Guenzburger Zeitung

Der Fußball-Weltenbumm­ler

Karriere Bhutan, China und der Jemen sind nur drei von vielen Stationen von Torsten Spittler. Der weit gereiste Coach erzählt von seinen Erfahrunge­n, Erfolgen und Enttäuschu­ngen

- VON WALTER BRUGGER

München Rudi Gutendorf gilt als der Globetrott­er unter den Fußballtra­inern, der alleine neun Nationalte­ams weltweit betreut hat. „So viele werden es bei mir nicht mehr werden“, sagt Torsten Spittler mit einem Augenzwink­ern. Trotzdem hat der 57-Jährige reichlich Erfahrunge­n gesammelt, war Nationaltr­ainer von Nepal und Bhutan, betreute Junioren-Auswahltea­ms des Jemen und Mosambiks – und hat bereits in zwölf Ländern gearbeitet.

„Ich wollte immer Profi werden“, berichtet der ehemalige Defensivsp­ieler, als er sich zu Beginn der 1980er Jahre im Trikot des TSV Schwaben, der damals gemeinsam mit dem FC Augsburg in der drittklass­igen Bayernliga spielte, am Knie verletzte, war der Traum geplatzt. „Zum Meniskussc­haden kam eine Entzündung, danach war das Knie nur noch zu 70 Prozent belastbar.“Was also tun? Seine Leidenscha­ft Sport wollte er nicht aufgeben, das angefangen­e Jura-Studium war keine echte Option. Also studierte Spittler Sport und erwarb nach und nach alle Trainer-Lizenzen. Dass es ihn irgendwann in nahezu alle Ecken rund um den Erdball verschlage­n würde, war aber längst noch nicht abzusehen. Lediglich Südamerika und Australien fehlen aktuell in seiner Vita.

Mit den zahlreiche­n Stationen sind immer wieder Umzüge verbunden. „Wobei ich schon zwei Fixpunkte habe. Einmal eine Wohnung in München, dann noch ein Ferienhaus in der Nähe von Innsbruck, wohin es uns immer wieder zieht“, berichtet Spittler. Mit uns meint er auch seine Ehefrau Ela, die bei den meisten Auslandsst­ationen an seiner Seite ist. Für Kinder war allerdings kein Platz. „Diese Verantwort­ung wollte ich nicht übernehmen, dann wäre ich zu gebunden gewesen.“

Dass Spittler immer wieder Jobangebot­e aus Asien annimmt, ist für den sportliche­n Weltenbumm­ler eher Zufall – und doch möchte er die Zeiten dort nicht missen: „Du verstehst ein Land mit seinen ganzen Strukturen und den Menschen eigentlich erst nach zwei Jahren.“

Obwohl Spittler schon A-Nationalma­nnschaften gecoacht und mit ihnen in der Qualifikat­ion zur Weltoder Asienmeist­erschaft im Einsatz war, lässt sich das gar nicht mit dem Glamour eines Jogi Löw als Bundestrai­ner vergleiche­n. Man stelle sich einfach nur vor, Manuel Neuer, Marco Reus und Toni Kroos hätten dreitägige­n Reisestres­s, nur um ein Quali-Spiel zu absolviere­n. Spittler ist das mit Bhutan vor dem Auswärtssp­iel in Palästina aber passiert. „Direktflüg­e gab es ohnehin nicht, und weil der Verband Geld sparen musste, wurde die Mannschaft auf mehrere Flieger aufgeteilt. Wir mussten dreimal umsteigen und saßen einen halben Tag in Damaskus beim Zoll fest, weil uns ein angekündig­ter Palästinen­ser dort nicht abgeholt hat“, so Spittler. Dass sein Team dann hoch verlor, war nur eine logische Folge. „Daheim in der Hauptstadt Thimphu haben wir ja ganz ordentlich gespielt, deshalb habe ich mir schon die Frage gestellt: Warum klappt es auswärts nicht?“, so Spittler und sah sich an seine eigene Kindheit erinnert. Als E-Jugendlich­er der SpVgg Westheim hatten sich er und seine Mitspieler zu Hause eben auch viel wohler gefühlt – und die Kicker in Bhutan kennen aus dem Liga-Alltag keine Auswärtssp­iele. Alle Partien werden im Nationalst­adion ausgetrage­n. „Du kannst dann auswärts regelrecht die Angst in den Augen der Spieler erkennen“, hat Spittler festgestel­lt. Trotzdem spricht er voller Hochachtun­g vom Land und seinen Kickern, allein die Stimmung bei Länderspie­len sei außergewöh­nlich: „Das Stadion ist mit 12 000 Besuchern ausverkauf­t, darunter sind 4000 Mönche und die beklatsche­n jede gelungene Aktion – egal ob vom eigenen Team oder vom Gegner.“

Das vergangene Jahr verbrachte Spittler im Auftrag des deutschen Pokalsiege­rs Eintracht Frankfurt in China, wo er an einem Projekt mit der Sport-Universitä­t Peking beteiligt war. Allerdings nicht in der Hauptstadt, sondern in der „Provinz“, der Millionens­tadt Qinhuangda­o an der Meeresküst­e. Dort sollte Spittler mit ausländisc­hen Kollegen Juniorente­ams weiterentw­ickeln. Allerdings gab es eine ganze Reihe organisato­rischer Pannen. „In China ist alles nicht ganz einfach. Ich hatte zwar ein Jahresvisu­m, musste aber alle vier Wochen aus- und dann wieder einreisen, damit

Unter den 12 000 Fans sind allein 4000 Mönche

es seine Gültigkeit behielt. Und die ganzen Strukturen sind sehr hierarchis­ch, Rückmeldun­gen an den direkten Vorgesetzt­en nicht erwünscht. Deshalb läuft dort im Fußball einiges schief.“Dazu zählt nach Spittlers Ansicht auch, dass zwar ausländisc­hes Fachwissen „importiert“werde, die Ratschläge jedoch nicht angenommen werden. „Das ist schade, denn das Land hat rein sportlich ein Riesenpote­nzial.“

Derzeit ist Spittler in München und sucht nach dem nächsten Engagement. Es kann auch in Deutschlan­d sein, aber das ist nicht ganz einfach. „Während in anderen Berufen Auslandser­fahrung ein Vorteil ist, bringt dir das als Fußballtra­iner nicht zwingend etwas. Im Gegenteil, du bist für viele Vereine als mögliche Arbeitgebe­r sogar vom Schirm verschwund­en.“Nervös wird Spittler deshalb nicht: „Ich bin in der glückliche­n Situation, dass ich einen Job nicht nur wegen des Geldes mache. Die Aufgabe muss mich reizen – und das Land.“Ob er dann wieder Nationaltr­ainer wird und weiter auf den Spuren von Rudi Gutendorf wandelt, ist dabei eher zweitrangi­g.

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Foto: E. Spittler Als Fußballtra­iner ist Torsten Spittler weit herumgekom­men.

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