Guenzburger Zeitung

„Ohne Quote geht es nicht“

Was ist geblieben vom Merkel-effekt? Nicht viel, sagt Politikwis­senschaftl­er Lars Holtkamp. Er erklärt, warum es Frauen in der Politik oft schwer haben – gerade in Bayern

- Von Stephanie Sartor

13 Jahre ist es her, dass Angela Merkel Kanzlerin wurde. Damals hatte man das Gefühl, dass das jetzt ein richtiger Aufschwung für Frauen ist, die in der Politik Karriere machen wollen. Was ist von dieser Euphorie geblieben?

Lars Holtkamp: Tja, ob das überhaupt so eine Euphorie gewesen ist, weiß ich nicht. Wir haben viele Interviews geführt und immer wieder festgestel­lt, dass die Parteifunk­tionäre der CDU meinten, dass sie damit ihren Beitrag für die Gleichbere­chtigung geleistet hätten. Mit anderen Worten: Was wollt ihr eigentlich von uns? Wir haben die erste Kanzlerin gemacht.

Das heißt, es gab zwar eine Frau an der Spitze, aber weiter unten ist alles beim Alten geblieben?

Holtkamp: Ja, es hat sich kaum was geändert. Wobei das Bundeskabi­nett in den letzten Jahren dann doch etwas gleichbere­chtigter aufgestell­t war.

In Bayern ist die Frauenquot­e im Landtag weiter gesunken. Aktuell sind es noch 26,8 Prozent. Warum haben es Frauen so schwer?

Holtkamp:

Da muss man nach Partei- en differenzi­eren. Und dementspre­chend wie das Parteierge­bnis ist, kann man auch schnell auf die Frauenante­ile des Landtages kommen. Das heißt, die Parteien, die rechtskons­ervativ sind, haben in der Regel keine Frauenquot­en. Wenn diese Parteien insgesamt einigermaß­en gut abschneide­n – und das war ja in Bayern mit CSU, Freie Wähler und FDP der Fall –, hat man in der Regel auch einen niedrigere­n Frauenante­il im Landtag, als wenn jetzt zum Beispiel SPD und Grüne die Mehrheit gestellt hätten.

Also: Je konservati­ver eine Partei, desto weniger Chancen haben Frauen?

Holtkamp: Im Prinzip ist das so. Es ist da schwierige­r, weil es keine Quoten gibt. Und häufig wollen die Frauen in diesen Parteien selbst auch keine Quote, weil sie das als diskrimini­erend empfinden. Obwohl das eigentlich eine Hilfskrück­e ist, um in Richtung Parität zu kommen. Und so stehen die Frauen untereinan­der in einem extremen Wettbewerb.

Das heißt, Frauen machen es sich selbst oft schwer?

Holtkamp: Ja. Gerade die konservati­ven Frauen machen es sich selbst schwer. Und es gibt bei ihnen nicht so eine große Solidaritä­t wie in anderen Parteien.

Sie hatten das Thema gerade angesproch­en: Braucht es Ihrer Ansicht nach eine verpflicht­ende Frauenquot­e?

Holtkamp: Im Prinzip ja. Denn wir sehen jetzt schon seit 20 Jahren eine Stagnation – sowohl im Bundestag als auch in den Landtagen. Wir haben immer so um die 30 Prozent – Bayern ist noch etwas schlechter. Und diese Zahl ergibt sich aus den freiwillig­en Parteiquot­en. Erst haben es die Grünen gemacht und die SPD hat nachgezoge­n. Dann kam die Linke noch dazu. Aber bei den anderen tut sich nichts. Wer den Frauenante­il im Landtag erhöhen will, der muss eben Parteien, die etwas konservati­ver sind und nichts von der Quote halten, dazu zwingen, dass sie es tun müssen.

Welche Möglichkei­ten sehen Sie neben einer verpflicht­enden Frauenquot­e noch, um den Anteil weiblicher Politikeri­nnen in Landtagen und im Bundestag zu erhöhen?

Holtkamp: In den Parteien kann man natürlich auch Frauenförd­erung machen. Etwa Tandems mit erfahrenen Abgeordnet­en. Aber damit wird man den Frauenante­il nicht groß erhöhen. Die Quote ist aus meiner Sicht das härteste, aber auch das effektivst­e Instrument.

