Offingen: Das Internet wird langsamer als erhofft
Die Gemeinde plante, 400 Häuser mit Glasfaser zu versorgen. Zum Teil wird daraus nichts. Die Telekom sagt, sie habe keine Vereinbarung gebrochen. Was das bedeutet
Offingen Alle Häuser in Offingen sollten ans Breitbandnetz angeschlossen werden. Das hatte der Gemeinderat Anfang des Jahres beschlossen. In Teilen der Gemeinde war das bereits passiert, jetzt sollte der Rest, mehr als 400 Häuser, schnelles Internet erhalten. Geschehen sollte das mithilfe des bayerischen Förderprogramms. Das ermöglicht nicht nur bis zum Verteiler Glasfaser zu legen, wie es bis 2017 gängig war und in Offingen umgesetzt wurde, sondern bis zu den Häusern. Aber daraus wird nichts.
Zunächst müssen in dem Verfahren alle Netzbetreiber gefragt werden, ob sie einen Ausbau auf eigene Kosten planen. Die Gemeinde tat das im Herbst 2017. Kein Unternehmen hatte Vorhaben gemeldet, sagte Bürgermeister Thomas Wörz bei einer Sitzung im März. Doch dann habe die Telekom „völlig überraschend“– die Markterkundung war längst abgeschlossen – einen Eigenausbau angekündigt. Dem widerspricht die Telekom heute. Im Oktober 2017 habe man den Eigenausbau gemeldet. Er sei fehlerhaft gewesen, deshalb habe man die Meldung im Februar 2018 korrigiert, heißt es von der Telekom auf Nachfrage unserer Zeitung.
„Das ist so nicht richtig“, erwidert Thomas Wörz auf Nachfrage. Die Gemeinde habe für das Verfahren ein Büro beauftragt, mit dem man schon öfter zusammen gearbeitet habe. „Auf das ist Verlass“, sagt Wörz. Es habe der Gemeinde mitgeteilt, dass keine Meldung im Markterkundungsverfahren erfolgt sei. „Andernfalls hätten ja alle Alarmglocken geklingelt, weil eine Förderung in Gefahr gewesen wäre.“Möglicherweise habe die Telekom die Gemeinde obligatorisch über Tiefbauarbeiten informiert und versuche sich damit „rauszureden“, sagt Wörz. „Das ist aber keine Meldung eines Eigenausbaus.“
Im März hatte der Gemeinderat beschlossen, den geförderten Ausbau voranzutreiben, obwohl das die Gemeinde etwa 200000 Euro mehr kosten sollte, als der Telekom allein das Gebiet zu überlassen (wir berichteten). Der Grund für ihre Entscheidung: Die Pläne der Gemeinde sahen einen Ausbau mit Glasfaser bis zum Haus vor, der eigenwirtschaftliche Ausbau der Telekom nur bis zum Verteiler – zwischen diesem und den Grundstücken liegt weiterhin Kupfer.
Sollte die Darstellung der Gemeinde stimmen, hat die Telekom womöglich gegen das sogenannte Stillhalteabkommen verstoßen, das es 2017 mit dem Bundesverkehrsministerium vereinbart hatte. In diesem hatte das Unternehmen zugesichert, eigene Pläne entweder während der Markterkundung zu melden – oder aber bis zum Ende der Ausschreibungen auszuharren. In Offingen erfolgte die Meldung nach Darstellung des Bürgermeisters aber nach der Markterkundung und kurz vor der Ausschreibung.
Nach der März-Sitzung des Offinger Gemeinderats begann die Ausschreibungsphase. Im Juli lagen der Gemeinde die Ergebnisse vor. Das Förderverfahren war untergliedert in zwei Bereiche Offingens: Ein Teil umfasste 18 Gebäude, bestehend aus Aussiedlerhöfen und dem Gebiet um den Neuoffinger Bahnhof. Der zweite und wesentlich größere Teil beinhaltet 345 Gebäude in der Neusiedlung, der Siedlung südlich der Bahnhofstraße und einen Teil der Andreas-Imminger-Straße. In diesem Gebiet hatte die Telekom ihren Eigenausbau angekündigt.
