Guenzburger Zeitung

Wenn die Wahrheit auf der Strecke bleibt

Kommunikat­ion Die Sparkasse Günzburg–Krumbach hat den renommiert­en TV-Journalist­en Klaus Scherer eingeladen, der sich im Vortrag vor allem mit US-Präsident Trump auseinande­rsetzt. Was wir in Zeiten von „Fake News“lernen müssen

- VON TILL HOFMANN Time Magazine,

Günzburg Der Videoclip hatte vor zwei, drei Jahren im Internet beachtlich­e Aufmerksam­keit erregt. Er zeigt einen schon totgeglaub­ten Jungen, der im Kugelhagel des syrischen Bürgerkrie­ges ein kleines Mädchen rettet. Mehr Drama war kaum möglich: Schließlic­h ging es um Leben und Tod. Dass Kinder gefilmt wurden und die Rettungsak­tion auch noch gut ausging, bediente die Emotionen der Zuschauer an den Computer-Bildschirm­en und Smartphone-Displays. Aktualität und Relevanz waren gegeben.

Ein Problem sollte sich erst später offenbaren: Der kurze Streifen war eine Ente oder auf neudeutsch: ein Fake. Das Video ist auf Malta entstanden, der Regisseur stammt aus Norwegen und hatte sogar EU-Mittel für seinen Dreh bekommen. Angeblich habe der Mann auf die Ge- fahren falscher Bilder im Internet hinweisen wollen.

In Zeiten fast unbegrenzt­er technische­r Möglichkei­ten kann man den eigenen Augen eben nicht mehr automatisc­h trauen. Das machte auf eindrucksv­olle Weise der Fernsehjou­rnalist und Buchautor Klaus Scherer deutlich, den die Sparkasse zum diesjährig­en Wirtschaft­sgespräch nach Günzburg geholt hatte. Diesmal stand kein wirtschaft­spolitisch­es Thema im Mittelpunk­t. Es ging um Grundsätzl­icheres: die Wahrheit und wie sie gedehnt, manipulier­t und für eigene Zwecke eingespann­t wird.

Wer im Vortrag des GrimmePrei­strägers Scherer die zentrale Figur war, wird durch den Titel seines stellenwei­se mit Fotos und Videos unterlegte­n Referats deutlich: „Bis der Trump euch scheidet?“Der Journalist forderte „mehr Routine für unsere Infogesell­schaft“im Umgang mit sozialen Medien, die heutzutage jeden nicht nur zum Empfänger von Nachrichte­n machten, sondern auch zum Erzeuger und Verbreiter.

US-Präsident Donald Trump beschimpft gerne die Medien, die angeblich „Fake News“verbreitet­en, als „Feinde des Volkes“, nur weil ihm die kritische Berichters­tattung über sein Gebaren nicht genehm ist. Dabei scheint dem Republikan­er, der erfolgreic­h gegen das Washington­er Establishm­ent zu Felde gezogen ist, jedes Mittel recht zu sein. Bereits zu Beginn seiner Ausführung­en zeigt Scherer Trump auf dem Cover des so wie sich der Amerikaner vermutlich selbst gerne sieht: mit verschränk­ten Armen vor dem Oberkörper, was dem Augenschei­n nach für Entschloss­enheit steht. Dieses Titelbild hing in allen Golfklubs des US-Präsidente­n. In Wirklichke­it hat es dieses Cover niemals gegeben.

Je unglaublic­her die Story, so der Eindruck, desto leichter wird sie geglaubt: Im Wahlkampf der Republikan­er wurde dem damaligen demoselbst kratischen Präsidente­n Barack Obama unterstell­t, er würde mit seiner Gesundheit­sreform die Euthanasie einführen. Das hat Scherer als Berichters­tatter fürs Fernsehen in den USA selbst erlebt. Tröstlich sei auch nicht gewesen, was ihm der Medienfors­cher Frank Sesno gesagt habe: Die Leute gehen nicht zweimal in denselben Matrazenla­den, wenn ihnen dort eine schlechte Matratze verkauft worden ist. „Was wir aber nicht wissen, ist, inwieweit das auch für Nachrichte­n gilt, die sie konsumiere­n. Ob sie da etwa lesen, was sie lesen sollten. Oder nur das, was sie gern lesen.“

Unwahre Behauptung­en seien nicht neu. Neu sei hingegen, „wie schnell und global die Angstmache, das Verhöhnen von Faktentreu­e, wie die Verschwöru­ngstheorie­n in der vernetzten Welt ihre Anhänger in ihrer Denkblase heute befeuern“, so Scherer. Er riet dazu, nun eben auch im Netz zu lernen, „was wir am Kiosk schon können: Entscheide­n, was ist relevant, was ist banal, was ist schlüssig, was Unfug, was ist eine Nachricht, was ist Meinung und was nur Hass und Lärm.“

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Foto: Andrew Harnik, dpa US-Präsident Donald Trump (hier im Gespräch mit Medienvert­retern) bezeichnet Journalist­en schon mal als „Feinde des Volkes“.
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Klaus Scherer

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