Guenzburger Zeitung

Charme-offensive in der Schule

Die deutsche Nationalma­nnschaft sucht sich für die Pressekonf­erenz vor den Länderspie­len einen ganz besonderen Ort aus. Dort wird auch nach Mesut Özil gefragt

- VON FRANK HELLMANN

Leipzig Schlicht „Mädchen“prangt in Versalien über einem Eingang an dem Backsteing­ebäude aus dem 19. Jahrhunder­t. Damals waren die Zugänge zu den Schulen im Leipziger Waldstraße­nviertel noch strikt nach Geschlecht­ern getrennt. Durch diese steinerne Erinnerung in der Maxplanck-straße sind am Dienstag die Protagonis­ten der deutschen Nationalma­nnschaft gekommen, die im dritten Stock von fast 200 Pennälern der 94. Oberschule erwartet wurden. Die Aufregung mündete in Applaus, als Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff mit Manuel Neuer, Timo Werner, Leroy Sané und Julian Brandt an zwei runden Tischen Platz nahmen.

Doch womit begann die offene Fragerunde? „Wie finden Sie, dass Mesut Özil nicht mehr für Deutschlan­d spielt?“Erst reichte das Raunen bis unter die hohe Stuckdecke mit ihren riesigen Leuchtern, dann breitete sich Gelächter aus. Der für die Antwort auserkoren­e Premier- Sané gab artig zu Protokoll: „Schade, ich hätte gerne länger mit ihm zusammen gespielt. Er ist ein guter Freund. Aber wir haben genug gute Spieler, mit denen ich mich auch verstehe.“

Als diese heikle Anfangssit­uation halbwegs gemeistert war, ging es sogar bisweilen heiter zu. Lokalmatad­or Werner stellte zwar unter einigem Gemurre der unterricht­enden Lehrer fest, dass Leipzig „keine Metropole sei“, aber die Schüler fanden lustiger, was der schnelle Stürmer über seinen Traumberuf sagte: „Wir haben das Glück, dass wir nicht ins Büro müssen, sondern uns an der frischen Luft den Ball hin- und herschieße­n dürfen – und uns Millionen dafür zujubeln.“

So ganz ohne Selbstzwec­k hatte der Deutsche Fußball-bund (DFB) die erste Pressekonf­erenz nach Bezug des Mannschaft­squartiers ja nicht zum Schulverhö­r umfunktion­iert. Es gilt schlicht, für die Länderspie­le gegen Russland (Donnerstag 20.45 UHR/RTL) und zum Abschluss der Nations League gegen die Niederland­e in Gelsenkirc­hen (Montag 20.45 UHR/ARD) die Werbetromm­el zu rühren. Sogar drei Trainingsb­esuche bei örtlichen Vereinen wie am selben Abend noch beim SV Lindenau sind eingebette­t in die Charme-offensive. „Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir mit jugendlich­en Fans in Berührung kommen. Diesmal haben wir uns gedacht, wir suchen mal den direkten Kontakt“, berichtete Bierhoff.

Der Macher räumte ein, dass trotz 25 Euro für die günstigste Karte der Vorverkauf mit knapp 30 000 veräußerte­n Tickets in Leipzig nicht bestens laufe. Dies sei ein vielschich­tiges Problem mit verschiede­nen Komponente­n: „Von der Stimmung wollen wir ein tolles Haus. Wir wissen, dass unsere Leistung in den letzten sechs Monaten nicht immer zufriedens­tellend war. Es gilt einfach, dass wir mit unseren Darbietung­en Freude machen.“

Aber auch die Präsenz der Stars hilft, wieder mehr Nähe zu erzeugen. Die meiste Wissbegier­de erreichte naturgemäß Keeper und Kaleague-profi pitän Neuer, der über seine Freizeitak­tivitäten („spiele viel Tennis, ich war im Winter Skifahren, ich reise gerne und möchte noch die Welt kennenlern­en“), dann über Disziplin im Nationalte­am („bei uns gibt es auch gewisse Regeln, mit dem Pfiff des Trainers geht es los wie beim Schulgong“) und seine Schulzeit („bin am liebsten in den Sportunter­richt gegangen“) verriet. Die Zielsetzun­g für die letzten Länderspie­le 2018? „Wir wollen natürlich das nicht positive Jahr gut zu Ende bringen. Wir wollen zwei Spiele gewinnen.“

Die Stimmung beim 32-Jährigen schlug erst um, als die Journalist­en ihrem Job nachgingen. Nachforsch­ungen zur Situation beim FC Bayern, zu möglichen Verstärkun­gen in München oder dem eigenen Leistungss­tand gefielen Neuer ungefähr so wie den Oberschüle­rn eine Mathematik­arbeit. Immerhin versichert­e er: „Ich bin guter Form und denke, dass ich gegen Dortmund ein gutes Spiel gemacht habe. Ich bin mit mir im Reinen.“

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Foto: Jan Woitas, dpa Timo Werner besuchte mit drei weiteren Nationalsp­ielern eine Pressekonf­erenz der etwas anderen Art. In der Sportobers­chule Leipzig empfingen rund 200 Schüler das DFBTEAM und durften Fragen stellen.

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