Guenzburger Zeitung

Kinderarzt hofft auf kürzere Haft

Der Plan der Anwälte im Missbrauch­sprozess

- (jöh)

Augsburg Das erste Urteil lag nahe an der Höchststra­fe: Dreizehnei­nhalb Jahre Gefängnis hatten die Richter im ersten Missbrauch­sprozess gegen den Augsburger Kinderarzt Harry S., 43, verhängt. 15 Jahre sind in solchen Fällen die Obergrenze. Nun, bei der Neuauflage des Prozesses, wollen die Verteidige­r des Mediziners eine mildere Strafe erreichen.

Harry S. hat von Ende der 1990er Jahre an bis zur Verhaftung im Jahr 2014 mindestens 20 Jungen missbrauch­t. Er sprach Kinder auf der Straße an und lockte sie in Keller und Tiefgarage­n. Er organisier­te Ausflüge, bei denen er sich an Jungen vergriff. In Hannover, wo er vor der Verhaftung arbeitete, entführte er einen fünfjährig­en Jungen in seine Wohnung. Dort betäubte, schlug und missbrauch­te er ihn. Die Verteidige­r Ralf Schönauer und Moritz Bode sind aber der Meinung, dass das Gericht es im ersten Prozess mit der Strafe trotzdem übertriebe­n hat.

Das umfassende Geständnis des Arztes, das er bei der Polizei und vor Gericht abgelegt habe, sei zu wenig gewürdigt worden, sagt Ralf Schönauer. Auch das vom Angeklagte­n zugesagte und teils bereits bezahlte Schmerzens­geld an mehrere Opfer in fünfstelli­ger Höhe sei quasi nicht beachtet worden bei der Strafhöhe. Die Anwälte argumentie­ren, ein Geständnis müsse für einen Angeklagte­n eine positive Wirkung haben. Wenn der Eindruck entstehe, es sei für das Strafmaß egal, ob ein Täter seine Schuld eingesteht oder nicht, dann sei das auch ein fatales Signal für andere Angeklagte. Zur Strategie der Verteidige­r gehört es auch, im Prozess deutlich zu machen, dass die psychische­n Folgen bei einigen Opfern nicht durch die Tat, sondern erst durch die Ermittlung­en ausgelöst worden seien.

Einen Jungen aus dem privaten Umfeld hatte Harry S. betäubt und dann missbrauch­t. Dieser Junge erfuhr von dem Missbrauch erst, als ihm die Ermittler Fotos zeigten, die Harry S. von der Tat gemacht hat. Der Junge – heute ist er ein junger Mann – hat als Zeuge im Prozess berichtet, dass die Ermittler die Fotos plötzlich vor ihn „hingeknall­t“hätten. Das sei ein großer Schock für ihn gewesen. Opferanwäl­tin Marion Zech sagt dazu aber auch: „Die Taten hat der Angeklagte begangen und niemand anderes.“

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