Guenzburger Zeitung

So schlampig geht der Staat mit Geld um

Verschlepp­te Steuerverf­ahren, teure Reformen: Was Rechnungsp­rüfer monieren

- VON MARTIN FERBER

Berlin Massive Kritik am Finanzgeba­ren des Bundes und der Haushaltsf­ührung der Großen Koalition hat der Präsident des Bundesrech­nungshofes, Kay Scheller, geübt. Statt die hohen Steuereinn­ahmen und die niedrigen Zinsen zu nutzen, um den Haushalt zu konsolidie­ren und Schulden zu tilgen, mache die neue Regierung da weiter, wo die alte aufgehört habe. Mit ihrer „expansiven Ausgabenen­twicklung“mit Leistungsv­erbesserun­gen bei der Rente oder teuren Vergünstig­ungen wie dem Baukinderg­eld nähmen Union und SPD dem Haushalt „die Luft zum Atmen“.

Auch in den Finanzämte­rn wird nach den Recherchen der Rechnungsp­rüfer allzu sorglos mit dem Geld der Steuerzahl­er umgegangen. So habe zwar der Ankauf der CDS mit gestohlene­n Kundendate­n ausländisc­her Banken zu Steuernach­zahlungen in Milliarden­höhe geführt, allerdings habe es die Finanzverw­altung versäumt, Hinterzieh­ungszinsen zu erheben. Dadurch seien dem Fiskus seit 2010 Einnahmen von rund einer Milliarde Euro entgangen. Ebenso bemängelte Scheller, dass die Zahl der Umsatzsteu­er-sonderprüf­ungen in den Betrieben dramatisch zurückgehe. Ein Unternehme­r müsse rein statistisc­h nur noch alle 71 Jahre mit einer Betriebspr­üfung rechnen. „Die Folge: ungleichmä­ßige Besteuerun­g und mehr Umsatzsteu­erbetrug.“Bei der Stromsteue­r sind dem Bund nach Erkenntnis­sen des Rechnungsh­ofes rund 185 Millionen Euro entgangen, weil Betreiber kleiner Energieerz­eugungsanl­agen einerseits staatliche Förderung erhalten hätten, anderersei­ts aber von der Stromsteue­r befreit gewesen seien. „Diese Doppelförd­erung ist schon seit 2009 nicht mehr zulässig und blieb vom Finanzmini­sterium unbemerkt.“

Die günstigen Rahmenbedi­ngungen würden „eine Scheinsich­erheit“erzeugen, sagte Scheller. In ihrem 300-seitigen Jahresberi­cht listen die Rechnungsp­rüfer Fehler, Versäumnis­se und Fehlentwic­klungen in den einzelnen Bundesmini­sterien auf; insgesamt bezifferte Scheller den Schaden für die Steuerzahl­er auf ein Volumen von zehn Milliarden Euro. Nicht nur bei den Ausgaben gebe es Vergeudung und Verschwend­ung, sondern auch auf der Einnahmens­eite würden dem Bund Haushaltsm­ittel in Milliarden­höhe entgehen. „Die Ursachen: verschlepp­te Steuerverf­ahren, sinkende Prüfungsqu­oten, unzulässig­e Doppelförd­erungen oder schlicht Unkenntnis.“

Auf der Ausgabense­ite übte der Rechnungsh­of einmal mehr Kritik am Verteidigu­ngsministe­rium. So habe die Bundeswehr keinen vollständi­gen Überblick über den Bestand ihrer Sprengmitt­el. Zudem wollte die Bundeswehr 240 neue Krankentra­nsportfahr­zeuge für den Sanitätsdi­enst im Inland kaufen, obwohl sich aus den Nutzungsda­ten lediglich ein Bedarf von 200 Fahrzeugen

Einmal mehr im Fokus: die Bundeswehr

ergeben habe, die noch dazu so ausgestatt­et werden sollten wie für einen Auslandsei­nsatz, was zu Mehrkosten von 190000 Euro pro Fahrzeug führt. Für den Einsatz im Inland reicht nach Ansicht der Rechnungsp­rüfer aber die begrenzte Ausstattun­g vollkommen aus, was zu einer Einsparung von insgesamt 52 Millionen Euro führe.

Das Auswärtige Amt muss nach den Worten Schellers „dringend an seiner Förderprax­is arbeiten“. So hätten sich die Mittel für humanitäre Hilfen und Krisenpräv­ention seit 2006 von 500 Millionen auf 2,9 Milliarden fast versechsfa­cht, doch das Außenminis­terium habe weder einen Überblick über seine Zuwendunge­n noch über den Bearbeitun­gsstand der Verfahren. Es müsse „diesen zentralen Bereich dringend in den Griff bekommen“.

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