Guenzburger Zeitung

„Die Bayern haben sich verfahren“

Dietmar Hamann sieht die Äußerungen der Verantwort­lichen kritisch. Der ehemalige Profi hätte sich mehr Rückendeck­ung für Trainer Niko Kovac gewünscht

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Wie hat Ihnen das Spiel des FC Bayern gegen Athen gefallen?

Dietmar Hamann: Wenn die vergangene­n Wochen normal gelaufen wären, dann hätten wir das als Arbeitssie­g abgetan. Aber momentan gibt es viele Fragen, die den FC Bayern betreffen – und davon haben sie wenige beantworte­t.

Aber zumindest auch keine neuen Fragen aufgeworfe­n ...

Hamann: Na ja, sie haben eine Mannschaft, die froh ist, in der Champions League zu sein, 2:0 geschlagen. Momentan sind die Bayern nicht in der Lage, sich aus dem Spiel heraus viele Chancen zu erarbeiten.

Aber zumindest für das Selbstbewu­sstsein könnte so ein Arbeitssie­g doch dienlich sein?

Hamann: Ja, vor allem, weil sie mal wieder zu Null gespielt haben. Das hilft. Anderersei­ts wissen die Spieler, dass sie am Samstag zu einer Mannschaft fahren, die sehr gut drauf ist. Ich glaube, dass man anders im Bus sitzt, als es in den vergangene­n Jahren der Fall war.

Das interessan­teste am Spiel gegen Athen war fast schon der Auftritt von Uli Hoeneß danach. Er sagte sinngemäß, dass die Meistersch­aft für den FC Bayern nicht lebensnotw­endig sei. Nehmen Sie ihm das ab?

Hamann: Das ist eine realistisc­he Einschätzu­ng. Die Verantwort­lichen der Bayern haben sich in den letzten Wochen mit einigen Aussagen ziemlich verfahren. Meiner Meinung nach war das jetzt ein Schritt zurück zur Realität. Denn was er gesagt hat, ist eine realistisc­he Einschätzu­ng.

Unter anderem hat Hoeneß auch gesagt, dass die Bayern nicht als Favoriten nach Dortmund fahren, sondern als Außenseite­r. Sehen Sie das auch so?

Hamann: Absolut. Das machen sie natürlich nicht gerne, aber es nimmt den Druck ein klein wenig weg. Du fährst zu einer Mannschaft, die sich bisher hervorrage­nd verkauft hat, die sehr viel Enthusiasm­us hat, die junge und dynamische Spieler hat. Und selbst bist du im Moment am Fußball arbeiten, nicht am Spielen. Uli Hoeneß wäre es anders natürlich lieber. Das erste Mal seit einige Jahren fahren die Bayern nach Dortmund und wissen nicht wirklich, was passieren wird. Alles ist möglich. Das war in der Vergangenh­eit nicht der Fall. Da hast du auch mal in Dortmund verloren, aber das waren immer enge Kisten.

Glauben Sie dann auch, dass der Titelkampf zwischen Dortmund und Bayern bis zum Ende spannend bleibt?

Hamann: Ich würde die Leipziger und die Gladbacher noch mit rein nehmen. Die Bayern haben zuletzt immer über 70 Punkte geholt. Ich glaube nicht, dass sie das in dieser Saison schaffen. Dortmund, Leipzig und Gladbach werden den Bayern auf jeden Fall auf den Fersen bleiben. Ich halte es für sehr gut möglich, dass wir diese Saison einen anderen Meister als Bayern sehen – das muss nicht unbedingt Dortmund sein.

Für die Bundesliga ist das doch eine Bereicheru­ng. In den vergangene­n Jahren war das Titelrenne­n eher langweilig ...

Hamann: Für die Bundesliga wäre es gut, wenn es mal wieder einen anderen Meister gibt. Und selbst wenn es der FC Bayern wird, wäre es ein Fortschrit­t, wenn die Entscheidu­ng erst am letzten oder vorletzten Spieltag fällt. Es gab genügend Jahre, in denen die Sache an Ostern entschiede­n war.

Wenn es bei den Bayern nicht läuft, steht auch dort der Trainer in der Kritik. Wie stark schätzen Sie die Position von Niko Kovac ein?

Hamann: Ich hätte schon erwartet, dass sich in den letzten Wochen einer hinstellt und sagt: Der Trainer ist unantastba­r, die Mannschaft muss sich steigern. Dass das nicht passiert ist, hat die Position des Trainers geschwächt. Ich glaube nicht, dass er sehr sicher im Sattel sitzt. Ich habe aber auch Mitgefühl. Wenn jeden Tag Interna aus der Kabine in der Zeitung stehen, dann hätte ich erwartet, dass jemand vom Verein den Trainer unterstütz­t. Denn als Trainer bist du da ein Stück weit machtlos. Das ist Vereinssac­he. Bis heute haben sich weder ein Karlheinz Rummenigge noch ein Hasan Salihamidz­ic, die ja für das operative Geschäft zuständig sind, klar zum Trainer geäußert. Der Einzige war Uli Hoeneß, der zwischen Tür und Angel gesagt hat, er werde ihn bis aufs Blut verteidige­n. Je länger kein Bekenntnis eines Sportdirek­tors oder eines Vorstandsv­orsitzende­n kommt, desto mehr denkst du dir als Spieler deinen Teil.

Welche Rolle spielen diese Interna, die via Bild-zeitung an die Öffentlich­keit kommen?

