Für die Flatterulme
Ein Forstexperte erklärt, warum der „Baum des Jahres 2019“in Bayern womöglich bald häufiger vorkommen wird
Herr Meßmer, am Freitag wurde bekannt, dass die Flatterulme zum „Baum des Jahres 2019“gekürt worden ist. Woher hat sie ihren eigentümlichen Namen?
Hubert Meßmer: Der Name dieser Ulmen-art stammt von einem typischen Geräusch, das sie im Wind erzeugt. Eine Besonderheit dieses Edellaubbaums ist es nämlich, dass seine Blüten und Früchte auf etwa vier Zentimeter langen Stielen sitzen. Wenn der Wind durch die Zweige der Flatterulme fährt, sorgt das für ein charakteristisches „flatterndes“Geräusch.
An welchen Orten kann man dieses Geräusch im Augsburger Raum hören?
Flatterulmen kommen vor allem in Auwäldern und auf Grund- wasserböden vor. Entlang der Wertach in Richtung der Stauden und an den Unterhängen des Lechs kommt man immer mal wieder an einer Flatterulme vorbei, wobei es in Schwaben keine größeren Bestände gibt. Dabei hat dieser Baum auf quelligem Untergrund einen Vorteil gegenüber anderen heimischen Arten, weil er mit seinen speziellen Wurzeln an die Umgebungsverhältnisse nahe fließender Gewässer bestens angepasst ist.
Was zeichnet Flatterulmen noch aus?
Meßmer: Sie sind wesentlich widerstandsfähiger als viele andere Arten. Sie stellen zwar hohe Ansprüche an die Wasserversorgung und sind außerdem sehr wärmebedürftig, kommen dafür aber auch in vergleichsweise nährstoffärmeren Umgebungen zurecht. Unter den Anspruchsvollen ist sie sozusagen die am wenigsten Anspruchsvolle. Selbst mit Überschwemmungen hat die Flatterulme weniger Schwierigkeiten als andere Bäume: Sie kann bis zu 100 Tage im Jahr auf überflutetem Boden überleben. Gegenüber Nadelbäumen und sogar kräftigen Eichen kann die Flatterulme da einen großen Konkurrenzvorteil ausspielen.
Woran liegt es dann, dass die Flatterulme in Deutschland relativ selten ist?
Möglicherweise daran, dass die Eigenschaften ihres Holzes in handwerklicher Hinsicht nicht sonderlich beliebt sind. Es ist zwar ein Edelholz, aber zäher als andere Holzarten. Die Verarbeitung ist dementsprechend aufwendig. Aus rein wirtschaftlicher Sicht lohnt es sich kaum, Flatterulmen zu pflanzen. Trotzdem könnte es gut sein, dass die Flatterulme bei uns bald deutlich häufiger vorkommen wird.
Ja? Weshalb denn?
Meßmer: Während Berg- und Feldulmen schwer unter einem von Käfern übertragenen Pilz leiden, ist die Flatterulme für den Schädling weit weniger interessant. Selbst wenn sie befallen wird, kann sie dem Pilz trotzen. Auch Eschen und Erlen, mit denen die Ulmen konkurrieren, haben mit Bedrohungen zu kämpfen. Daher tut sich für die Flatterulme eine attraktive Nische auf, selbst wenn sie höchstwahrscheinlich keine Hauptbaumart bei uns wird. Im kommenden Jahrzehnt ist auf jeden Fall mit ihr zu rechnen. Und selbst für Waldbesitzer könnte sie bedeutsamer werden: Weil sie als seltene Art gilt, können Forstwirte finanzielle Zuschüsse erwarten.
Das Jahr 2019 könnte also tatsächlich das Jahr der Flatterulme werden?
Meßmer: Das ist auf jeden Fall denkbar, denn die Chancen stehen günstig. Bei der Edelkastanie, die im vergangenen Jahr „Baum des Jahres“war, hat sich das auf ähnliche Weise entwickelt. Auch für die Flatterulme verändern sich die äußeren Bedingungen in eine günstige Richtung.
Interview: Jens Reitlinger
ist Leiter der Forstabteilung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Augsburg.