Guenzburger Zeitung

Dreikampf in der CDU: Schaulaufe­n mit Risiken

Leitartike­l Die Bewerber um die Merkel-Nachfolge offenbaren Schwächen. Aus dem Fest der innerparte­ilichen Demokratie könnte Selbstzerf­leischung à la SPD werden

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Einer, der übers Wasser gehen kann, ist nicht dabei. Das dämmert manchem in der CDU, bevor sich die drei Bewerber um die Merkel-Nachfolge am Dienstag in Mainz zum zweiten Mal dem direkten Vergleich stellen. Noch vor wenigen Tagen schien die Euphorie bei den Christdemo­kraten fast grenzenlos. Seit klar ist, dass Angela Merkel nach 18 Jahren die Parteispit­ze freigibt und sich gleich drei hochkaräti­ge Kandidaten für ihre Nachfolge fanden, sprechen CDU-Leute gerne von einem Fest der innerparte­ilichen Demokratie. Von dem die SPD ja nur träumen könne. Doch jetzt, da der Dreikampf um den Vorsitz Fahrt aufnimmt, mischen sich erste Zweifel in die Hochstimmu­ng. Wird allein ein Wechsel auf dem Chefsessel wirklich den dramatisch­en Absturz in der Wählerguns­t stoppen, der sich zuletzt bei der Hessen-Wahl so deutlich zeigte? Das ist fraglich. Denn je mehr sich die drei Bewerber positionie­ren, desto stärker offenbaren sich auch ihre Schwächen. Annegret Kramp-Karrenbaue­r etwa ist Favoritin des noch immer mächtigen Merkel-Lagers, tut aber alles, um diesen Eindruck zu zerstreuen. Das wirkt unentschlo­ssen, könnte bisherige Anhänger aus der Mitte verärgern, ohne Konservati­ve wirklich zu überzeugen. Will „AKK“nun mit der Flüchtling­spolitik Merkels abschließe­n, sie aufarbeite­n, korrigiere­n oder einfach fortsetzen? Was an ihrer demonstrat­iven Abgrenzung von Merkel ernst gemeint ist und was Taktik, ist vielen Parteimitg­liedern nicht ganz klar. Und dann ihre Ankündigun­g, im Falle einer Niederlage kein wichtiges Amt mehr in der Partei auszuüben. Will sie als echte Konsequenz verstanden wissen. Könnte aber auch als eine Art Erpressung­sversuch gewertet werden: Wenn ihr mich nicht wollt, bin ich halt weg. Nach diesem Motto kehrte einst Friedrich Merz der aktiven Politik den Rücken, jetzt beflügeln seine Comeback-Pläne die Fantasie konservati­ver Parteikrei­se. Doch zurückdreh­en, das wird seinen Fans immer klarer, kann auch Merz die Zeit nicht. Zwar betont er nimmermüde, dass er Merkels Flüchtling­spolitik für grundfalsc­h hält. Dass er Stimmen zurückhole­n werde von der AfD. Und gleichzeit­ig von den Grünen. Wie Auch Merz kann die Zeit nicht zurückdreh­en genau das eigentlich gehen soll, darauf hat Merz allerdings noch keine überzeugen­de Antwort geliefert. Seine beiden Mitbewerbe­r freilich auch nicht. Antworten wären aber wichtig, weil es sich die CDU gar nicht leisten kann, die in Umfragen immer stärkeren Grünen als möglichen Koalitions­partner auf Bundeseben­e zu verprellen. Unklar ist zudem, wie sich die öffentlich­e Diskussion um Merz’ hoch dotierte Wirtschaft­sposten entwickelt. Und Jens Spahn? Hat scheinbar nur eine winzige Chance. Doch die will er nutzen, um jeden Preis. Nickelig erinnert er Friedrich Merz sinngemäß daran, dass der in Zeiten der Flüchtling­skrise statt Politik ja lieber ein Vermögen gemacht hat. Und er reibt Annegret KrampKarre­nbauer alte Aussagen zur Homo-Ehe unter die Nase, die ihn, der mit einem Mann verheirate­t ist, tief verletzt hätten. Spahn kämpft mit harten Bandagen, teilt mächtig gegen die Konkurrenz aus. Vom Eindruck einer funktionie­renden innerparte­ilichen Demokratie hin zum Bild eines zerstritte­nen Haufens aber ist es nur ein kleiner Schritt. Schon bei der SPD hat sich gezeigt, wie schnell Aufbruchst­immung Selbstzerf­leischung weichen kann. Hauptaufga­be der künftigen CDU-Spitze, wer auch immer das Rennen macht, wird es ja sein, die Gräben zu überwinden, die sich in der Partei auftun. Wenn aber schon die Frage des Parteivors­itzes die zerstritte­nen Lager immer weiter voneinande­r entfernt, statt sie zu versöhnen, kann das kaum gelingen.

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