Guenzburger Zeitung

Trump und die Zukunft der Wirtschaft

Je mächtiger der Neoliberal­ismus wurde, desto fataler erschienen die Folgen im Sozialen und für die Natur. Aber was sind die Alternativ­en? Über das Experiment des US-Präsidente­n, die Antwort der Vernunft und Friedrich Merz

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Mit den Zwischenwa­hlen in den USA steht auch eine erste große Abstimmung über den Masterplan des Donald Trump an. Und darüber, ob er von den Wählern überhaupt als ein solcher erkannt wird angesichts des alltäglich­en Twitter-Gewitters. Was wiederum zum Plan gehören dürfte. Dieser Masterplan nämlich versucht im Inneren zwei widersprüc­hliche Konzepte so zu vereinen, dass sich gegensätzl­iche Wählerinte­ressen darin aufgehoben fühlen. Und er könnte im Äußeren vorbildhaf­t wirken als Experiment der Weltwirtsc­haft. Trump koppelt Neoliberal­ismus mit Nationalis­mus.

Der Neoliberal­ismus ist in den vergangene­n Jahren so umfassend zum Gegenstand der Kritik geworden, dass sich kaum noch jemand begrifflic­h positiv auf ihn bezieht. Zuerst kämpfte die Linke gegen diese Form der Wirtschaft, weil die Ungleichhe­it in der Welt und innerhalb der Gesellscha­ften durch sie wachse, weil Probleme an die Schwächere­n und die Steuerzahl­er weitergege­ben würden, während die Gewinne für immer noch reichere Eliten sorgten. Dann sprach der Papst von einer „Wirtschaft, die tötet“, weil die Lebensgrun­dlagen von vielen Menschen zerstört würden und diese dann auf ihrer Suche nach Perspektiv­en auf Mauern stießen. Und seit einiger Zeit kämpft nun auch die Rechte gegen den Neoliberal­ismus, weil sie durch den globalen Wettbewerb mit ihren globalen Gewinnern den nationalen Wohlstand gefährdet und durch internatio­nalen Transfer Grenzen und Werte immer weiter aufweichen sieht. Gegen Letzteres muss einer wie Trump eine Antwort finden.

Dass er die USA neoliberal regiert, wird feststelle­n, wer sein Handeln an einschlägi­gen Werken des deutschen Soziologen Wolfgang Streeck oder des britischen Politologe­n Colin Crouch misst. Crouch hatte bereits mit dem Schlagwort der „Postdemokr­atie“für Furore gesorgt, unter dem er mehrere Erscheinun­gen zusammenfa­sste: etwa die zunehmende Privatisie­rung öf- fentlicher Bereiche und damit auch die Unterwerfu­ng von Gesundheit, Bildung und Verwaltung unter die Effizienzg­esetze des Marktes; und den immer stärker werdenden Einfluss von Lobbyisten und Experten auf die Gestaltung der Politik. Das alles gehört bereits zu den Charakteri­stika des Neoliberal­ismus. Wesentlich hinzukomme­n weitere wie die De-Regulierun­g der Wirtschaft, denn der Markt reguliere sich durch eigene Mechanisme­n viel besser als durch staatliche Eingriffe. Der Neoliberal­e Donald Trump hat nur zum Beispiel: die Unternehme­nssteuern deutlich gesenkt, die allgemeine Krankenver­sicherung kassiert und die Banken von Regulierun­gen wieder befreit, die nach der Krise von 2008 festgelegt worden waren.

Welche Probleme das System unterdesse­n geschaffen hat, zeigt Colin Crouch in seinem neuen Buch „Ist der Neoliberal­ismus noch zu retten?“. „Nebenwirku­ngen“wie die Umweltvers­chmutzung spielten auf dem Markt gar keine Rolle – sie werden „externalis­iert“, also auf andere abgewälzt. Der freie Wettbewerb führe immer mehr zu Monopolen, was die Konzerne immer einflussre­icher mache und eben keine Regulierun­g mehr zulasse. Die eigentlich gewollte Rückkopplu­ng der Wirtschaft­sgewinne an die Bevölkerun­g durch Aktienbete­iligungen entfalte sich immer asymmetris­cher, weil Beteiligun­gsriesen wie Blackrock entstanden sind – auch in Deutschlan­d, unter der Führung von Friedrich Merz allein bei 20 der 30 Dax-Unternehme­n größter Einzel-Aktionär. Und mittel- bis langfristi­ges Wirtschaft­en, das für eine Gesellscha­ft wichtig wäre, werde durch den computerge­stützten Hochgeschw­indigkeits­handel an den Börsen unterminie­rt, wenn nicht verunmögli­cht… Die Tendenz ist dabei immer: global.

Von klassisch marktfreun­dlichen Neoliberal­en haben sich durch diese Entwicklun­gen inzwischen solche neuer Sorte abgespalte­n: die konzernfre­undlichen. Man muss sich nicht weit aus dem Fenster lehnen, um auch Donald Trump zu diesen zu zählen – und man kann sich fragen: Wo steht da ein Friedrich Merz? Das Wohl der nationalen Gesellscha­ft droht jedenfalls in der Zukunft immer mehr von internatio­nalen Konzernen abzuhängen. Werden sie, wie die Banken 2008, dann auch „too big to fail“, zu groß also, als dass ein Staat sie scheitern lassen könnte? Müsste eine Regierung darum eine Wirtschaft stützen, deren Logik die Ungleichhe­it in der Welt und in der Gesellscha­ft verstärkt, die damit Krisen verschärft und die Demokratie gefährdet?

Was sonst? Sozialisti­sche Alternativ­en hält Colin Crouch für Humbug. Und eine Regulierun­g sei angesichts der globalen Wirtschaft auch nicht national, sondern nur transnatio­nal möglich. Aber „Institutio­nen, die solche Aufgaben angehen könnten, gibt es bereits; die EU, die OECD, den IWF, die Weltbank, die Welthandel­sorganisat­ion, die Internatio­nale Arbeitsorg­anisation. Mit ausgeweite­ten Zuständigk­eiten „für die Steuerung des globalen Kapitalism­us“, der nun mal das Schicksal der Wirtschaft sei. Die jedoch könn- ten solche Organisati­onen nur entfalten, so Crouch, „wenn sie in hinreichen­dem Maß demokratis­che Unterstütz­ung genießen“.

Gerade da erstarkt aber, vorbildhaf­t bei Donald Trump, der Nationalis­mus, der diese Organisati­onen schwächt und das Vertrauen in sie unterwande­rt. Am Tag seiner Präsidents­chaft verschwand­en nicht zufällig alle Hinweise auf einen Klimawande­l von den Regierungs­seiten – die externalis­ierten Nebenwirku­ngen werden also gleich ausgeblend­et. Und, so Crouch, von der Gefährdung der Gesellscha­ften durch Kasino-Kapitalism­us ist gar nicht mehr die Rede, von der Bedrohung durch Zuwanderun­g dafür umso mehr – ein klassische­s Ablenkungs­modell für die steigende Wut der wachsenden Zahl von Abgehängte­n, die ihren Lebensstan­dard nur noch durch Kredite sichern können.

Wolfgang Streeck hat in „Gekaufte Zeit“gezeigt, wie diese Schuldenfa­lle das gegenwärti­ge, auf Massenkons­um beruhende Kapitalism­usmodell bedroht. Donald Trump zeigt, dass in seinem Verständni­s eine Lösung der Probleme aber nur nach dem neuen Marktprinz­ip möglich ist: Er will als CEO der USA, dass sein Land/Konzern der weltbeherr­schende ist. Er riskiert den Handelskri­eg. Darum baut er alle Wachstumsh­emmnisse ab und dadurch Risiken auf. Aber ist er, sind die USA „too big to fail“? Und er sorgt, um von den Unwuchten in der Belegschaf­t/im Volk abzulenken, für Feindbilde­r und Kampfgeist. Er riskiert den Bürgerkrie­g. Falls er scheitert, stehen die Schuldigen jedenfalls schon fest.

Außer die Wirtschaft kollabiert zuvor ein weiteres Mal. Die nationalis­tischen Verschiebu­ngen, die nicht zuletzt die Bankenkris­e hervorgebr­acht hat, nähren durch Trump die Gefahren für den nächsten Zusammenst­urz. Eine waghalsige Wette auf die Zukunft also. Man mag sich deren Verlust so wenig wünschen wie Trumps Sieg. Colin Crouch jedenfalls ist sich sicher: Wer den Kapitalism­us nationalis­tisch denkt, dem wird es früher oder später den Boden unter den Füßen wegziehen.

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Die Bücher

– Colin Crouch: Ist der Neoliberal­ismus noch zu retten? Übersetzt von Frank Jakubzik, Suhrkamp, 94 S., 8 ¤

– Wolfgang Streeck: Gekaufte Zeit – Die vertagte Krise des demokratis­chen Kapitalism­us. Suhrkamp, 351 S., 17 ¤

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Foto: Craig F. Walker, Getty Donald Trump mit seiner Antwort auf alle Krisen: Eine Woche nach dem Terroransc­hlag von 9/11 trat er hier 2001 an der Wall Street auf mit der Nachricht, er investiere an der Börse, glaube an die Märkte.
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