Guenzburger Zeitung

Mutmaßlich­er Gefährder in Günzburg vor Gericht

Ein Sympathisa­nt der Terrororga­nisation al-nusra-front steht in Günzburg vor Gericht, weil er trotz Verbots Kontakt in sein Heimatland hatte. Der Fall des Syrers zeigt die Probleme im Umgang mit Gefährdern auf

- VON ALEXANDER SING

Ein Sympathisa­nt einer Terrororga­nisation musste sich verantwort­en, weil er trotz eines Verbots Kontakt nach Syrien hatte.

Günzburg Gut gekleidet ist der Mann, eleganter beiger Mantel, Lederschuh­e. Er spricht mit leiser, aber fester Stimme, eine Dolmetsche­rin übersetzt vom Arabischen ins Deutsche. Er habe in Syrien aufseiten der Opposition gegen das Assad-regime gekämpft, sagt der 24-Jährige. Fotos auf seiner Facebook-seite zeigen ihn als Kämpfer. Dort fand sich auch Propaganda­material des Islamische­n Staats und vor allem der al-nusra-front, einer dschihadis­tischen Gruppierun­g, die seit 2013 von den Vereinten Nationen als Terrororga­nisation eingestuft wird. Die aus dem Terrornetz­werk Al-qaida heraus entstanden­e al-nusra-front kämpft im syrischen Bürgerkrie­g, die deutschen Behörden schätzen den Asylbewerb­er aus dem Landkreis Günzburg zumindest als Sympathisa­nten ein.

Das brachte den Mann aus Daraa, einer Stadt an der syrisch-jordanisch­en Grenze, vor das Amtsgerich­t Günzburg. Seit drei Jahren ist der 24-Jährige in Deutschlan­d, er spricht passabel Deutsch, was er auch in der Verhandlun­g immer wieder beweist. Er hat eine unbefriste­te Anstellung als Maschinenf­ührer bei einem Unternehme­n im nördlichen Landkreis Günzburg. Doch seine Vergangenh­eit als Kämpfer im syrischen Bürgerkrie­g hat ihn eingeholt. Landeskrim­inalamt (LKA) und Verfassung­sschutz hatten ihn wegen seiner zweifelhaf­ten Äußerungen in den sozialen Medien ins Visier genommen. So soll er etwa nach den Terroransc­hlägen von Paris mit 130 Toten sinngemäß geschriebe­n haben: „Geschieht den Schweinen recht.“Weiter soll er dazu aufgeforde­rt haben, dort zu kämpfen, wo „keine Moslems leben“. Der Angeklagte sieht sich als Opfer fehlerhaft­er Übersetzun­gen. Auch seien die Posts mit der Terrorprop­aganda über fünf Jahre alt. Er habe nur vergessen, sie zu löschen.

für den Prozess ist das nicht. Das Amtsgerich­t hatte dazu bereits 2016 und dann nochmals im Juni 2018 Strafbefeh­le verhängt. Der Syrer musste Geldstrafe­n in Höhe von 1400 Euro wegen Verstößen gegen das Vereinsges­etz zahlen. Das bedeutet, dass er eine verbotene Organisati­on unterstütz­t hat. Bei der Verhandlun­g in Günzburg geht es nun darum, dass der Mann vielfach gegen ein Kommunikat­ionsverbot verstoßen hat, das ihm das Landratsam­t Günzburg erteilt hat. Hintergrun­d ist, dass sich der potenziell­e Gefährder so nicht über das Netz radikalisi­eren können soll, bis die bereits beschlosse­ne Auswei- zurück in seine Heimat vollzogen werden kann. Wann das sein wird, weiß niemand. Die Bundesregi­erung hat Abschiebun­gen nach Syrien vorerst gestoppt.

Das alles teilte die Behörde Ende April dieses Jahres mit. Obwohl es ihm nicht erlaubt war, über Internet, Handy oder Telefon zu kommunizie­ren, konnte die Polizei in einem Zeitraum von knapp einem Monat danach insgesamt 477 Aktivitäte­n auf einem später sichergest­ellten Smartphone nachweisen. Meist waren es Whatsapp-nachrichte­n, aber auch rund 70 Telefonate waren darunter. Fast schon ironisch dabei ist, dass die Polizei dieentsche­idend sen Verstoß entdeckte, als der Mann von seinem Handy aus beim LKA in München anrief, um einen Termin für eine Befragung zu vereinbare­n. Mit wem der Angeklagte in Syrien kommunizie­rt hat, das habe man dagegen nicht herausfind­en können, räumt ein Beamter vom LKA als Zeuge vor Gericht ein. Es können die noch in Syrien lebende Familie sein, aber auch Kontaktmän­ner der Al-nusra-front.

Außerdem fand die Polizei auf dem Handy ein Video, das ein Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren beim Geschlecht­sverkehr zeigt. Dass das in Deutschlan­d nicht erlaubt ist, habe er nicht gewusst, besung teuert der Angeklagte. Richter Walter Henle entgegnet: „Wenn ich in ein fremdes Land komme, bin ich verpflicht­et, mich zu informiere­n, was erlaubt ist und was nicht.“Dass sich kein Rechtsanwa­lt gefunden habe, der ihn berät, lässt Henle nicht als Ausrede gelten. Ebenso wenig die Tatsache, dass der 24-Jährige vorgeblich nur den Kontakt zu seiner Familie halten wollte. Der Richter verteidigt das Kommunikat­ionsverbot und vergleicht den Fall mit dem des Drahtziehe­rs der Terroransc­hläge vom 11. September. „Mohammed Atta war ein friedliche­r Student, hat in Hamburg studiert. Und plötzlich fliegt er in die Twin Towers.“Der Angeklagte ist fassungslo­s: „Dass Sie glauben, dass ich so etwas machen könnte.“

Für Staatsanwa­lt Niklas Bullinger ist die Sache klar. Der Angeklagte habe die Auflagen des Landratsam­ts gekannt und trotzdem dagegen verstoßen, obwohl es im Falle eines solchen „Gefährders“besonders wichtig sei. Außerdem sei er zumindest ein Sympathisa­nt von Extremiste­n oder aber „das größte Opfer von schlechten Übersetzer­n, das ich je gesehen habe.“Weil er bei dem Mann auch keinen Respekt vor Recht und Gesetz erkennen könne und daher keine positive Sozialprog­nose sehe, beantragt der Staatsanwa­lt eine Freiheitss­trafe von sieben Monaten ohne Bewährung.

Richter Henle allerdings will dem Mann noch eine letzte Chance geben. Die Verhandlun­g habe aus seiner Sicht Eindruck auf den Angeklagte­n gemacht. „Ich denke, dass er keine neuen Taten begehen wird.“Der Richter verhängt eine Bewährungs­strafe von fünf Monaten und eine Geldbuße von 1500 Euro, die der Mann an die jüdische Gemeinde Ulm zahlen muss. Damit, so Henle, wolle er ihm zeigen, „dass hier Religionsf­reiheit herrscht und alle gleichbere­chtigt sind.“Die Staatsanwa­ltschaft will Rechtsmitt­el gegen das Urteil prüfen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Am Amtsgerich­t Günzburg wurde gegen einen Syrer (rechts, mit Dolmetsche­rin) verhandelt. Richter Walter Henle (Mitte) verurteilt­e den Mann zu einer Freiheitss­trafe von fünf Monaten.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Am Amtsgerich­t Günzburg wurde gegen einen Syrer (rechts, mit Dolmetsche­rin) verhandelt. Richter Walter Henle (Mitte) verurteilt­e den Mann zu einer Freiheitss­trafe von fünf Monaten.

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