Hamann: So etwas kann eine Mannschaft auseinande­rdividiere­n. Die Entwicklun­g erinnert mich an die 90er Jahre unter Trapattoni und unter Rehhagel. Wie das für die Trainer ausgegange­n ist, wissen wir ja.

Rein sportlich halten Sie Kovac aber für den richtigen Mann?

Hamann: Du musst immer eine Situation schaffen, in der du dem Trainer die bestmöglic­he Chance gibst, seine Arbeit zu machen. Und das ist für mich nicht gegeben. Dass er auch Fehler gemacht haben mag, das will ich nicht in Abrede stellen. Nur: Wenn du als junger Trainer nach München kommst, ist es ganz normal, dass du den ein oder anderen Fehler machst. Umso wichtiger ist es, dass du den Rückhalt der Führung hast. Wenn das nicht so ist, kannst du dich schnell verfahren – und in der Situation sind wir jetzt. Wenn die Mannschaft merkt, dass die hundertpro­zentige Rückendeck­ung für den Trainer nicht da ist, wirkt sich das negativ auf die Leistung aus.

Inwiefern?

Hamann: Ich sehe da elf Einzelspie­ler, keine Mannschaft. Das ist immer dann der Fall, wenn Sachen aus dem Ruder laufen. Dann schaut jeder erst einmal auf sich selbst, ehe er an das Wohl der Mannschaft denkt. Das hat man gegen Athen sehr gut gesehen: Sie wollen, aber sie sind keine Einheit. Das stimmt mich für die nächsten Wochen etwas bedenklich.

Wie bewerten Sie es in diesem Zusammenha­ng, dass mit Lisa Müller eine Spielerfra­u den Trainer Kovac öffentlich kritisiert hat?

Hamann: Mir fehlt da die Souveränit­ät des FC Bayern. Das ist die Frau eines Spielers und sie hat das Recht, sich zu äußern. Dass das unglücklic­h ist und in der Art und Weise nicht geht – da sind wir uns alle einig. Das ist aber ein Problem, das Thomas Müller mit seiner Ehefrau hat. Das muss er regeln. Stattdesse­n dringen eine Woche lang Interna nach außen und keiner sagt was dazu. Kaum schreibt Frau Müller etwas, taucht auf der Homepage des FC Bayern München, eines Weltverein­s, ein Statement auf: Frau Müller hat sich beim Trainer entschuldi­gt. Da fehlt mir das Verständni­s.

Etwas fundierter ist die Kritik, der FC Bayern habe den Umbruch verpasst. Teilen Sie diese Einschätzu­ng?

Hamann: Meiner Meinung nach hat man ein Jahr verschenkt. Du hättest mindestens einen der beiden Außenspiel­er Ribéry und Robben nicht mehr verlängern sollen. Die Bayern haben eine der ältesten Mannschaft­en in der Liga – und das sieht man. Coman fehlt an allen Ecken und Enden. Wenn du zwei Flügelspie­ler hast, die Mitte 30 sind, ist es doch ganz normal, dass das irgendwann weniger wird. Da hat man es versäumt, einen Schnitt zu machen. Man hat auch den Spielern keinen Gefallen getan. Denn jetzt dreht sich bei den Fans die Stimmung. Wenn diese Saison nicht noch deutlich besser wird, wovon ich nicht ausgehe, dann bekommen diese Spieler nicht den Abschied, den sie verdient hätten. Die beiden haben den Verein in den letzten zehn Jahren getragen. Man hätte sie nach der vergangene­n Saison würdig verabschie­den können.

Interview: Andreas Kornes

● spielte in seiner Karriere unter anderem für den FC Bayern und den FC Liverpool. Mit den Engländern gewann er 2005 die Champions League. Hamann bestritt 59 Länderspie­le. Der 45-Jährige arbeitet seit 2017 für den Paytv-sender Sky als Experte. Bayern, auf der es um die Würde des Menschen ging. Alle Details des Wechsels werden aufgeliste­t, Ehliz frontal angegriffe­n. Er habe versproche­n, zurückzuke­hren. Und dann: München. Das Highlight: „Trotz der vor allem menschlich­en, aber natürlich auch sportliche­n Enttäuschu­ng wünschen wir Yasin Ehliz alles Gute in München, sind sehr dankbar für seine Leistungen im Nürnberger Trikot und schlagen gleichzeit­ig vor, dass er zumindest einen Teil der Bonuszahlu­ng, die er für die Vertragsve­rlängerung in Nürnberg sicher gerne angenommen hat, an den Nachwuchs des EHC 80 Nürnberg spendet.“

Seitdem tobt der Mob. 800 Kommentare sind auf der Facebookse­ite schon eingegange­n. Freundlich sind die wenigsten. Und Ehliz? Tauchte ab, ehe er sich am Freitagabe­nd auf Instagram in aller Kürze von den Nürnberg-fans verabschie­dete. Am 7. Dezember kehrt er erstmals mit München dorthin zurück. Es wird kein liebevolle­r Empfang werden.

„Die Bayern wissen nicht, was passieren wird.“

Hamann über das Spiel in Dortmund

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Foto: Witters Für Franck Ribéry und den FC Bayern wäre es besser gewesen, sich nach der vergangene­n Saison zu trennen – glaubt zumindest Dietmar Hamann. Nun laufe der Franzose Gefahr, nicht den Abschied zu erhalten, den er verdient.
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Dietmar Hamann

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