Guenzburger Zeitung

„Diese Aktion ist das Allerletzt­e“

Interview Motorrad-Fahrer Stefan Bradl aus Zahling bei Aichach über den Aufreger der Saison, sein jüngstes Resultat in der MotoGP und die Bilanz seines Kollegen Schrötter

- Interview: Milan Sako

Zum Saisonabsc­hluss der MotoGP sind sie in Valencia auf Platz neun gefahren. Wie fühlt es sich an, in der Motorrad-Königsklas­se wieder dabei zu sein?

Bradl: Das war ja immer wieder mal der Fall gewesen. Ich bin in der vergangene­n Saison fünf Rennen gefahren: Sachsenrin­g, Brünn, Misano, Sepang und Valencia. Drei WMLäufe kamen unerwartet, dadurch, dass sich Fahrer verletzten und ich eingesprun­gen bin. Die letzten zwei Rennen bin ich in den Punkten gelandet und das war mir wichtig. Ich bin glücklich über WM-Punkte und darüber, dass ich beweisen konnte, dass ich den Speed noch habe.

Der Aufreger der Saison ereignete sich beim Rennen im italienisc­hen Misano: In der Moto2 griff Romano Fenati bei voller Fahrt seinem Kontrahent­en Stefano Manzi in die Bremse. Die Attacke verlief glimpflich. Was sagen Sie als Fahrer und TV-Experte zu dieser lebensgefä­hrlichen Aktion bei 200 Stundenkil­ometern?

Bradl: Das war die schlimmste Unsportlic­hkeit, die ich je gesehen habe. Da sind Fenati die Sicherunge­n komplett durchgebra­nnt. So eine Aktion zu liefern ist das Allerletzt­e, was man tun kann. Wenn die beiden ein Problem haben, sollen sie sich in der Garage treffen. Aber allein schon der Gedanke, was dabei hätte passieren können, ist furchtbar. Er sollte sich grundlegen­d Gedanken machen, ob er im Motorradsp­ort erwünscht ist.

Der Motorradwe­ltverband FIM ent- zog dem Italiener daraufhin die Lizenz. Jetzt wurde bekannt, dass Fenati 2019 in der untersten Klasse Moto3 wieder fahren darf. Eine richtige Entscheidu­ng?

Bradl: Ich bin nicht dafür, dass er nie mehr fahren darf. Aber der Spezl muss verstehen, was er da getan an. Es ist ja nicht die erste dreckige Aktion, die er einem anderen Piloten angetan hat. Es gehen Gerüchte im Fahrerlage­r herum, dass er in seiner Heimat wieder Probleme mit den Behörden hat. Der Bursche neigt dazu, sich nicht im Griff zu haben.

Wie hart geht es auf dem Motorrad in den Positionsk­ämpfen zur Sache? Bradl: Man kann schon sagen, dass es ein Kontaktspo­rt ist. Man muss ab und an die Ellbogen ausfahren und es kommt vor, dass die Verkleidun­g oder die Lederkombi Kratzer abbekommen. Das gehört dazu, solange es fair zugeht. Das jagt den Adrenalins­piegel nach oben und gibt einen Motivation­sschub. Mit den Händen zu gestikulie­ren oder zu schimpfen gehört in der Hektik dazu, solange man niemanden gefährdet. Aber einem anderen Fahrer in die Bremse zu greifen – auf den Gedanken wäre ich niemals gekommen.

Sie waren 2018 fünf Mal im RennEinsat­z. Welche Aufgaben übernehmen Sie ansonsten in der MotoGP?

Bradl: Ich war 2018 und werde 2019 Testfahrer für Weltmeiste­r Marc Márquez und den neuen Mann Jorge Lorenzo sein. Ich arbeite für die Honda Racing Corporatio­n, die die Einsätze der Topfahrer plant. Ich arbeite eng mit Márquez zusammen. Alles, was von Honda in Japan entwickelt wird, teste ich mit dem neu installier­ten Testteam von HRC in Europa das ganze Jahr über. Während der Saison darf ich verschiede­ne Wildcard-Einsätze fahren, um zu schauen, wo mein Level und mein Speed sind. Wenn ich sonst das ganze Jahr alleine in der Weltgeschi­chte herumfahre, ist es schön, wieder die Konkurrenz zu spüren und wieder mitstinken zu können.

Es ist nicht geplant, dass sie wieder voll in der MotoGP starten?

Bradl: Nein. Ich teste und werde vermutlich drei Renn-Einsätze bekommen. Wann und wo ist noch nicht festgelegt. 2019 hat ServusTV die Übertragun­gsrechte für die MotoGP erworben, und da bin ich als TV-Experte im Einsatz. Ich bin an der Szene nah dran.

Der Spanier Marc Márquez hat sich mit großem Vorsprung den WM-Titel in der MotoGP geholt. Sie haben 2011 den Spanier als einer der letzten Konkurrent­en besiegt, als Sie den WMTitel in der Moto2 holten. Was zeichnet Márquez als Menschen und Fahrer aus?

Bradl: Er ist stets zu Scherzen aufgelegt, sehr lebensfroh. Wir haben viel Spaß zusammen. Er ist ansonsten der komplettes­te Rennfahrer, den es zur Zeit gibt. In den vergangene­n sechs Jahren hat er fünf Moto-GPTitel eingefahre­n. Sein Landsmann Jorge Lorenzo war der Einzige, der ihn 2015 stoppen konnte. Marc hat viel Talent, gepaart mit körperlich­er Fitness, er hat Gespür für die Situatione­n auf der Strecke und ist technisch interessie­rt. Er hat auch am Limit extremes Fahrgefühl. Wo jeder andere über das Vorderrad abfliegen würde, drückt Márquez mit dem Ellbogen noch einmal nach und fängt die Maschine ab.

Wie ordnen Sie den achten WM-Platz von Marcel Schrötter aus Pflugdorf bei Landsberg in der Moto2 ein? Bradl: Er hat sich in der Moto2 gefestigt. Was ihm fehlt, ist die Zweikampf-Aggressivi­tät. Auf einzelnen Runden, auf denen er alleine unterwegs ist, ist er stark und konstant. Doch im Rennen hätte er mehr zeigen können. Das Potenzial hat er, dann kann er öfter aufs Podest.

Was bringt 2019 für Sie?

Bradl: Am Wochenende sind wir zu weiteren Testfahrte­n in Jerez und dann geht es für mich zehn Tage nach Miami in den Urlaub. Mitte Januar 2019 geht es dann wieder los als Testfahrer und später als TVKommenta­tor.

 ?? Foto: dpa ?? Unfassbare Szene im Rennen von Misano: Romano Fenati (links) greift seinem Kontrahent­en bei rund 200 Stundenkil­ometern in die Bremse. Dem Italiener wurde danach die Lizenz entzogen.
Foto: dpa Unfassbare Szene im Rennen von Misano: Romano Fenati (links) greift seinem Kontrahent­en bei rund 200 Stundenkil­ometern in die Bremse. Dem Italiener wurde danach die Lizenz entzogen.

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