Das Ausschreibungsergebnis verfehlte die anfängliche Schätzung massiv. Im März hatte die Verwaltung noch mit eigenen Kosten von etwa 300000 Euro gerechnet. Die Ausschreibung ergab, dass die Gemeinde 655000 Euro dafür zahlen müsste, sollten beide Gebiete mit der Förderung ausgebaut werden.
Am Ende entschied sich der Gemeinderat dann gegen den geförderten Ausbau im zweiten Gebiet. Stattdessen sollte nur das 18 Gebäude umfassende erste Areal für 94 000 Euro Eigenanteil ausgebaut werden.
In den Siedlungen gibt man sich angesichts der unerwartet hohen Kosten mit dem Ausbau der Telekom zufrieden. Wie unsere Zeitung aus sicherer Quelle erfuhr, hatte die Telekom sogar ein Angebot für das zweite Gebiet im Rahmen der Ausschreibung abgegeben, obwohl sie dort ohnehin ihren Ausbau plante.
Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums ist das Stillhalteabkommen noch gültig. Nach dessen Abschluss sei die Zahl der Beschwerden eingebrochen, was zeige, dass es sich bewährt habe.
Das Ministerium unterstützte das Anliegen der Kommunen und Landkreise, die Markterkundungen in Förderverfahren so verbindlich wie möglich zu gestalten, sodass es zu keinen Kollisionen zwischen privatem und gefördertem Ausbau kommt.
In Bayern scheinen Verstöße gegen das Abkommen selten zu sein. Hans Reichhart, Staatssekretär des zuständigen Finanzministeriums, sagt auf Nachfrage, es komme so gut wie nie vor, dass Eigenausbau von Unternehmen und staatliche Förderverfahren kollidieren.
Auch der zuständige Fachreferent des Bayerischen Gemeindetags, Stefan Graf, bestätigt das. Anders als in anderen Bundesländern sei es selten zu solchen Fällen gekommen. „In Bayern ist häufiger ein Problem, dass überhaupt kein Unternehmen ein Angebot abgibt, als dass es eine Konkurrenzsituation gibt“, sagt er. Auf die Frage, ob die kurzfristige Meldung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus das Ergebnis einer Ausschreibung verändern könnte, erklärt er: „Es kann sich natürlich auswirken. Es kann aber auch an gestiegenen Tiefbaukosten liegen.“
Wörz sagt, er ist sicher, dass es weitere Förderprogramme geben wird, um zukünftig auch Glasfaser zwischen Verteiler und Häuser zu legen. Für den Moment sei er zufrieden damit, dass zumindest alle Haushalte in Offingen Internetgeschwindigkeiten von etwa 50 Megabit pro Sekunde beim Download erhalten sollten.
Aktuell ist eine Förderung meist nicht mehr möglich, wenn ein Gebiet bereits einmal ausgebaut wurde, auch wenn zwischen Verteiler und Haus noch Kupfer liegt. Förderfähig sind nämlich nur Haushalte, die weniger als 30 Megabit pro Sekunde erhalten – und diese Schwelle knackt sogar Kupfer.
Das Stillhalteabkommen gilt seit 2017
Bis 2025 soll es überall Gigabitverbindungen geben
Finanzstaatssekretär Hans Reichhart sagt, es seien weitere Förderungen in Planung. Derzeit prüfe die EU, ob der Freistaat Bayern sechs Mustergemeinden, die bereits in der Vergangenheit gefördert wurden, finanziell beim Ausbau in den Gigabit-Bereich unterstützen darf.
Zukünftig soll es dann auch Fördermöglichkeiten für Kommunen geben, die die Leitungen zwischen den Häusern und den Verteilern mit Glasfaser modernisieren wollen. Das erklärte Ziel der Bayerischen Staatsregierung sei es, dass im Freistaat bis 2025 flächendeckend Gigabitverbindungen verfügbar sind.