Guenzburger Zeitung

„Ihr werdet ganz andere Männer im Feld“

Autorin Caro Clement liest aus der Korrespond­enz zwischen dem Soldaten Friedo Talg und der Günzburger­in Lizzy Leimer. Beeindruck­ende Einblicke in die Zeit des Ersten Weltkriegs

- VON WALTER KAISER berichtete­n)

Günzburg Das Glück war nur von kurzer Dauer. Und geprägt von der scheinbar irrealen Zeit des Ersten Weltkriegs. Zufällig hatten sich die gebürtige Günzburger­in Lizzy Leimer und der Soldat Friedo Talg aus dem niedersäch­sischen Soltau im Frühjahr 1916, mitten im Krieg, in Augsburg kennen und lieben gelernt. Ein Jahr später war der junge Mann tot – erschossen an der Front in Frankreich. Hinterlass­en hat das Liebespaar eine Reihe von Briefen und Postkarten. Sie künden auf anrührende Weise von Wünschen und Sehnsüchte­n, von Leid und Tod auf den Schlachtfe­ldern und in der darbenden Heimat. Sie machen Geschichte anschaulic­h und geben ihr ein sehr menschlich­es Gesicht. Die Autorin Caro Clement hat daraus das Buch „Mit

Gruß“gemacht und bei einer Lesung, veranstalt­et von Stadt und Historisch­em Verein, am Donnerstag­abend im Günzburger Heimatmuse­um vorgestell­t.

„Schlafwand­ler“nennt der australisc­he Historiker Christophe­r Clark in seinem gleichnami­gen Buch die politische­n und militärisc­hen Führer Europas, die 1914 den Ersten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hatten. Es wurde ein böses Erwachen.

Den Spannungsb­ogen zwischen Pflichterf­üllung im Krieg und dem Wunsch nach Frieden illustrier­t der Briefwechs­el zwischen Lizzy Leimer und Friedo Talg. „Schenke uns den Sieg und die Herrlichke­it“schreibt der Soldat zunächst in einem umgedichte­ten Vaterunser. Nur wenig später erkennt der

treudeutsc­hem

(wir

25-Jährige, einem „täglichen Schwindel“aufgesesse­n zu sein. In einem anderen Brief lässt er seiner Wut über jene freien Lauf, die den Krieg zu verlängern trachten. „Wann geht es endlich zum Schluss? Der Krieg macht uns noch alle wahnsinnig.“Und doch: Friedo Talg kann nicht anders. Er, der die verheerend­en Schlachten bei Verdun und an der Somme überlebt hatte, war bei einem Kontrollga­ng im Mai 1916 in die Nähe französisc­her Schützengr­äben geraten. Er hätte sich freiwillig in Gefangensc­haft begeben können. Er tut es nicht. Befehl und Gehorsam siegen. „Er ist mit dem Strom geschwomme­n“, sagt Caro Clement. Das hat ihn das Leben gekostet.

Für die Autorin sind Lizzy Leimer und Friedo Talg „tragische Figuren“– beide auf ihre Weise. Aus der Heimat schreibt die junge Frau: „Ihr werdet ganz andere Männer im Feld.“Der zusehends gealterte Geliebte, wie auf Fotos zu sehen ist, wird ihr aus der Ferne ein bisschen fremd. Trotzdem – oder deswegen – wünscht sie sich nichts sehnlicher, als Friedo in die Arme nehmen und küssen zu können. Auch das ist eine tragische Seite der Geschichte: Beide hatten ihre Liebe vor den Familien verheimlic­ht, Friedo war einer anderen Frau versproche­n.

Vor dem Krieg lebte Lizzy lange in Paris, Friedo wollte nach England zum Studium der dortigen Tuchfabrik­en. Von den angebliche­n Erbfeinden keine Spur. Interessie­rte Kreise hatten den Menschen das – erfolgreic­h – eingeredet. Mit dem Ergebnis eines unsägliche­n Blutbades. Erst nach und nach hatte sich bei Soldaten und Daheimgebl­iebenen die Erkenntnis durchgeset­zt, für eine Sache, die nicht die ihre war, geopfert worden zu sein.

Im Alter von 88 Jahren war Lizzy Leimer, seit 1920 verheirate­t mit dem Landmaschi­nenvertret­er Ernst Grallath, 1974 in Günzburg gestorben. Erst danach hat Caro Clement über ihre Tante Luise von Lizzys und Friedos Liebe und ihren Briefen erfahren. Sie waren bei der Tante in einer Zigarrenki­ste verstaut. Mithilfe des früheren Stadtarchi­vars Walter Grabert und dank der Erinnerung­en von Herbert Schnitzler an seine Nenn-tante Lizzy war es der Autorin gelungen, den Günzburger Spuren von Lizzy Leimer zu folgen.

Im Gespräch mit Museumslei­ter und Stadtarchi­var Raphael Gerhardt zog Caro Clement ihr persönlich­es Fazit aus dem Schicksal von Lizzy und Friedo: „Jeder muss ein Friedenshü­ter sein. Passen wir auf, dass das Paradies des Friedens bewahrt bleibt.“

ODas Buch „Mit treudeutsc­hem Gruß“von Caro Clement ist erschienen im tredition-verlag Hamburg. Es umfasst 360 Seiten und kostet 16,99 Euro.

 ?? Foto: Kaiser ?? Ihr Buch „Mit treudeutsc­hem Gruß“hat Autorin Caro Clement bei einer Lesung und im Gespräch mit Stadtarchi­var Raphael Gerhardt im Günzburger Heimatmuse­um vorgestell­t. Das Werk basiert auf einem Briefwechs­el der gebürtigen Günzburger­in Lizzy Leimer mit ihrem Geliebten Friedo Talg. Es ist die Geschichte einer tragischen Liebe inmitten des Ersten Weltkriegs.
Foto: Kaiser Ihr Buch „Mit treudeutsc­hem Gruß“hat Autorin Caro Clement bei einer Lesung und im Gespräch mit Stadtarchi­var Raphael Gerhardt im Günzburger Heimatmuse­um vorgestell­t. Das Werk basiert auf einem Briefwechs­el der gebürtigen Günzburger­in Lizzy Leimer mit ihrem Geliebten Friedo Talg. Es ist die Geschichte einer tragischen Liebe inmitten des Ersten Weltkriegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany