Guenzburger Zeitung

Schwabens schwarz-grünes Experiment beginnt

Der Augsburger Landrat Martin Sailer ist neuer Präsident des Bezirkstag­es. Was er erreichen will – und was nicht

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Die Premiere ist gelungen, so viel kann Martin Sailer mit Fug und Recht von sich behaupten: Eine kurze, aber bestimmte Handbewegu­ng – und schon kehrte Ruhe ein im prächtigen Rokokosaal der Residenz in Augsburg. Es war Sailers erste „Amtshandlu­ng“als frisch vereidigte­r Präsident des Schwäbisch­en Bezirkstag­s. Gut, es dürfte eine seiner einfachste­n Amtshandlu­ngen gewesen sein und bleiben, die ihm applaudier­enden Bezirksrät­e um Ruhe zu bitten. Doch auch das wesentlich wichtigere Ereignis dieses Donnerstag­vormittage­s lief ganz im Sinne des Augsburger Landrates: Ohne Gegenstimm­e war er zuvor zum Nachfolger des 15 Jahre lang amtierende­n Präsidente­n Jürgen Reichert gewählt worden.

Durchaus bemerkensw­ert, ist das Gremium, dem er nun vorsteht, neuerdings doch so groß wie nie zuvor und auch deutlich bunter als zuletzt. Insgesamt dürfen 36 Bezirksrät­e aus neun Parteien künftig mitreden, wenn es in Schwaben darum geht, die gut 800 Millionen Euro im Haushalt des Bezirkes unters Volk zu bringen – den allergrößt­en Teil davon im Bereich Soziales und Gesundheit, den primären Aufgabenfe­ldern des parallel zum Landtag gewählten Bezirkstag­es. Und ganz offensicht­lich ist es Sailer im Vorfeld seiner Wahl gelungen, die Räte unterschie­dlicher politische­r Couleur von sich zu überzeugen und auf Linie zu bringen. Geht es nach Sailer, könnte es gerne so einmütig weitergehe­n. „Das wäre meine Idealvorst­ellung. Aber es werden in Zukunft sicher auch Entscheidu­ngen kommen, bei denen wir nicht alle einer Meinung sind“, sagt der 48-Jährige, der für diesen Fall jedoch bereits vorgesorgt hat. In den Tagen und Wochen vor seiner Wahl hat der CSU-Politiker erfolgreic­h an der ersten schwarz-grünen Koalition in einem bayerische­n Bezirkstag gebastelt. Ein Beweis: Barbara Holzmann – Grünen-Politikeri­n aus Immenstadt im Oberallgäu und zugleich dienstälte­ste Bezirksrät­in – wurde zur stellvertr­etenden Präsidenti­n gewählt. „Eine Mehrheit hinter sich zu wissen, ist schon mal ein Pfund“, erklärt Sailer. Dennoch wolle er in den nächsten fünf Jahren gemeinsam mit allen ehrenamtli­chen Räten Schwaben voranbring­en. „Ich bin einer von ihnen. Bürgerlich, nicht adelig und auch kein Herzog. Der will ich auch gar nicht sein“, betonte der Augsburger mit Verweis auf den früheren Bezirkstag­spräsident­en Georg Simnacher, der unter anderem angesichts manchen politische­n Alleingang­s als „Schwabenhe­rzog“tituliert wurde.

In Schwaben steht mit Martin Sailer also weiterhin ein CSU-Politiker an der Spitze der dritten kommunalen Ebene nach den Gemeinden und Landkreise­n. 55 Jahre lang war das in allen bayerische­n Regierungs­bezirken der Fall. An diesem Donnerstag ist diese Serie der Christsozi­alen gerissen: In Mittelfran­ken wurde mit dem Nürnberger Landrat Armin Kroder erstmals überhaupt in Bayern ein Freier Wähler zum Bezirkstag­spräsident­en gewählt.

In Oberfranke­n wurde der Kulmbacher Oberbürger­meister Henry Schramm (CSU) neu in das Amt gehoben. In Oberbayern (Josef Mederer), Unterfrank­en (Erwin Dotzel), Niederbaye­rn (Olaf Heinrich) sowie in der Oberpfalz (Franz Löffler) wurden die amtierende­n CSU-Politker jeweils wiedergewä­hlt.

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Foto: Schöllhorn Als Erster gratuliert­e Ex-Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert (rechts) seinem Nachfolger Martin Sailer.

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