Mutmaßlicher Gefährder in Günzburg vor Gericht
Ein Sympathisant der Terrororganisation al-nusra-front steht in Günzburg vor Gericht, weil er trotz Verbots Kontakt in sein Heimatland hatte. Der Fall des Syrers zeigt die Probleme im Umgang mit Gefährdern auf
Ein Sympathisant einer Terrororganisation musste sich verantworten, weil er trotz eines Verbots Kontakt nach Syrien hatte.
Günzburg Gut gekleidet ist der Mann, eleganter beiger Mantel, Lederschuhe. Er spricht mit leiser, aber fester Stimme, eine Dolmetscherin übersetzt vom Arabischen ins Deutsche. Er habe in Syrien aufseiten der Opposition gegen das Assad-regime gekämpft, sagt der 24-Jährige. Fotos auf seiner Facebook-seite zeigen ihn als Kämpfer. Dort fand sich auch Propagandamaterial des Islamischen Staats und vor allem der al-nusra-front, einer dschihadistischen Gruppierung, die seit 2013 von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestuft wird. Die aus dem Terrornetzwerk Al-qaida heraus entstandene al-nusra-front kämpft im syrischen Bürgerkrieg, die deutschen Behörden schätzen den Asylbewerber aus dem Landkreis Günzburg zumindest als Sympathisanten ein.
Das brachte den Mann aus Daraa, einer Stadt an der syrisch-jordanischen Grenze, vor das Amtsgericht Günzburg. Seit drei Jahren ist der 24-Jährige in Deutschland, er spricht passabel Deutsch, was er auch in der Verhandlung immer wieder beweist. Er hat eine unbefristete Anstellung als Maschinenführer bei einem Unternehmen im nördlichen Landkreis Günzburg. Doch seine Vergangenheit als Kämpfer im syrischen Bürgerkrieg hat ihn eingeholt. Landeskriminalamt (LKA) und Verfassungsschutz hatten ihn wegen seiner zweifelhaften Äußerungen in den sozialen Medien ins Visier genommen. So soll er etwa nach den Terroranschlägen von Paris mit 130 Toten sinngemäß geschrieben haben: „Geschieht den Schweinen recht.“Weiter soll er dazu aufgefordert haben, dort zu kämpfen, wo „keine Moslems leben“. Der Angeklagte sieht sich als Opfer fehlerhafter Übersetzungen. Auch seien die Posts mit der Terrorpropaganda über fünf Jahre alt. Er habe nur vergessen, sie zu löschen.
für den Prozess ist das nicht. Das Amtsgericht hatte dazu bereits 2016 und dann nochmals im Juni 2018 Strafbefehle verhängt. Der Syrer musste Geldstrafen in Höhe von 1400 Euro wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz zahlen. Das bedeutet, dass er eine verbotene Organisation unterstützt hat. Bei der Verhandlung in Günzburg geht es nun darum, dass der Mann vielfach gegen ein Kommunikationsverbot verstoßen hat, das ihm das Landratsamt Günzburg erteilt hat. Hintergrund ist, dass sich der potenzielle Gefährder so nicht über das Netz radikalisieren können soll, bis die bereits beschlossene Auswei- zurück in seine Heimat vollzogen werden kann. Wann das sein wird, weiß niemand. Die Bundesregierung hat Abschiebungen nach Syrien vorerst gestoppt.
Das alles teilte die Behörde Ende April dieses Jahres mit. Obwohl es ihm nicht erlaubt war, über Internet, Handy oder Telefon zu kommunizieren, konnte die Polizei in einem Zeitraum von knapp einem Monat danach insgesamt 477 Aktivitäten auf einem später sichergestellten Smartphone nachweisen. Meist waren es Whatsapp-nachrichten, aber auch rund 70 Telefonate waren darunter. Fast schon ironisch dabei ist, dass die Polizei dieentscheidend sen Verstoß entdeckte, als der Mann von seinem Handy aus beim LKA in München anrief, um einen Termin für eine Befragung zu vereinbaren. Mit wem der Angeklagte in Syrien kommuniziert hat, das habe man dagegen nicht herausfinden können, räumt ein Beamter vom LKA als Zeuge vor Gericht ein. Es können die noch in Syrien lebende Familie sein, aber auch Kontaktmänner der Al-nusra-front.
Außerdem fand die Polizei auf dem Handy ein Video, das ein Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren beim Geschlechtsverkehr zeigt. Dass das in Deutschland nicht erlaubt ist, habe er nicht gewusst, besung teuert der Angeklagte. Richter Walter Henle entgegnet: „Wenn ich in ein fremdes Land komme, bin ich verpflichtet, mich zu informieren, was erlaubt ist und was nicht.“Dass sich kein Rechtsanwalt gefunden habe, der ihn berät, lässt Henle nicht als Ausrede gelten. Ebenso wenig die Tatsache, dass der 24-Jährige vorgeblich nur den Kontakt zu seiner Familie halten wollte. Der Richter verteidigt das Kommunikationsverbot und vergleicht den Fall mit dem des Drahtziehers der Terroranschläge vom 11. September. „Mohammed Atta war ein friedlicher Student, hat in Hamburg studiert. Und plötzlich fliegt er in die Twin Towers.“Der Angeklagte ist fassungslos: „Dass Sie glauben, dass ich so etwas machen könnte.“
Für Staatsanwalt Niklas Bullinger ist die Sache klar. Der Angeklagte habe die Auflagen des Landratsamts gekannt und trotzdem dagegen verstoßen, obwohl es im Falle eines solchen „Gefährders“besonders wichtig sei. Außerdem sei er zumindest ein Sympathisant von Extremisten oder aber „das größte Opfer von schlechten Übersetzern, das ich je gesehen habe.“Weil er bei dem Mann auch keinen Respekt vor Recht und Gesetz erkennen könne und daher keine positive Sozialprognose sehe, beantragt der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung.
Richter Henle allerdings will dem Mann noch eine letzte Chance geben. Die Verhandlung habe aus seiner Sicht Eindruck auf den Angeklagten gemacht. „Ich denke, dass er keine neuen Taten begehen wird.“Der Richter verhängt eine Bewährungsstrafe von fünf Monaten und eine Geldbuße von 1500 Euro, die der Mann an die jüdische Gemeinde Ulm zahlen muss. Damit, so Henle, wolle er ihm zeigen, „dass hier Religionsfreiheit herrscht und alle gleichberechtigt sind.“Die Staatsanwaltschaft will Rechtsmittel gegen das Urteil prüfen.