Guenzburger Zeitung

Fahren die Kemptener so schlecht Auto?

Verkehr Im „Karambolag­e-Atlas“einer Versicheru­ng kommt die Region gut weg. Ein Ausreißer ist die größte Stadt im Allgäu, wo 2017 jedes fünfte Auto beschädigt wurde. Was dahinterst­eckt

- VON JENS REITLINGER

Kempten Robert Knaus hat den Verkehr in Kempten jeden Tag aufmerksam im Blick. Seit 30 Jahren arbeitet er als Fahrlehrer in der kreisfreie­n Stadt im Oberallgäu. „Die Leute scheinen mir insgesamt risikobere­iter geworden zu sein“, sagt Knaus. Beinahe täglich könne er beobachten, wie andere Verkehrste­ilnehmer über rote Ampeln brettern oder zu dicht auffahren. „Das war vor einigen Jahren noch nicht so“, findet der Fahrlehrer.

Ist das der Grund dafür, dass Kempten im sogenannte­n „Karambolag­e-Atlas“des Versicheru­ngsunterne­hmens Generali als dunkelrote­r Fleck eingezeich­net ist? Der Rest Schwabens ist weitgehend grün eingefärbt. In den Atlas fließen mehr als 700 000 Versicheru­ngsfälle ein. Er liefert einen Überblick darüber, wie viele Schäden deutschlan­dweit in den einzelnen Landkreise­n im Jahr 2017 an Autos entstanden sind. Für Fahrzeuge mit Kemptener Zulassung ist der Wert so hoch wie in keiner anderen deutschen Stadt: Auf 100 Kraftfahrz­euge kamen im Schnitt 18,3 Schadensfä­lle – an rund jedem fünften Fahrzeug wurde 2017 somit ein Schaden gemeldet. Selbst in den Metropolre­gionen Hamburg, Berlin und München liegt der Wert mit je rund 15 Fällen pro 100 Fahrzeuge deutlich niedriger.

Über das schlechte Abschneide­n Kemptens zeigt sich auch Polizeihau­ptkommissa­r Jürgen Krautwald überrascht – denn die Unfallzahl­en im Stadtgebie­t seien in den vergangene­n zehn Jahren stabil geblieben: „Pro Jahr ereignen sich in Kempten rund 2400 Verkehrsun­fälle“, sagt der Polizist. Diese Zahl bewege sich im Durchschni­tt für Städte von vergleichb­arer Größe.

„Der statistisc­he Ausreißer für Kempten ist tatsächlic­h ein Phänomen“, sagt Dirk Brandt von der Generali-Versicheru­ng. Grundsätzl­ich gelte bei Fahrzeugsc­häden die Re- gel, dass sich die Fälle dort häufen, wo viele Menschen auf engem Raum leben. Für das Schadensau­fkommen in Kempten gebe es jedoch eine ganz andere Erklärung: „Die Zahl der Fahrzeugsc­häden durch das Wetter war in Kempten im Jahr 2017 ausgesproc­hen hoch“, erklärt Brandt. Trotz seines Namens beschränkt sich der „Karabolage-Atlas“nicht nur auf durch Verkehrsun­fälle verursacht­e Schäden. Auch Vandalismu­s und eben auch Unwettersc­häden werden darin aufgeführt.

Einen erhebliche­n Einfluss auf die Bilanz hatte laut Brandt der schwere Hagelsturm, der im August 2017 während der Festwoche über die Stadt hinweggefe­gt war. Rund 92 Prozent aller Kasko-Schäden, die der Generali-Versicheru­ng im vergangene­n Jahr gemeldet wurden, gingen laut Brandt auf dieses Unwetter zurück. „In Städten verfügen normalerwe­ise weniger Menschen über einen überdachte­n Stellplatz für ihr Fahrzeug, weshalb Hagel dort größeren Schaden verursacht.“Die gleiche Erklärung trifft auf den Landkreis Neu-Ulm zu, wo auf 100 Fahrzeuge etwa 14 Schadensfä­lle kommen. Im Juli hatte es auch dort ein Gewitter mit Starkregen, umgestürzt­en Bäumen und faustgroße­n Hagelkörne­rn gegeben. Das niedrigste Schadensau­fkommen verzeichne­t die Versicheru­ng im Unterallgä­u. Dort hatten nur rund acht Prozent der Fahrzeugha­lter 2017 einen Schaden am Auto.

Und in welcher schwäbisch­en Stadt gab es die meisten Unfälle? In Augsburg: Über 40 Prozent aller Fahrzeugsc­häden geht dort auf Kollisione­n zurück.

Im Bericht des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft, in dem – anders als im Atlas der Generali-Versicheru­ng – die Daten aller Versicheru­ngen ausgewerte­t werden, haben in diesem Jahr übrigens die Berliner und nicht die Kemptener Autofahrer die schlechtes­te Schadensbi­lanz.

 ?? Symbolfoto: Wolfram Kastl, dpa ?? Eine kurze Unaufmerks­amkeit beim Fahren, und schon kann es krachen. Wie oft es zu Schäden an Fahrzeugen kommt, das hat die Generali-Versicheru­ng untersucht. Im sogenannte­n „Karambolag­e-Atlas“geht es aber nicht nur um Verkehrsun­fälle, sondern zum Beispiel auch ums Wetter.
Symbolfoto: Wolfram Kastl, dpa Eine kurze Unaufmerks­amkeit beim Fahren, und schon kann es krachen. Wie oft es zu Schäden an Fahrzeugen kommt, das hat die Generali-Versicheru­ng untersucht. Im sogenannte­n „Karambolag­e-Atlas“geht es aber nicht nur um Verkehrsun­fälle, sondern zum Beispiel auch ums Wetter.

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