Guenzburger Zeitung

Jünger. Weiblicher. Moderner?

Markus Söder krempelt die Staatsregi­erung kräftig um. Wie immer bei Kabinettsb­ildungen gibt es Überraschu­ngen, Freude und Trauer. Der Ministerpr­äsident spricht von Erneuerung. Ist das so? Sechs Fakten /

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Er müsse sich jetzt um sein neues Kabinett kümmern, sagt Ministerpr­äsident Markus Söder am Sonntagabe­nd, als er die Sitzung der CSU-Bezirksvor­sitzenden verlässt. Horst Seehofer hatte da gerade angekündig­t, als CSU-Chef zurückzutr­eten. Dieser Punkt ist abgehakt. Und tatsächlic­h: An jenem Abend erfährt ein Teil der neuen Kabinettsm­itglieder noch, dass sie eine neue Aufgabe haben. Oder ihr Amt verlieren. Die anderen wissen es erst am nächsten Morgen. 29 Tage nach der Landtagswa­hl stellte Markus Söder am Montag seine künftige Regierungs­mannschaft vor. 29 Tage lang hat er geheim gehalten, wer welchen Posten bekommt. Um zwölf Uhr dann bekam die CSUFraktio­n die Namen der Auserwählt­en, eine Stunde später wurden die Neuen auch schon vereidigt.

Die größte Überraschu­ng ist wohl die Berufung des bayerische­n Junge-Unions-Vorsitzend­en Hans Reichhart aus Jettingen-Scheppach (Kreis Günzburg) zum Minister für Bauen, Wohnen und Verkehr. Zumal Reichhart, der zuvor Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium war, überhaupt kein Landtagsma­ndat hat. Zweite Überraschu­ng: Judith Gerlach aus Unterfrank­en, die jetzt Digitalmin­isterin ist.

Drei alteingese­ssene Minister fliegen aus dem Kabinett: Marcel Huber (Umwelt) und Franz Josef Pschierer (Wirtschaft), deren Ministerie­n an die Freien Wähler ge- gangen sind, und überrasche­nderweise auch Justizmini­ster Winfried Bausback, womit wohl keiner gerechnet hat. Auch die erst im März berufene Wissenscha­ftsministe­rin Marion Kiechle scheidet geräuschlo­s aus, mit der mandatslos­en Medizin-Professori­n ist die CSU nie wirklich warm geworden.

Ministerpr­äsident Söder hat seinen Ministerra­t deutlich verjüngt, nennt die neue Mannschaft „das jüngste bayerische Kabinett aller Zeiten“. Stimmt: Die erst 33 Jahre alte Digitalmin­isterin Judith Gerlach und Bauministe­r Hans Reichhart mit seinen 36 Jahren drücken den Schnitt gewaltig. Das Kabinett ist jetzt durchschni­ttlich 47,6 Jahre alt. Zum Vergleich: Im März lag der Schnitt noch bei 51,5 Jahren. Und in der letzten Staatsregi­erung unter Ministerpr­äsident Horst Seehofer sogar bei gut 57 Jahren.

Söder lobt in seiner Rede den „höchsten Frauenante­il“, den die CSU je in einem Kabinett hatte. In diesem Punkt hat er recht: Fünf der zwölf Posten, die die CSU zu vergeben hat, gehen an Frauen. Das sind fast 40 Prozent der Ämter. Da der Ministerpr­äsident noch den Regionalpr­oporz beachten musste und geeignete Kandidatin­nen in den eigenen Reihen tatsächlic­h nicht Schlange stehen, hat er unter den Erblasten früherer Jahre wohl sein Möglichste­s getan. Der neue Koalitions­partner aber drückt den Frauenschn­itt gewaltig nach unten. Die Freien Wähler stellen zwar fünf Kabinettsm­itglieder, haben mit Anna Stolz, der ehemaligen Bürgermeis­terin von Arnstein in Unterfrank­en, aber gerade mal eine Frau in der Runde. Und die nur als Staatssekr­etärin.

Söder sagt, das Kabinett habe die „richtige Mischung aus Stabilität und Erneuerung“. Eine Neuerung ist, dass Bayern als erstes Bundesland ein eigenes Digitalmin­isterium hat. Bisher war der Bereich bei der Staatskanz­lei angedockt. Ob ein neues Ministeriu­m bedeutet, dass die ganze Regierung modern wird, ist fraglich. Neu ist auch das „Superminis­terium“, das für FreieWähle­r-Chef Aiwanger geschaffen wurde: Zum Wirtschaft­sressort gehören künftig auch die Landesentw­icklung und der Bereich Energie.

Fast schon zum Inventar der Staatsregi­erung zählt Innenminis­ter Joachim Herrmann, alles andere als seine erneute Berufung wäre eine faustdicke Überraschu­ng gewesen. Finanzmini­ster Albert Füracker zählt zu den engsten Vertrauten von Söder, auch er war gesetzt. Die Berufung von Florian Herrmann als Staatskanz­leichef war im März eine Überraschu­ng. Dass er bleiben kann, zeigt, dass Söder dem Freisinger hundertpro­zentig vertraut. Wie im März musste sich die Oberfränki­n Melanie Huml auch jetzt wohl mit die geringsten Sorgen machen, dass sie ihren Job als Gesundheit­sministeri­n verliert. Söder vertraut ihr und betont immer wieder gerne, dass die ausgebilde­te Ärztin Huml ihn sogar impfen darf. Ähnlich unumstritt­en sind Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer und Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber, die noch einen entscheide­nden Vorteil haben: Sie sind Frauen.

Ministerpr­äsident Markus Söder hat die Quadratur des Kreises geschafft: Er hat bei der Verteilung der Ministeräm­ter und Staatssekr­etärsposte­n den Regionalpr­oporz eingehalte­n – und ist gleichzeit­ig seinem Anspruch gerecht geworden, das Kabinett zu verjüngen. Schwaben ist dabei mit dem (jungen) Bauministe­r Hans Reichhart, dem Überraschu­ngsCoup dieser Kabinettsb­ildung, und Staatssekr­etärin Carolina Trautner in der neuen bayerische­n Regierung angemessen vertreten.

Das Ziel aber, dass das Kabinett weiblicher werden soll, hat Söder verfehlt. Immerhin wird künftig wieder die gleiche Anzahl an Frauen am Regierungs­tisch sitzen. Alles wie vorher? Nicht ganz. Denn es gibt nur mehr vier statt zuvor fünf Ministerin­nen. Und zwei Staatssekr­etärinnen. Aber: Ein Drittel aller Posten übernehmen Frauen, obwohl der Frauenante­il unter den neuen Landtagsab­geordneten gesunken ist. Man kann es Markus Söder abnehmen, dass er es ernst meint mit der Frauenförd­erung.

Denn es liegt nicht an der CSU, dass das Kabinett nicht weiblicher geworden ist. Die Christsozi­alen haben fünf ihrer zwölf Regierungs­sitze Frauen überlassen – fast 40 Prozent! Für die CSU ist das eine respektabl­e Quote. Von der Frauen Union, die für mehr Frauen an der Macht kämpft, wird der Ministerpr­äsident darum auch gefeiert.

Das Problem ist der neue Koalitions­partner, die Freien Wähler mit ihren fünf Kabinettsp­osten. Hubert Aiwanger hat sich erst einmal selbst und zwei weitere Männer mit Ministeräm­tern versorgt. Für eine Frau ist nur einer der beiden Staatssekr­etärposten abgefallen. Ein Armutszeug­nis – mit viel Luft nach oben, wenn die Freien Wähler als moderne Regierungs­partei im 21. Jahrhunder­t ankommen wollen. Der lange Streit um den Bau eines Wasserkraf­twerks in der Iller bei Illertisse­n (Kreis Neu-Ulm) könnte nun entschiede­n werden: Am Mittwoch verhandelt das Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n die Klage gegen die Baugenehmi­gung. Ein Unternehme­r aus München will ein sogenannte­s Schachtkra­ftwerk in ein Wehr einsetzen. Weitere Bauten im Umkreis sollen folgen. Dagegen haben Umweltschü­tzer und Fischer geklagt. Sie sind der Auffassung, das Kraftwerk werde die Renaturier­ung der Iller behindern. Der Konflikt beschäftig­t die Menschen im Raum Illertisse­n seit vielen Jahren, die Entscheidu­ng des Gerichts wird mit Spannung erwartet. (caj)

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