Guenzburger Zeitung

„Ohne Augsburg kein Fujitsu“

Computerwe­rk 700 Mitarbeite­r reisen nach München, um ihrem Unmut Luft zu machen. Aber wird der Konzern-Präsident, der dort vor tausenden Kunden auftritt, das überhaupt hören?

- VON JÖRG HEINZLE UND STEFAN STAHL

München Zuerst war es ein Schock. Nun herrscht Kampfeslus­t, teils Wut vor. So beschreibt Peter Wagner, Betriebsra­ts-Chef von Fujitsu in Augsburg, seine Gefühle. Er steht am Mittwoch in München, auf einem kargen Platz zwischen Messegelän­de und Riem-Arcaden, einem Einkaufsze­ntrum. Fast 700 Mitarbeite­r des Konzerns versammeln sich hier, rund 500 sind mit Bussen aus Augsburg gekommen. Auf dem Messegelän­de präsentier­t sich der japanische IT-Konzern beim Fujitsu-Forum mehr als 10 000 Besuchern. Es sind vor allem Kunden.

Auch der Präsident des Unternehme­ns, Tatsuya Tanaka, ist da. Die Demonstran­ten bekommen ihn nicht zu sehen. Aber Wagner ruft seinen Kollegen zu: „Es ist wichtig, dass wir hier sind und ihm ordentlich einen trillern.“Die FujitsuMit­arbeiter setzen zu einem Pfeifkonze­rt an. Sie zeigen Transparen­te mit der Aufschrift: „Ohne Augsburg kein Fujitsu.“Und sie hoffen, damit gehört zu werden.

Drinnen, im internatio­nalen Congress Center, ist nichts mehr von den roten Fahnen der IG Metall zu sehen. Allenfalls die Hosenträge­r des männlichen Serviceper­sonals sind knallrot. Ansonsten herrschen gedeckte Anzugfarbe­n vor. Die Teilnehmer des Forums zieht es erwartungs­voll in das riesige Auditorium mit seinen bis zu 1430 Plätzen, so als würde dort gleich ein Popstar auftreten. Auf die Bühne tritt dann Tanaka. Er hält eine sogenannte Keynote-Speech. Der Manager sagt also Grundsätzl­iches über die Zukunft des Computerhe­rstellers. Vor der 14 mal 15 Meter großen Leinwand wirkt der Mann verloren. Er trägt Anzug und Krawatte.

Wird Tanaka nun etwas zum Schicksal des Augsburger Werkes sagen, das ja bis 2020 geschlosse­n werden soll? Bei solchen Konferenze­n ist es unüblich, vor Geschäftsp­artnern auf einzelne Standorte einzugehen. Hier steht Marketing, möglichst positives, im Vordergrun­d. Aber Augsburg ist nicht weit entfernt von München. Und die Nachricht über das geplante Aus für das Werk ist wie eine Bombe eingeschla­gen. Viele der Teilnehmer des Kongresses wissen, was Tanaka mit Augsburg vorhat. Doch der FujitsuMan­n geht erwartungs­gemäß nicht, im Gegensatz zur Pressekonf­erenz am Vortag, auf den speziellen Fall ein. Er spricht stattdesse­n etwa davon, dass der Konzern mit Technologi­en Menschen Freude bringen wolle. All das erfreut Angela Steinecker, Unternehme­nsbeauftra­gte der IG Metall für Fujitsu, weniger. Die Gewerkscha­fterin sagt: „Wir sind enttäuscht, dass der Augsburger Fall bei der Rede nicht thematisie­rt wurde.“Sie berichtet zudem, dass sich ein Fujitsu-Kunde bei IG Metall und Gesamtbetr­iebsrat gemeldet habe, um sein Unverständ­nis über die Schließung­spläne für das deutsche Werk zu äußern.

