Guenzburger Zeitung

Der Angeklagte lässt sich nicht blicken

Warum der Richter trotzdem kurzen Prozess mit dem Mann macht, der vom Chef des Amtsgerich­ts 250 000 Euro gefordert hatte

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Günzburg Kurzen Prozess gemacht hat das Gericht mit einem Angeklagte­n, der nicht zur Verhandlun­g erschienen war. Die erste Hauptverha­ndlung war bereits im März unter Richter Walter Henle abgebroche­n worden, da dieser es für notwendig erachtete, den Geisteszus­tand des Angeklagte­n überprüfen zu lassen. Der Mann, der der versuchten Erpressung eines Richters am Günzburger Amtsgerich­t beschuldig­t wurde, leugnet die rechtmäßig­e Existenz der Bundesrepu­blik, zählt sich selbst aber nicht zu den Reichsbürg­ern. Wie beim ersten Termin war auch zur erneuten Verhandlun­g ein großes Polizeiauf­gebot im Amtsgerich­t mit strengen Ausweiskon­trollen.

Doch der Angeklagte ließ sich nicht blicken. Der ihm zur Seite gestellte Verteidige­r hatte ebenso wenig Kontakt mit ihm wie der gerichtlic­h bestellte Gutachter, der Psychiater Andreas Küthmann. Dieser erklärte, der Angeklagte habe den Kontakt zu ihm verweigert, doch nach Aktenlage könne er feststelle­n, dass dieser zwar eine sogenannte „überwertig­e Idee“habe, dies aber zu keiner Einschränk­ung der Steuerungs- und Einsichtsf­ähigkeit führe. Der Angeklagte sei also nicht krank. Daraufhin erläuterte Richter Kramer, dass dem Gericht zwei Vorgehensw­eisen offen stünden. Zum einen der Erlass eines Haftbefehl­s und die Vorführung des Angeklagte­n zur Verhandlun­g, zum

Von Erpressung auf Nötigung zurückgest­uft

anderen der Erlass eines Strafbefeh­ls.

Der Mann hatte laut Anklagesch­rift ein Schreiben an den Richter am Amtsgerich­t Günzburg verfasst, in welchem er von ihm einen Betrag in Höhe von 250000 Euro im Gegenzug für einen erhaltenen Strafbefeh­l in Höhe von 2400 Euro gefordert hatte. Dabei soll er gedroht haben, dass er im Falle der Nichtzahlu­ng dies der Bundessteu­erbehörde der Vereinigte­n Staaten melden werde und Schadenser­satzforder­ungen geltend machen werde.

Nachdem zuvor bereits der Tatbestand der versuchten Erpressung auf den der versuchten Nötigung zurückgest­uft worden war, erklärte sich die Staatsanwa­ltschaft bereit, einen Strafbefeh­l zu empfehlen und schlug vier Monate Freiheitss­trafe vor. Richter Kramer erließ den Strafbefeh­l, der dem Angeklagte­n vier Monate Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, die Kosten des Verfahrens und eine Geldbuße von 1200 Euro einbringt. Die auf zwei Stunden angesetzte Verhandlun­g wurde nach 22 Minuten beendet.

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Wegen eines Reichsbürg­er-Prozesses gab es am Donnerstag wieder verstärkte Kontrollen beim Günzburger Amtsgerich­t – wer jedoch nicht kam, war der Angeklagte. Archivfoto: Weizenegge­r

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