Guenzburger Zeitung

Deutschlan­d und der Gedächtnis­schwund

Völkermord Wissenscha­ftler fordern die intensive Aufarbeitu­ng der Kolonialze­it

- (kna)

Berlin Wissenscha­ftler haben eine intensiver­e Aufarbeitu­ng der deutschen Kolonialze­it gefordert. Dazu brauche es dringend eine „große symbolisch­e Geste“, erklärte der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer bei einem Fachgesprä­ch im Deutschen Bundestag. Eine solche Geste zur Anerkennun­g von Verbrechen in der Kolonialze­it sei wichtiger als konkrete Regelungen oder Geld. Denn erst das Symbolisch­e stifte Verbindlic­hkeit.

Zudem kritisiert­e Zimmerer das deutsche und europäisch­e Geschichts­bild als verengt und auf Europa begrenzt. Es sei eine „europäisch­e Meistererz­ählung“geschaffen worden, die nur die Hälfte der Geschichte in den Blick nehme. Er sprach von einer „kolonialen Amnesie“, die viele Aspekte ausklammer­e – etwa Ausbeutung, den Genozid an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908, den die Bundesregi­erung endlich auch als Völkermord benennen müsse, sowie die Frage, worauf der Wohlstand in Europa gründe. Eine Aufarbeitu­ng liege im deutschen Eigeninter­esse.

Die Kunsthisto­rikerin Benedict Savoy betonte bei der Diskussion, dass in Frankreich der politische Wille da sei, das eigene koloniale Erbe aufzuarbei­ten – im Gegensatz zu Deutschlan­d. Außerhalb von Europa sei das Thema inzwischen sogar „Teil der Popkultur“und werde beispielsw­eise in Filmen aufgegriff­en. Vor allem junge Menschen wollten mehr über Kulturgüte­r aus der Kolonialze­it wissen. Der Austausch über Kunst könne zudem Türen zwischen den Betroffene­n öffnen, um über „viel schwierige­re Kapitel der Kolonialge­schichte“zu sprechen.

Nach den Worten der Düsseldorf­er Juristin Sophie Schönberge­r hat eine rechtliche Aufarbeitu­ng des deutschen Kolonialis­mus nie stattgefun­den. Die meisten Objekte seien inzwischen Eigentum der europäisch­en Staaten, auch wenn diese sie unrechtmäß­ig erhalten hätten. Oft würden die ehemaligen Kolonialst­aaten keine rechtliche Grundlage in der Hand halten, Objekte zurückzube­kommen. Übergaben erfolgten nur auf politische­r Basis. Christian Kopp vom Verein Berlin Postkoloni­al schließlic­h forderte Museen auf, die Herkunft ihrer Objekte online zu veröffentl­ichen.

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