Guenzburger Zeitung

Große Erleichter­ung in Brüssel

Europäisch­e Union Die EU veröffentl­icht am späten Abend den Brexit-Entwurf der Briten und drückt nun aufs Tempo

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Der Deal steht. Doch als Michel Barnier am späten Mittwochab­end vor die internatio­nale Presse trat, vermied der Brexit-Chefunterh­ändler der EU jede Euphorie. „Wir haben soeben den Vertrag über den Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union veröffentl­icht“, sagte der Franzose nüchtern. Siegerment­alität will der Franzose am Ende der 17 Monate dauernden Verhandlun­gen nicht aufkommen lassen.

Es ist ein Mammutwerk: 585 Seiten umfasst der Austrittsv­ertrag, der in 185 Artikeln und drei Zusatzprot­okollen nicht nur alle politische­n Fragen, sondern auch rund eine Million einzelne ökonomisch­e Themen regelt. Das beginnt bei den Bürgerrech­ten, die jedem EU-Angehörige­n auf der Insel ebenso wie allen Briten in einem Land der Union die vollen Rechte auf Wohnen, Arbeiten und staatliche Leistungen garantiert.

Das geht weiter über die finanziell­en Verpflicht­ungen, die das Vereinigte Königreich nun anerkannt hat und dafür rund 45 Milliarden Euro an die Gemeinscha­ft zahlen wird. Und es endet bei den Bestimmung­en über eine 21-monatige Übergangsp­eriode, die sich an den eigentlich­en Brexit am 29. März 2019 anschließt – eine Zeit, in der zunächst alles beim Alten bleibt, in der London sich aber verpflicht­et hat, die europäisch­en Regelungen weiter zu beachten, ohne sie jedoch mitbestimm­en zu können.

In Streitfrag­en bleibt, anders als von London zunächst gewollt, der Europäisch­e Gerichtsho­f in Luxemburg zuständig. „Eine große Chance für alle Betriebe, für kleine und mittelstän­dische Firmen, aber auch für Privatleut­e, sich auf das Kommende einzustell­en“, sagte Barnier. Die Unterhändl­er Londons und Brüssels sollen diese Zeit nutzen, um ein Freihandel­sabkommen auszuhande­ln. Die drei Protokolle behandeln die Spezialfra­gen über den Status Gibraltars sowie der ausländisc­hen Basen auf Zypern, vor allem aber die künftige Grenzziehu­ng zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland. „Es wird keine harte Grenze geben“, berichtete der Chefunterh­ändler, dem man an dieser Stelle erstmals so etwas wie Stolz über das Erreichte anmerkt. Das Dokument sei ein Erfolg, sagte Barnier. Mehr Emotion war ihm nicht zu entlocken.

Nun drückt die EU aufs Tempo. Wohl noch am Donnerstag will Ratspräsid­ent Donald Tusk die Staatsund Regierungs­chefs der 27 Mitgliedst­aaten zu einem Sondergipf­el am 25. November nach Brüssel beordern. Ziel des Treffens: Zustimmung zum Austrittsv­ertrag und Beginn der Ratifizier­ung. Denn neben dem Europäisch­en Parlament müssen auch die nationalen Volksvertr­etungen das Abkommen billigen. In Brüssel war am Mittwochab­end überall große Erleichter­ung zu spüren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany