„My Fair Lady“mit Chic und Charme
Das Broadway-musical hat das Zeug zum Publikumsrenner im Großen Haus. Das liegt unter anderem an der opulenten Ausstattung – und einer großartigen Hauptdarstellerin
Ulm Beim Pferderennen in Ascot gilt ein strenger Dresscode, speziell, wenn man einen der Plätze in der Nähe der Queen ergattert hat: die Damen zurückhaltend-elegant und kreativ behütet, die Herren im grauen oder schwarzen Gehrock. Nicht so bei „My Fair Lady“im Theater Ulm: Als sich der Vorhang zur berühmten Ascot-szene des Musicals öffnet und das Licht angeht, ist es wie eine Explosion im Auge, so grell gelb sind die Ladys und auch die Gentlemen. Aber der Abend brennt sich nicht nur in die Netzhaut ein, sondern auch ins Gedächtnis: Die Inszenierung des Kölners Christian von Götz ist der Stoff, aus dem Publikumsrenner sind.
Apropos Stoff: Während die Bühne (ebenfalls Christian von Götz) zwar neonfarben, aber sonst eher reduziert gehalten ist, könnte das Musical in Sachen Textileinsatz eine neue Höchstmarke setzen, so opulent sind die von der Freiburger Designerin Sarah Mittenbühler gestalteten Kostüme. Verspielte Rüschen und verrückte Hüte bei den Damen der besseren Gesellschaft, Zirkusanklänge bei den Leuten von der Straße. „My Fair Lady“sieht umwerfend aus. Mittenbühler und von Götz haben dem Stück einen Look verpasst, der einen den etwas spießigen Unterton der Vorlage vergessen lässt.
„My Fair Lady“erzählt die Geschichte des Blumenmädchens Eliza Doolittle (Maria Rosendorfsky), das bei Phonetik-professor Henry Higgins (Markus Hottgenroth) ihren (in dieser Fassung Berliner) Gossendialekt ablegen möchte, um der Unterschicht zu entkommen. Der eitle und egozentrische Wissenschaftler macht daraus ein Spiel: Er wettet mit Oberst Pickering (Stephan Clemens), dass er aus Eliza binnen sechs Monaten sprachlich eine Herzogin machen kann. Doch bis das gelingt, ist es ein weiter Weg, auf dem nicht nur Elizas Vater Alfred P. Doolittle (Martin Gäbler) Probleme macht. Auch Kotzbrocken Higgins entdeckt sein Herz. Ein bisschen.
Und wer will es ihm verdenken: Sopran Maria Rosendorfsky, zuletzt noch in der Titelpartie der Janácekoper „Das schlaue Füchslein“, ist eine hinreißende Eliza Doolittle. Sie wechselt spielerisch zwischen Gossenton und strahlender Eleganz, zeigt großes komödiantisches Talent – und erntet schon mit „Ich hätt’ getanzt heut Nacht“erste Jubelrufe. Ihr Gegenüber Markus Hottgenroth spielt den Professor Higgins herrlich schnöselig. Bis in die kleinsten Rollen ist diese Produktion stark besetzt. Köstlich etwa Ulla Willick als Higgins’ resolute Mama und Christel Mayr als heimlich trinkende Haushälterin, die zwischendurch von Elizas traumtänzerischem Verehrer Freddy (Luke Sinclair) einmal um die ganze Bühne gewirbelt wird. Die Inszenierung ist reich an solchen charmanten Details, sodass man kaum glauben kann, dass wegen des engen Zeitplans nur fünf Wochen geprobt werden konnte. Das Ballett und der Opernchor bringen Leben auf die Bühne und das Philharmonische Orchester unter der Leitung des neuen ersten Kapellmeisters Levente Török spielt so beschwingt auf, dass niemals Schlagerduseligkeit aufkommt. Und selbst für das inkonsequente Happy End des Stückes hat Regisseur von Götz eine überzeugende Lösung gefunden.
Am Ende der Premiere: lang anhaltender Applaus und Standing Ovations, besonders für Maria Rosendorfsky, Markus Hottgenroth, Luke Sinclair, Ulla Willick und Christel Mayr.
OTermine Wieder am 10., 15., 25. und 17. November. Weitere Vorstellungen bis März 2019.