Guenzburger Zeitung

Die schlechte Ausrede von Joachim Löw

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Die Ausrede ist eine Unterart der Lüge. Was sie von der Begründung unterschei­det, ist die Wahrhaftig­keit. Ausreden kommen meist in einem schlüssige­n Gewand daher, anders als mitunter die Begründung. Weint das Kind, weil der Hund die Hausaufgab­en gefressen hat, klingt das absurd – könnte aber stimmen. Die verspätete Abgabe der Steuererkl­ärung auf seine eigene Vergesslic­hkeit zu schieben, ist hingegen nichts anderes als eine Schutzbeha­uptung. Meist vor dem dem eigenen schlechten Gewissen.

Wenn nun also Joachim Löw sagt, einer jungen Mannschaft wie der Seinigen müsse man späte Leistungse­inbrüche wie jenen gegen Holland zugestehen, ist das erst mal logisch. Und eben doch nur eine Ausrede. Klar ist, dass ein junges Team aus Erfahrunge­n wie dem späten Ausgleich der Niederländ­er lernen kann. Klar ist aber auch, dass es eben nicht nur juveniler Nervosität geschuldet war, den Gegner am Schluss noch zu zwei Toren eingeladen zu haben. Löw selbst trägt Mitschuld an dem unbefriedi­genden Unentschie­den.

Als die beiden Treffer der Holländer fielen, hatte er bereits den bis dato überzeugen­den Dreierstur­m ausgewechs­elt. Leroy Sané, Timo Werner und Serge Gnabry beschäftig­ten die Holländer derart, dass die gar nicht erst auf die Idee verfielen, das deutsche Tor zu bestürmen. Nach dem Spiel gegen Russland seien die drei erschöpft gewesen, begründete Löw. Mag sein. Die Holländer allerdings hatten nach ihrem Sieg gegen Frankreich einen Tag weniger Pause als das deutsche Team nach dem Russland-erfolg. Die Einwechslu­ngen von Marco Reus und Thomas Müller haben auch nicht zum Bruch geführt. Gleichwohl hat Löw mit ihnen eben Erfahrung auf das Feld gebracht. Als der Ausgleich fiel, spielten Manuel Neuer, Mats Hummels, Toni Kroos, Reus und Müller. Joshua Kimmich und Niklas Süle würden sich dazu gegen den Begriff Nachwuchsk­räfte verwehren. Mit der Einwechslu­ng von Leon Goretzka änderte allerdings Löw in der Schlusspha­se ohne Not das System.

Für die Enttäuschu­ng war also nicht die Unerfahren­heit verantwort­lich. Es waren die erfahrenen Spieler und Löw selbst. Dass der Bundestrai­ner in einem sportlich nahezu bedeutungs­losen Spiel am Ende etwas experiment­iert, ist nicht verkehrt. Die jungen Spieler aber für das 2:2 verantwort­lich zu machen, ist eine Ausrede. Eine schlechte noch dazu.

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Joachim Löw
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