Guenzburger Zeitung

Ein wenig Hoffnung nach blutiger Eskalation

Zunächst wächst die Angst vor neuem Krieg, dann wird einseitig Waffenruhe erklärt

- Sara Lemel, dpa/afp

Tel Aviv/gaza Immer wieder heulen im israelisch­en Grenzgebie­t zum Gazastreif­en die Alarmsiren­en. Ein wahrer Raketenhag­el geht auf Wohngebiet­e im ganzen Umkreis nieder: Eine Rekordzahl von 400 Geschossen hätten militante Palästinen­ser abgefeuert, sagt ein israelisch­er Armeesprec­her am Dienstag. „Dies sind die intensivst­en Angriffe seit dem Gaza-krieg 2014.“

Doch dann am Dienstagab­end verkündete­n militante Palästinen­ser eine einseitige Waffenruhe. Ägypten habe die Rückkehr zu einer entspreche­nden Vereinbaru­ng vermittelt, teilten die Hamas und andere militante Palästinen­serorganis­ationen in Gaza mit. Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu und die israelisch­e Armee äußerten sich dazu nicht, Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman dementiert­e einen Stopp der Luftangrif­fe.

Zuvor schien die Gewalt unkontroll­iert zu eskalieren. In der Küstenstad­t Aschkelon wird ein Haus getroffen, ein Mann stirbt. Die israelisch­e Luftwaffe bombardier­te im Gegenzug Ziele der im Gazastreif­en herrschend­en Hamas, mindestens sechs militante Palästinen­ser werden getötet. Dabei hatte es in dem Wochen zuvor – dank intensiver Vermittlun­gsbemühung­en Ägyptens und des Un-gesandten Nikolay Mladenov – nach einer Beruhigung ausgesehen. Am Donnerstag erlaubte Israel es Gesandten Katars sogar, umgerechne­t 13 Millionen Euro in bar in das seit mehr als einem Jahrzehnt blockierte Palästinen­sergebiet zu bringen.

Doch dann ließ ein am Sonntag auf ganzer Linie fehlgeschl­agener Geheimeins­atz der israelisch­en Armee im Gazastreif­en den Funken wieder überspring­en. Die verdeckte Einheit wurde von militanten Hamas-kämpfern enttarnt, es kam zu einem heftigen Feuergefec­ht. Sieben militante Palästinen­ser, darunter ein 37-jähriger Hamas-kommandeur, und ein israelisch­er Offizier kamen ums Leben. Experten mutmaßen, es sei der Einheit vor allem um Informatio­nsbeschaff­ung gegangen – die Armee betonte jedenfalls, man habe den Hamaskomma­ndeur weder entführen noch gezielt töten wollen.

Was folgte, war die gefährlich­ste Zuspitzung der Lage seit vier Jah- ren. Israelisch­e und palästinen­sische Experten sind sich einig, dass beide Seiten im Grunde gar kein Interesse an einem umfassende­n Krieg haben. „Ägypten und die internatio­nale Gemeinscha­ft üben Druck auf die Hamas und Israel aus, um einen vollen Krieg zu verhindern“, sagte Amos Harel, Militärexp­erte der Zeitung Die von den USA, der EU und Israel als Terrororga­nisation eingestuft­e Hamas hatte 2007 mit Gewalt die Herrschaft im Gazastreif­en an sich gerissen. Israel hatte danach eine Blockade des Küstenstre­ifens verschärft, Ägypten trägt die Maßnahme inzwischen mit. Die Lage von rund zwei Millionen Einwohnern im Gazastreif­en ist prekär, es mangelt an Wasser und Strom.

Der israelisch­e Regierungs­chef Benjamin Netanjahu und seine rechts-religiöse Regierung stehen unter starkem Druck der Öffentlich­keit, die immer wiederkehr­enden Raketenang­riffe aus Gaza auf israelisch­e Grenzorte dauerhaft zu unterbinde­n. Beide Seiten werfen sich gegenseiti­g vor, sie wollten die „Spielregel­n“in dem schwelende­n Konflikt mit Gewalt zu ihren Gunsten verändern. Die Hamas sehe Israels verdeckten Einsatz auf dem von ihr kontrollie­rten Gebiet als einen solchen Versuch, sagte Naschat Aktasch, Politikpro­fessor an der Birzeit-universitä­t bei Ramallah. „Die Hamas hat gezeigt, dass dies nicht ungestraft bleiben kann.“

Der israelisch­e Sicherheit­sexperte Jossi Kuperwasse­r sagte, Israel wolle der Hamas seinerseit­s die Botschaft übermittel­n, dass wahllose Angriffe auf Zivilisten inakzeptab­el seien. „Es tobt jetzt ein Kampf darum, welche Spielregel­n künftig gelten sollen“, sagte der ehemalige Leiter der Forschungs­abteilung in Israels Militärgeh­eimdienst.

Nach Schätzunge­n der israelisch­en Armee verfügt die Hamas über rund 20 000 Raketen und Mörsergran­aten verschiede­ner Reichweite. Ein Teil der Raketen komme aus dem Iran, andere würden im Gazastreif­en selbst produziert, sagt Kuperwasse­r. Zu den durch Tunnel aus Ägypten in den Gazastreif­en geschmugge­lten Waffen gehörten auch Panzerabwe­hrraketen des Typs Kornet, sagte der Experte.

Eine solche Rakete traf am Montag einen israelisch­en Bus nahe der Gaza-grenze, der dabei völlig ausbrannte. Bei dem Vorfall, für Israel eine schwere Provokatio­n, erlitt ein Soldat lebensgefä­hrliche Verletzung­en.

Haaretz.

Israelisch­er Einsatz in Gaza löste Schlagabta­usch aus

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