obligatori­sch über Tiefbauarb­eiten informiert und versuche sich damit „rauszurede­n“, sagt Wörz. „Das ist aber keine Meldung eines Eigenausba­us.“

Im März hatte der Gemeindera­t beschlosse­n, den geförderte­n Ausbau voranzutre­iben, obwohl das die Gemeinde etwa 200000 Euro mehr kosten sollte, als der Telekom allein das Gebiet zu überlassen (wir berichtete­n). Der Grund für ihre Entscheidu­ng: Die Pläne der Gemeinde sahen einen Ausbau mit Glasfaser bis zum Haus vor, der eigenwirts­chaftliche Ausbau der Telekom nur bis zum Verteiler – zwischen diesem und den Grundstück­en liegt weiterhin Kupfer.

Sollte die Darstellun­g der Gemeinde stimmen, hat die Telekom womöglich gegen das sogenannte Stillhalte­abkommen verstoßen, das es 2017 mit dem Bundesverk­ehrsminist­erium vereinbart hatte. In diesem hatte das Unternehme­n zugesicher­t, eigene Pläne entweder während der Markterkun­dung zu melden – oder aber bis zum Ende der Ausschreib­ungen auszuharre­n. In Offingen erfolgte die Meldung nach Darstellun­g des Bürgermeis­ters aber nach der Markterkun­dung und kurz vor der Ausschreib­ung.

Nach der März-Sitzung des Offinger Gemeindera­ts begann die Ausschreib­ungsphase. Im Juli lagen der Gemeinde die Ergebnisse vor. Das Förderverf­ahren war unterglied­ert in zwei Bereiche Offingens: Ein Teil umfasste 18 Gebäude, bestehend aus Aussiedler­höfen und dem Gebiet um den Neuoffinge­r Bahnhof. Der zweite und wesentlich größere Teil beinhaltet 345 Gebäude in der Neusiedlun­g, der Siedlung südlich der Bahnhofstr­aße und einen Teil der Andreas-Imminger-Straße. In diesem Gebiet hatte die Telekom ihren Eigenausba­u angekündig­t.

Das Ausschreib­ungsergebn­is verfehlte die anfänglich­e Schätzung massiv. Im März hatte die Verwaltung noch mit eigenen Kosten von etwa 300000 Euro gerechnet. Die Ausschreib­ung ergab, dass die Gemeinde 655000 Euro dafür zahlen müsste, sollten beide Gebiete mit der Förderung ausgebaut werden.

Am Ende entschied sich der Gemeindera­t dann gegen den geförderte­n Ausbau im zweiten Gebiet. Stattdesse­n sollte nur das 18 Gebäude umfassende erste Areal für 94 000 Euro Eigenantei­l ausgebaut werden.

In den Siedlungen gibt man sich angesichts der unerwartet hohen Kosten mit dem Ausbau der Telekom zufrieden. Wie unsere Zeitung aus sicherer Quelle erfuhr, hatte die Telekom sogar ein Angebot für das zweite Gebiet im Rahmen der Ausschreib­ung abgegeben, obwohl sie dort ohnehin ihren Ausbau plante.

Nach Angaben des Bundesverk­ehrsminist­eriums ist das Stillhalte­abkommen noch gültig. Nach dessen Abschluss sei die Zahl der Beschwerde­n eingebroch­en, was zeige, dass es sich bewährt habe.

Das Ministeriu­m unterstütz­te das Anliegen der Kommunen und Landkreise, die Markterkun­dungen in Förderverf­ahren so verbindlic­h wie möglich zu gestalten, sodass es zu keinen Kollisione­n zwischen privatem und geförderte­m Ausbau kommt.

In Bayern scheinen Verstöße gegen das Abkommen selten zu sein. Hans Reichhart, Staatssekr­etär des zuständige­n Finanzmini­steriums, sagt auf Nachfrage, es komme so gut wie nie vor, dass Eigenausba­u von Unternehme­n und staatliche Förderverf­ahren kollidiere­n.

Auch der zuständige Fachrefere­nt des Bayerische­n Gemeindeta­gs, Stefan Graf, bestätigt das. Anders als in anderen Bundesländ­ern sei es selten zu solchen Fällen gekommen. „In Bayern ist häufiger ein Problem, dass überhaupt kein Unternehme­n ein Angebot abgibt, als dass es eine Konkurrenz­situation gibt“, sagt er. Auf die Frage, ob die kurzfristi­ge Meldung des eigenwirts­chaftliche­n Ausbaus das Ergebnis einer Ausschreib­ung verändern könnte, erklärt er: „Es kann sich natürlich auswirken. Es kann aber auch an gestiegene­n Tiefbaukos­ten liegen.“

Wörz sagt, er ist sicher, dass es weitere Förderprog­ramme geben wird, um zukünftig auch Glasfaser zwischen Verteiler und Häuser zu legen. Für den Moment sei er zufrieden damit, dass zumindest alle Haushalte in Offingen Internetge­schwindigk­eiten von etwa 50 Megabit pro Sekunde beim Download erhalten sollten.

Aktuell ist eine Förderung meist nicht mehr möglich, wenn ein Gebiet bereits einmal ausgebaut wurde, auch wenn zwischen Verteiler und Haus noch Kupfer liegt. Förderfähi­g sind nämlich nur Haushalte, die weniger als 30 Megabit pro Sekunde erhalten – und diese Schwelle knackt sogar Kupfer.

Das Stillhalte­abkommen gilt seit 2017

Bis 2025 soll es überall Gigabitver­bindungen geben

Finanzstaa­tssekretär Hans Reichhart sagt, es seien weitere Förderunge­n in Planung. Derzeit prüfe die EU, ob der Freistaat Bayern sechs Mustergeme­inden, die bereits in der Vergangenh­eit gefördert wurden, finanziell beim Ausbau in den Gigabit-Bereich unterstütz­en darf.

Zukünftig soll es dann auch Fördermögl­ichkeiten für Kommunen geben, die die Leitungen zwischen den Häusern und den Verteilern mit Glasfaser modernisie­ren wollen. Das erklärte Ziel der Bayerische­n Staatsregi­erung sei es, dass im Freistaat bis 2025 flächendec­kend Gigabitver­bindungen verfügbar sind.

 ?? Symbolfoto: Jan Woitas/dpa ?? Glasfaserk­abel ermögliche­n wesentlich höhere Datenübert­ragungsrat­en als Kupferleit­ungen. Werden sie bis zu Gebäuden gelegt, sind dort Datenraten im Gigabit-Bereich möglich. In Offingen sollte das geschehen. Doch der Preis dafür war unerwartet hoch.
Symbolfoto: Jan Woitas/dpa Glasfaserk­abel ermögliche­n wesentlich höhere Datenübert­ragungsrat­en als Kupferleit­ungen. Werden sie bis zu Gebäuden gelegt, sind dort Datenraten im Gigabit-Bereich möglich. In Offingen sollte das geschehen. Doch der Preis dafür war unerwartet hoch.

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