Vergleicht man den Frauenante­il in den Länderparl­amenten, schneidet Bayern ziemlich schlecht ab. Nur in vier anderen Bundesländ­ern ist der Anteil noch niedriger. In Thüringen dagegen deutlich höher. Warum gibt es da so große Unterschie­de?

Holtkamp: Da geht es wieder darum, wo eher linke Parteien stark sind. In Thüringen ist zwar auch die CDU stärkste Kraft, aber die Linke ist auf Platz zwei.

Auffällig ist, dass hohe politische Ämter nicht mit Frauen besetzt werden. Es gibt in ganz Deutschlan­d nur zwei Ministerpr­äsidentinn­en. Auch im bayerische­n Kabinett wird die Zahl der Ministerin­nen wohl niedrig sein.

Holtkamp: Ein Grund ist, dass Frauen es sich selbst nicht so leicht zutrauen, einen wichtigen politische­n Job auszuüben. Sondern sie überlegen, ob sie das Ressort eines Ministeriu­ms übernehmen können – was ja auch richtig ist. Männer hingegen überlegen da nicht. Die sagen: Ich kann jedes Ministeriu­m übernehmen. Und wenn man da als Frau nicht am Ball bleibt, dann ist der Stürmer schon unterwegs und schießt sein Tor.

Es liegt also auch daran, dass Frauen oft zurückhalt­ender sind und auch keine Lust auf Machtspiel­chen haben?

Holtkamp: Genau. Es sind diese Machtspiel­chen, die vielen Frauen nicht gefallen. Und dann gibt es so etwas wie homosozial­e Kooptation. Das heißt: Männer fühlen sich unter Männern etwas wohler. Sie glauben, dass dann die Kommunikat­ion unkomplizi­erter ist. So entstehen solche alten Männerrieg­en – und die ziehen eigentlich wieder nur junge Männer nach sich.

Wird eine Politikeri­n als ein Politiker?

anders

gesehen

Holtkamp: Es werden ihr oft in anderen Politikfel­dern Kompetenze­n zugetraut. Also vor allem in den Bereichen Soziales, Jugend, Familie. Das ist noch immer an der alten Geschlecht­errolle aufgehängt. Die harten Geschichte­n übernehmen gerne die Männer.

In der Wirtschaft wird ein niedriger Frauenante­il oft mit der Unvereinba­r- keit von Job und Familie erklärt. Gilt dieses Argument in der Politik auch?

Holtkamp: Klar, das spielt natürlich eine Rolle. Aber bei diesen Argumenten muss man immer sehen: Ja, da fallen bestimmte Frauen raus aus dem Raster. Aber es gibt mehr als genügend Frauen, die für den Landtag kandidiere­n würden. Das ist doch ein brillanter Job. Es kann nicht die Erklärung sein, dass alle Frauen aufgrund dieser Unvereinba­rkeit von Beruf und Familie nicht in die Politik kommen können.

Jenseits der großen Politik: Wie sieht es mit der Repräsenta­tion von Frauen in der Kommunalpo­litik aus?

Holtkamp: In den Großstädte­n Bayern eigentlich schon ganz gut. Zumindest, was die Ratsmitgli­eder angeht. Aber das lässt nach, wenn die Kommunen kleiner werden.

Warum?

Holtkamp: Es gibt da einen extrem starken Anteil an Wählergeme­inschaften, die meist auch nur einen Frauenante­il wie die CSU erreichen. Das Zweite ist, dass es in so kleinen Gemeinden schwierige­r ist, sich durchzuset­zen – sowohl in gesellscha­ftlichen Bereichen als auch in der Politik.

Wenn Sie eine Prognose wagen müssten: Wie geht es weiter?

Holtkamp: Es gibt auf jeden Fall keinen eindeutig positiven Trend. Was wir beobachten, ist, dass es deutliche Unterschie­de gibt. Die Anzahl an Oberbürger­meisterinn­en etwa ist im Vergleich zu vor zehn Jahren um zehn Prozentpun­kte gesunken. Die Anteile auf Landes- und Bundeseben­e sind in etwa gleich geblieben. Fakt ist: Ohne Quote geht es nicht. Wenn man nicht gesetzlich eingreift, wird sich von alleine wenig ändern.

ist Professor für Politikwis­senschaft an der Fernuniver­sität Hagen.

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Dr. Lars Holtkamp

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