Wunschzettel an Hans Reichhart
Kabinett Weihnachten ist nicht mehr fern – und der CSU-Politiker aus Jettingen-Scheppach seit Montag Bau- und Verkehrsminister. Was sich Wirtschaft, Politik und Bürger durch das neue Regierungsmitglied für die Region erhoffen
Günzburg Die Überraschung ist Ministerpräsident Markus Söder am Montag gelungen: Er holte den 36 Jahre alten Hans Reichhart aus Jettingen-Scheppach wieder ins Kabinett und machte aus dem Finanzstaatssekretär den Minister für Wohnen, Bau und Verkehr. Damit ist Reichhart auch oberster Dienstherr für das Staatliche Bauamt in Krumbach. Dessen Leiter Jens Ehmke sagte gestern auf Anfrage: „Wir freuen uns mit ihm und für ihn, dass er diesen verantwortungsvollen Posten übernommen hat und gratulieren ihm ganz herzlich.“Ansinnen an den neuen Minister hat er als Chef einer „Behörde der Unterstufe“nicht. Er habe Reichhart aber als Abgeordneten kennengelernt, der sich für Belange des Straßen- und Wohnungsbaus interessiert und aufgeschlossen gezeigt habe.
Peter Saalfrank, der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, hat dagegen schon einiges auf seinem „Wunschzettel“stehen: „Die IHK Schwaben freut sich über einen Bau- und Verkehrsminister aus der Region, und sie freut sich außerdem über einen so jungen Minister, weil Verkehrspolitik in den nächsten Jahren nicht mehr nur traditionell mit dem Bagger umgesetzt wird, sondern auch mithilfe moderner Technologien und innovativer Angebotskonzepte“, sagte er. Minister Reichhart kenne die Herausforderungen an die Infrastruktur vor der Haustür im Landkreis Günzburg, „und wir wünschen uns, dass er in seinem neuen Amt hier viel Bewegung erzeugen kann“. Saalfrank erwähnte die Neu- und Ausbaustrecke der Bahn zwischen Ulm und Augsburg. Sie solle die Belange der transeuropäischen „Magistrale“und jene der Region erfüllen.
Bei der Bundesstraße 16 müssen, so der Hauptgeschäftsführer, an vielen Stellen Entscheidungen getroffen werden, wie es vor Ort weiter gehen soll, „damit daraus die dringend nötige leistungsfähige Verkehrsachse für Mittelschwaben und weiter zwischen den Autobahnen 8 bei Günzburg und 9 bei Ingolstadt wird. Als IHK werden wir das Gespräch mit dem Minister suchen, um unseren Beitrag zu leisten, diese und weitere Projekte zu unterstützen, im Interesse der Unternehmen, aber auch der Bürger, die zur Arbeit, zur Ausbildung oder zum Einkaufen fahren“, kündigte er an.
Günter Jost sieht die Umgehungsstraßenproblematik mit der B 16 im Bereich Kötz und Ichenhausen anders. Jost ist Vorsitzender des Bündnisses Mensch und Natur, das sich gegen die Ostumgehung wendet. Er wünscht sich, „dass wir nicht einer 30 Jahre alten Planung hinterher sausen, sondern ein ganzheitliches Verkehrskonzept entwickeln“. Eine dreispurige Schnellstraße bringe den Menschen etwa in Ebersbach keine Entlastung. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Jost, der natürlich weiß, dass eine Bundesstraße Sache des Bundes und nicht eines Landesministers ist. Aber Jost glaubt auch, dass Reichhart hier tragfähige Vorschläge einbringen „Hans Reichhart ist ein sehr aufgeschlossener Mensch. Ich schätze ihn persönlich sehr.“
Münsterhausens Bürgermeister Robert Hartinger ist froh, dass er mit Reichhart einen zusätzlichen exponierten Ansprechpartner für Verkehrsangelegenheiten beim Freistaat hat. „Unsere Umgehungsstraße ist ein echtes Mammutprojekt, bei dem wir entsprechende Hilfe benötigen.“Die Besonderheit an dieser Strecke sei, dass es sich dabei um eine Staatsstraße handelt, sie aber von Münsterhausen gebaut wird – dadurch ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Bauamt und dem Freistaat nötig. Durch eine Klage hatte sich das Vorhaben in die Länge gezogen, inzwischen ist diese aber vom Tisch und die Bauarbeiten sollen im kommenden Frühjahr beginnen.
Gerhard Jauernig, der Oberbürgermeister von Günzburg, sieht durch die Berufung Reichharts ins Kabinett durchaus Chancen für den Landkreis Günzburg mit seinen Kommunen, Projekte voranzubringen. Als Vorsitzender des Städtetags in Schwaben nannte er die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen und die Mobilisierung von Bauraum als wichtige Anliegen. Was den Städten noch auf den Nägeln brenne, sei, ein besseres Mobilitätsangebot zu schaffen – insbesondere für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Außerdem würden weitere Kindertagesstätten benötigt. Und schließlich sei die Digitalisierung auf dem Land noch nicht so weit fortgekönnte. schritten wie erwünscht. Jauernig erwähnte in diesem Zusammenhang leistungsfähige Netze mit Glasfaserverbindungen und den Mobilfunk.
Bezogen auf seine Heimatstadt Günzburg wurde der Oberbürgermeister konkreter: Er wünscht sich höhere Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau. Schließlich sei es eine staatliche Aufgabe, günstigen Wohnraum zu schaffen. Da hilft Jauernig zufolge auch, die Lärmgrenzen zu lockern. Er ist überzeugt davon, „dass es auch Menschen gibt, die bereit sind, in der Nähe einer Bahnlinie zu wohnen“, wenn das entsprechend preisgünstig sei.
Als Rathauschef einer von insgesamt 16 bayerischen Modellkommunen, die 2023 bei der Barrierefreiheit Vorreiter sein sollen, urteilt Gerhard Jauernig: „Außer Spesen ist bisher nicht viel gewesen!“Die Steilvorlage des früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer habe sich nicht als solche entpuppt. Die Förderung des Freistaats bezieht sich demnach auf den barrierefreien Zugang staatlicher Gebäude. „Wenn es darum geht, im öffentlichen Raum Bordsteine abzusenken oder Kopfsteinpflaster auszutauschen, dann hört es mit den Fördermöglichkeiten schon auf.“
Um für gehandicapte Menschen ab 2019 „Angebotsstreifen“durch das Kopfsteinpflaster in der Innenstadt bahnen zu können, „brauchen wir Geld und hoffen auf den Minister, der unsere malerische Stadt kennt“. Barrierefreiheit könne nicht mit einem „Titel ohne Mittel“erreicht werden, so Jauernig, der auch eine „echte Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs“fordert. Alle Verkehrsteilnehmer müssten in einem solchen Konzept gleichermaßen berücksichtigt werden. Der Stadtbusverkehr ist nach den Vorstellungen Jauernigs bei Weitem noch nicht so ausgebaut, wie er sich das vorstellt. Der Oberbürgermeister wünscht sich ein „kluges Konzept für nachhaltige Mobilität“. Die Förderung des Fahrradverkehrs spielt für ihn dabei eine Rolle. Außerdem müsse die Benutzung des ÖPNV leichter und einfacher werden.
Dazu sei langer Atem nötig, sagte der Oberbürgermeister an die Adresse des jungen CSU-Bau- und Verkehrsministers, der Bewährtes fortführen, aber auch Neues denken solle.