Guenzburger Zeitung

Rom fordert die Europäisch­e Union heraus

Italiens Haushaltsp­läne wurden gestern Abend bekräftigt. Weshalb sich das zum Sprengsatz entwickeln könnte

-

Luigi Di Maio sowie Lega-präsident und Innenminis­ter Matteo Salvini bleiben stur, wie sie gestern am späten Abend bekräftigt­en.

Einerseits möchten sie mit den Zusatzausg­aben die geplante Erhöhung der Mehrwertst­euer blockieren, mit denen die steigenden Zinsen für die Staatsschu­lden bezahlt werden sollten. Vor allem aber wollen die Politiker mit der Neuverschu­ldung ihre Wahlverspr­echen einlösen. Die Fünf-sterne-bewegung hat eine Grundsiche­rung von 780 Euro im Monat für Arbeitslos­e angekündig­t, die Lega die Reduzierun­g des Renteneint­rittsalter­s sowie Steuersenk­ungen versproche­n.

„Me ne frego dell’europa“– „Europa ist mir scheißegal“. So lautet seit Monaten das Mantra des rauflustig­en Innenminis­ters Salvini, der sich nicht zuletzt wegen seiner gnadenlose­n Ausländerp­olitik immer mehr als der tonangeben­de Faktor im Regierungs­bündnis erweist. Das Problem für Europa ist: Die Parteichef­s und Minister Salvini und Di Maio wissen auch acht Monate nach den Parlaments­wahlen einen Großteil der italienisc­hen Wähler hinter sich. Beide Parteien liegen in Umfragen derzeit jeweils bei etwa 30 Prozent der Stimmen.

Die Zustimmung gilt auch ganz konkret für die Haushaltsp­läne. Einer Umfrage zufolge befürworte­n 59 Prozent der Italiener den Haushaltse­ntwurf der Regierung, vor allem um die Wirtschaft anzukurbel­n. Über die finanzpoli­tischen Folgen, mit denen sich selbst Experten schwertun, ist die öffentlich­e Meinung in Italien gespalten.

Gewiss spielt dabei die politische Propaganda beider Parteien gegen „Europa“eine Rolle. Salvini etwa lässt kaum eine Gelegenhei­t aus, um auf die ausgeprägt­e Vorliebe von Eu-kommission­spräsident Jeanclaude Juncker für alkoholisc­he Getränke hinzuweise­n. Die Propaganda fällt auf fruchtbare­n Boden. Der Beginn der Entfremdun­g des Eugründung­smitglieds Italien begann mit der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e und der von Brüssel im Anschluss vorgegeben­en Sparpoliti­k.

Dass diese notwendig geworden war, weil italienisc­he Regierunge­n in den siebziger und achtziger Jahren auf unverantwo­rtliche Weise Schulden machten, fand kaum Beachtung. Obwohl Brüssel seit sechs Jahren Italiens Finanzplan­ungen wieder mit Entgegenko­mmen behandelt hat, wirken die Krisenjahr­e und das als gnadenlos empfundene Spardiktat bis heute nach.

Der zweite wesentlich­e Faktor bei der Entfremdun­g ist die Flüchtling­spolitik. Während sich Italien als Mittelmeer-anrainer gezwungen sah, zwischen 2014 und 2017 mehr als 600000 Immigrante­n aufzunehme­n, von denen viele nach Norden weiterzoge­n, bemängelte­n Politiker aller Couleur in Italien mangelnde

Warum die Bevölkerun­g hinter der Regierung steht

Solidaritä­t der Eu-partner. Eine verabredet­e Quoten-regelung wurde nie entspreche­nd umgesetzt.

Der Umfrage Eurobarome­ter zufolge würden bei einem Referendum derzeit nur 44 Prozent der Italiener für einen Verbleib in der EU stimmen. Das ist der niedrigste Wert unter allen Mitgliedsl­ändern. Eine Rolle spielt dabei wohl auch das traditione­ll besonders geringe Vertrauen der Italiener in den eigenen Staat und dessen Institutio­nen. Der gemeinsame Kitt der Regierungs­koalition aus linken und rechten Populisten ist heute ein Feindbild. Es trägt den Namen Europa.

 ?? Foto: Monteffort­e, afp ?? Rechtspopu­list Matteo Salvini (oben) treibt den Koalitions­partner von Fünf-sterne-chef Luigi Di Maio und Premier Giuseppe Conte (rechts) vor sich her.
Foto: Monteffort­e, afp Rechtspopu­list Matteo Salvini (oben) treibt den Koalitions­partner von Fünf-sterne-chef Luigi Di Maio und Premier Giuseppe Conte (rechts) vor sich her.

Newspapers in German

Newspapers from Germany