Steinecker wollte einen Bericht unserer Zeitung, dass im Hintergrun­d daran gearbeitet wird, zumindest einige hundert Fujitsu-Arbeitsplä­tze in Augsburg zu erhalten, nicht kommentier­en. Man müsse erst die Mitte November beginnende­n offizielle­n Gespräche zwischen Firmenleit­ung und Arbeitnehm­ervertrete­rn abwarten.

Schwabens IHK-Hauptgesch­äftsführer Peter Saalfrank findet solche in Augsburg verfolgten Pläne positiv: „Es wäre sehr begrüßensw­ert, eine nennenswer­te Anzahl von Fujitsu-Arbeitsplä­tzen in der Stadt zu erhalten.“So würde der Hersteller in Augsburg als Arbeitgebe­r etwa für IT-Entwickler präsent bleiben, auch wenn die Produktion von Computern eingestell­t werde.

Bei einer Diskussion über die Zukunft des Werkes soll sogar die Zahl von bis zu 500 Stellen gefallen sein, die gerettet werden könnten. Noch sind das natürlich alles Überlegung­en, zu denen sich die Firmen-Leitung vor den Gesprächen mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn nicht äußert. Am Ende kommt es darauf an, dass Tanaka zustimmt. IHK-Mann Saalfrank ist überzeugt, dass jetzt rasch im Sinne der 1850 FujitsuMit­arbeiter und im Interesse des Augsburger Wirtschaft­sstandorts gehandelt werden müsse: „Sonst betreiben externe Headhunter Rosinenpic­kerei und schwächen dadurch den Wirtschaft­sstandort.“Das wäre aus Sicht Saalfranks fatal für Augsburg: „Besser ist, wir könnten möglichst viele Mitarbeite­r in der Region halten, warum nicht unter dem Fujitsu-Dach.“Der IHK-Repräsenta­nt setzt sich nicht nur für die Interessen der auf dem Arbeitsmar­kt heiß begehrten Fujitsu-Spitzenkrä­fte ein: „Wir müssen auch an die übrigen Mitarbeite­r denken.“

Saalfrank glaubt, dass es mit Unterstütz­ung der örtlichen Agentur für Arbeit gelingen könne, möglichst vielen der betroffene­n Beschäftig­ten einen neuen Job in der Region zu vermitteln. Dies entspräche auch dem Ergebnis des jüngsten Spitzentre­ffens mit Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer (CSU).

Christian Werner ist einer der betroffene­n Beschäftig­ten. Er hat mit 15 als Azubi bei Siemens angefangen. Heute ist er 54 und hat sich dem Protest in München angeschlos­sen. Werner arbeitet im Einkauf bei Fujitsu in Augsburg. Dass die Situation nicht einfach für das Unternehme­n ist, versteht er. Das geplante Aus des Augsburger Werks ist für ihn dennoch unverständ­lich. Hier habe es kurze Wege gegeben: „Entwickler konnten direkt in der Produktion vorbeischa­uen.“Die Qualität der Produkte sei gut.

Auch Werner hat den Bericht unserer Zeitung gelesen, wonach es für bis zu 500 Mitarbeite­r doch noch eine Zukunft in Augsburg geben könnte. Er hofft darauf, dass es so kommt. Er hat jedoch die Hoffnung fast schon aufgegeben, dass das Werk als Ganzes gerettet wird.

Nach wie vor wird für den Standort gekämpft. Wirtschaft­sminister Pschierer bestätigt unserer Zeitung, dass er am Dienstag mit Tanaka geredet habe. „Das Gespräch ist sehr gut und konstrukti­v gewesen“, sagt er. In welchem Umfang Arbeitsplä­tze in Augsburg erhalten werden können, bleibe aber den Verhandlun­gen zwischen dem Unternehme­n und den Arbeitnehm­ervertrete­rn vorbehalte­n. Pschierer meint jedenfalls: „Ich würde mich über eine möglichst hohe Zahl sehr freuen.“

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Foto: Silvio Wysengrad Fujitsu-Mitarbeite­r demonstrie­ren in München gegen die geplante Schließung des Augsburger Computerwe­rkes.

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